Gerade so hat der FC Bayern München das Rennen um die Herbstmeisterschaft offen gehalten. Der 2:1-Sieg über 1899 Hoffenheim bot allerdings mehr als nur ein Zurechtrücken der Machtverhältnisse der Bundesliga. Die Bayern könnten Gesellschaft bekommen.
Da stand er, der Luca Toni, und strahlte von einem Eckzahn zum anderen. "Importante vincere", hatte der Italiener schon vor dem Spiel gegen Hoffenheim gepredigt, und er tat es auch nach dem Spiel. Importante vincere - wichtig ist, dass man siegt. Nach dem "Wie" fragt später keiner.
In der Tat: Schon bald wird kein Hahn mehr danach krähen, ob der Sieg der Bayern nun verdient war, oder doch nur glücklich. Bayern 2, Hoffenheim 1, wird über das erste Duell der beiden Antagonisten in den Geschichtsbüchern stehen. Vermerk: Putschversuch vorerst abgewehrt.
Kollektiv unterliegt individueller Klasse
Metaphern wurden dem Spiel im Vorgeplänkel genügend angehängt. Eine Neuauflage von David gegen Goliath wollten manche sehen, Hoffenheim-Coach Ralf Rangnick verglich sich selbst mit Asterix und seine Truppe mit unbeugsamen Galliern. Ein Treppenwitz, dass ausgerechnet einem Nachfahren aus dem römischen Reich, nämlich Toni, in der 92. Minute das Siegtor gegen den aufmüpfigen Tabellenführer aus der Fußballprovinz gelang.
Das Kollektiv Hoffenheim war am Ende der individuellen Klasse der Bayern-Stars unterlegen - und steht dennoch nicht als Verlierer da.
Denn das Duell in der Allianz Arena war eindeutig mehr als ein Kräftemessen ungleicher Kontrahenten - es war vielmehr das Spiel Gegenwart gegen Zukunft. Auch wenn die Zukunft erstmal mit leeren Händen nach Hause geschickt wurde.
"Die Mannschaft ist im Durchschnitt erst 22 Jahre alt und hat den FC Bayern hier richtig gefordert", meinte Rangnick hinterher nicht ohne Stolz. "Und wenn ich an die Phase zwischen der 45. und 60. Minute denke: Da haben wir fast im Stile einer Heimmannschaft gespielt."
Obasi: "So ist Fußball eben"
Der Rekordmeister hätte sich wahrlich nicht beschweren können, hätte er nach dem 18. Saisontor von Vedad Ibisevic (48.) gleich noch ein weiteres Gegentor kassiert. Hoffenheim agierte, der Meister reagierte. Das allerdings mit kühler Effizienz. Lahms Abschluss zum 1:1 (60.) war gerade mal der vierte Torschuss der Bayern, Hoffenheim hatte bis dato elf.
In der 87. Minute hatte der eingewechselte Sejad Salihovic den Sieg für Hoffenheim auf dem Fuß - und vergab. Auf der anderen Seite traf Toni. "So ist Fußball eben", meinte Salihovic' Kollege Chinedu Obasi hinterher, "manchmal gewinnt man, manchmal verliert man."
Hoffenheim kommt den Bayern gefährlich nahe
"Wenn wir verloren hätten, wäre es meine Schuld gewesen", meinte Toni mit Blick auf zwei zuvor vergebene Kopfballchancen. "Umso schöner, dass ich in der letzten Minute noch das Tor gemacht habe. Das war fantastisch."
Trotzdem war den meisten Bajuwaren nach dem Spiel klar: dieses Hoffenheim war dem Rekordmeister gefährlich nahe gekommen. "Man hat gesehen, dass sich da ohne Frage die zwei besten deutschen Mannschaften gegenüber standen. Wir waren von zwei Klasse-Mannschaften die etwas glücklichere", fasste Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge das 90-minütige Auf und Ab auf dem Rasen treffend zusammen.
Bayern zu häufig in Unterzahl
Philipp Lahm hingegen schwang in seinen Ausführungen zwar überwiegend "Wir sind der FC Bayern"-Parolen, brachte aber auch einen Nebensatz hervor, der den Nagel auf den Kopf traf. "Das Spiel war zu offen", sagte der Linksverteidiger und verdeutlichte damit, wie unwohl sich die Bayern teilweise in ihrer Haut gefühlt haben mögen.
Denn: Die reifere Anlage, den klareren Plan vom Spiel, vielleicht sogar das größere Potenzial, hatte zuvor der Aufsteiger offenbart. Bei Ballgewinn ging es bei den Gästen zeitweise so fix nach vorne, dass die Bayern trotz kompakter Grundausrichtung plötzlich in Unterzahl waren.
Ritterschlag von Rummenigge
"Einer war immer frei", mahnte Mark van Bommel hinterher an, "ich stand teilweise gegen zwei, drei Mann. Das haben sie gut gemacht - aber nicht gut genug." Letztlich verhalfen Zweikampfstärke, eine außerordentliche Fitness und die individuelle Klasse dem Meister zum Erfolg.
GettyDen Gästen blieb am Ende der schwache Trost, bei gleichbleibender Entwicklung mittelfristig zur echten Bedrohung werden zu können.
Den Ritterschlag gab's von Rummenigge selbst: "Sie haben uns wirklich alles abverlangt. Wir werden weiter hart arbeiten müssen, um uns am Ende gegen Hoffenheim durchzusetzen."
Luca Toni: "Schalke hat mir besser gefallen"
Rangnick gab sich alle Mühe, trotz der Niederlage gelassen zu wirken. "Es ist überhaupt nicht unser Anspruch, auf Augenhöhe mit den Bayern zu sein. Wir können doch gar nicht solche Ansprüche haben, wo wir doch noch vor zwei Jahren deutlich gegen die zweite Mannschaft von Bayern verloren haben", so der Fußball-Lehrer, der dennoch angefressen und enttäuscht wirkte.
Bodenständigkeit ist immer noch das oberste Gebot des Aufsteigers. Das Credo, nur von Spiel zu Spiel zu blicken, wird der jungen Truppe von Beginn an eingetrichtert.
Das Konzept greift soweit: "In unserer Mannschaft gibt es keinen, der Gefahr läuft, Bodenhaftung zu verlieren", sagt Rangnick. Man glaubt es ihm.
Bayern - Hoffenheim: Alle Daten und Fakten