Michael Preetz tritt bei Hertha BSC ein schwieriges Erbe an: Er wird Nachfolger von "Mr. Hertha" Dieter Hoeneß. Beide verbindet die Liebe zum Hauptstadt-Klub. In ihrem Handeln könnten sie aber unterschiedlicher nicht sein.
Seinen letzten großen Auftritt hatte Michael Preetz vor über sechs Jahren. Am 24. Mai 2003 half der damals 35-Jährige mit, Hertha BSC Berlin doch noch in den UEFA-Cup zu schießen.
Beim 2:0 über Kaiserslautern feierte Preetz den Einzug ins europäische Geschäft, seinen letzten Auftritt als Spieler im Olympiastadion und den Beginn seiner ganz persönlichen neuen Zeitrechnung.
Preetz ging mit 84 Toren als Rekordtorschütze der Hertha in Klubgeschichte ein und tauchte einige Wochen später wieder auf - als Praktikant im gehobenen Dienst, auf der Geschäftsstelle.
Sechs Jahre in Hoeneß' Schatten
Schon damals war klar, wo ihn sein Weg einmal hinführen würde: auf den Stuhl von Dieter Hoeneß. Der fühlte sich und seine Arbeit in Berlin damals schon nicht immer entsprechend gewürdigt. Eine Ablösung war manchmal eine Frage von Tagen, vielleicht Wochen. Dann saß Hoeneß aber wieder fest im Sattel. Schließlich dauerte es über sechs Jahre.
Die erfolgreiche Ära Hoeneß in der Hauptstadt endete mit dessen Abgang quasi durch die Hintertür. Relativ geräuschlos, sehr unspektakulär und ohne den vom Verein befürchteten Knalleffekt. Ganz so, wie sich Michael Preetz als treuer Adjutant während seiner Lehrjahre im großen Schatten von Hoeneß verhalten hatte. Und gar nicht so, wie sich Hoeneß bisweilen verhalten hatte: laut, polternd und aufbrausend.
Immer wieder wurde Preetz von den Fans, vom Boulevard oder einem der vielen nassforschen Gelegenheits-Hertha-Fans aus der Politik, deren Geltungsbedürfnis zu groß, der nötige Sachverstand dafür aber umso kleiner war, vehement gefordert.
Preetz aber blieb im wahrsten Sinne des Wortes ruhig. Keine Silbe rutschte ihm gegen Hoeneß oder den Verein heraus. Er hielt sich im Stillen und zeigte eine in der grellen und unbarmherzigen Welt der Bundesliga ungewohnte Geduld und Loyalität.
"Keine Parallelen suchen"
Jetzt ist der mittlerweile 41-Jährige am Ziel. Auch wenn er das so nie zugeben würde. Preetz wird der neue starke Mann bei der Hertha, das hat er mit Hoeneß gemein. Ansonsten nicht viel. Preetz wird nicht den Alleinherrscher geben, wie sein Vorgänger dies - oft zu seinem eigenen Nachteil - getan hat.
"Man sollte nicht den Fehler machen und irgendwelche Parallelen zu Dieter Hoeneß suchen. Michael ist ein eigenständiger Mensch, hat seine eigenen Ideen und weiß, was in diesem Bereich gefordert wird", beschreibt Jürgen Röber den "Langen" im Gespräch mit SPOX.
Sechs Jahre lang pflegten beide enge Bande. Röber war in Berlin Preetz' Trainer, Preetz war Röbers Kapitän. "Michael hat in den letzten Jahren Dieter Hoeneß über die Schulter schauen können und sicherlich viel gelernt, so dass er nun bereit ist, diesen verantwortungsvollen Job anzugehen."
Gedankenspiele mit Wolfsburg
Preetz ist, wie schon zu seiner Zeit als Aktiver, ein reiner Mannschaftsspieler. "Schon als Spieler war Michael ein intelligenter Bursche. Er ist ein Teamplayer, rhetorisch sehr gewandt und hat ordentlich was im Kopf."
Röber verabschiedete sich 2002 aus Berlin und heuerte ein Jahr später in Wolfsburg an. Mit einigen Ambitionen im Gepäck und dem Namen Preetz im Kopf. "Ich hatte in Wolfsburg die Idee, ihn als Sportlichen Leiter zu holen. Mir war schon damals bewusst war, dass es für ihn ein Weg sein könnte, weiter im Profifußball zu arbeiten."
Hoeneß' große Fußstapfen
Jetzt ist Preetz da, wo ihn nicht nur Röber schon viel früher vermutet hätte. Aber gleich die erste Station im Manager-Dschungel wird zur echten Zerreißprobe. Hoeneß hat Spuren hinterlassen bei der Hertha, wie noch kein Angestellter zuvor. Aus einem darbenden Zweitligisten formte Hoeneß einen etablierten und ambitionierten Bundesligisten.
Das Vereinsgelände am Olympiastadion samt Internat und den Trainingsplätzen gehen auf sein Konto. Hoeneß hat allein durch seinen Namen und seine früheren Vereine Bayern München und VfB Stuttgart unzählige Kontakte zur Wirtschaft, der Deal mit Trikotsponsor "Deutsche Bahn" geht zu großen Teilen auf sein Konto.
"Wenn Hoeneß bei einem Großen direkt in dessen Büro spaziert ist, wird Preetz jetzt zuerst mal bei der Sekretärin vorstellig werden müssen", wird hinter vorgehaltener Hand getuschelt. Darin sehen viele ein Problem: Preetz hat längst nicht so viele Verbindungen wie der umtriebige und omnipräsente Hoeneß.
Stars werden gehen
"Kein Problem", sagt dagegen Marco Rehmer im Gespräch mit SPOX. Auch Rehmer ist ein langjähriger Weggefährte Preetz'. "Michael ist clever genug, sich schnell die Nischen und Kontakte zu schaffen, die er braucht."
Und trotzdem bleiben hohe Hürden. Die Mannschaft hat sich in den letzten beiden Spielen nicht für eine glänzende Saison belohnt und sowohl Meisterschaft als auch die Champions League verpasst. Die Folge: Die notorisch klamme Hertha wird auch in der kommenden Saison keine großen Sprünge machen können. Und einige Stars verlieren.
"Auch deshalb wird es nicht einfach für Michael. Voraussichtlich werden wichtige Spieler wie Pantelic oder Woronin den Verein verlassen. Vieles wird vom sportlichen Erfolg abhängen und davon, wozu der Verein finanziell in der Lage ist", befürchtet Röber.
Etatkürzung und hoher Schuldenstand
Mit einem Etat von nur noch 28 Millionen Euro wird Berlin in die kommende Saison gehen. Das sind fünf Millionen weniger als in der abgelaufenen Spielzeit.
Ende Juni wird Herthas Schuldenstand wohl auf 33,5 Millionen Euro steigen. Der Verein hat bereits heute Rechte für die Zukunft abgetreten. Um ein signing fee von 25 Millionen Euro zu erhalten, hat Hoeneß im Januar 2008 den Vertrag mit Rechtevermarkter Sportfive von 2014 bis 2018 verlängert.
Darin sichert Hertha Sportfive zu, ab 2014/15 aus den Erlösen der Champions League 20 Prozent zu erhalten. Sollte sich Hertha zwischen 2014 und 2018 nicht für die Champions League qualifizieren, verlängert sich der Kooperationsvertrag um eine Saison bis 2019.
Beziehungen zu DFL und DFB
Die schwere Last von Preetz' Aufgaben soll deshalb auf mehrere Schultern verteilt werden. Preetz ist für die sportliche Leitung zuständig, Ingo Schiller für die Finanzen, Rudi Wojtowicz fürs Scouting. "Michael ist nicht alleine. Er hat rechts und links starke Leute um sich herum. Bei Dieter Hoeneß blieb alle Verantwortung an ihm hängen", sagt Röber.
Mit administrativen Aufgaben und zielgerichtetem Arbeiten kennt er sich jedenfalls aus. Von 1994 bis 2003 war Preetz Vizepräsident der Spielergewerkschaft VDV und studierte BWL an der Fern-Uni Hagen. Nach seiner aktiven Karriere stemmte er in 18 Monaten neben dem Job bei der Hertha auch ein Fernstudium im Fach Sportmanagement.
Herthas Beziehungen zu DFL und DFB intensiviert Preetz schon seit geraumer Zeit. In den wichtigen Gremien beider Organisationen ist die Hertha als Hauptstadt-Klub nämlich nicht vertreten. Mit Nationalmannschaftmanager Oliver Bierhoff hält er seit Jahren schon Kontakt, Größen wie Bremens Klaus Allofs oder der Hamburger Dietmar Beiersdorfer sind mehr als gute Bekannte.
Ein zweiter Horst Heldt?
"Ich traue ihm eine ähnlich steile Karriere zu wie Horst Heldt. Der startete beim VfB Stuttgart ja quasi vom Spielfeld aus und war eineinhalb Jahre später deutscher Meister. Da hat Michael schon bessere Voraussetzungen", glaubt Rehmer.
Uli Hoeneß jedenfalls dürfte auch ein bisschen neidisch sein. "Wenn ich so jemanden im Verein hätte, bräuchten wir über die Manager-Nachfolge nicht lange zu debattieren", sagte der Bayern-Manager im Januar 2003 auf der Geburtstagfeier seines jüngeren Bruders Dieter. Er meinte damit den damaligen Hertha-Kapitän Michael Preetz.
Der machte einen ersten Schritt in diese Richtung an jenem 24. Mai vier Monate später. Preetz wurde damals in der 83. Minute für Stefan Beinlich ausgewechselt und war für die breite Öffentlichkeit bis heute verschwunden. Jetzt darf er endlich wieder ran. Wenn auch auf einem völlig anderen Gebiet.