Mit neuen Details und schweren Vorwürfen setzt Manfred Amerell sowohl DFB-Präsident Theo Zwanziger als auch Schiedsrichter Michael Kempter weiter unter Druck.
UpdateFür DFB-Präsident Theo Zwanziger wird die Luft in der Affäre um den früheren Schiedsrichter-Beobachter Manfred Amerell immer dünner, für Referee Michael Kempter scheint die Karriere kaum noch zu retten.
Amerell, der Kempter angeblich sexuell belästigt haben soll, hat öffentlich Mails vorgelegt, die sowohl die Glaubwürdigkeit von Kempter als auch dessen Unparteilichkeit als Schiedsrichter extrem erschüttern. Damit gerät auch Zwanziger, der sich bislang auf die Seite von Kempter gestellt hat, immer mehr unter Druck.
"Hoffentlich fliegen die Bayern raus"
Kempter könnte vor allem eine vermeintliche Mail an Amerell vor der 0:2-Niederlage von Bayern München in der Champions League am 11. April 2007 gegen den AC Mailand zum Verhängnis werden. Darin heißt es: "Hoffentlich fliegen die Bayern gleich raus, dann können wir anstoßen."
Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) gab nunmehr bekannt, dass Kempter nicht wie vorgesehen am Sonntag beim Zweitligaspiel Union Berlin gegen MSV Duisburg sein Comeback feiern wird.
Kempter weiß wohl, was die Stunde geschlagen hat. "Amerell hat ja angekündigt, wenn er untergeht, nimmt er mich mit. Das macht er jetzt wahr", wird der 27-Jährige bei "Bild"-Online zitiert.
"Intimsphäre mit Füßen getreten"
"Angesichts seiner Lügen kann ich mir eine Rückkehr nicht vorstellen", sagte der 63-Jährige in einem Interview mit der "Neuen
Osnabrücker Zeitung".
Amerell ging außerdem erneut mit dem DFB hart ins Gericht. "Der DFB hat doch das Grundrecht auf den Schutz des Privatlebens und der Intimsphäre mit Füßen getreten, als er ohne jede Rechtsgrundlage und ohne Information des Betroffenen diese Vorwürfe öffentlich gemacht hat", erklärte Amerell und schloss nicht aus, dass "da möglicherweise alte Rechnungen beglichen" worden sind.
Amerell wirft Kempter indirekt Methode vor. "Vielleicht hat die Nominierung zum FIFA-Schiedsrichter den Ausschlag gegeben, denn der zeitliche Zusammenhang ist auffällig. Am gleichen Tag, als er von diesem entscheidenden Karrieresprung erfahren hat, hat er um den Gesprächstermin beim Schiedsrichter-Ausschussvorsitzenden Volker Roth gebeten."
Einvernehmliche Beziehung?
Amerell präsentierte in der "Sat.1"-Sendung "Kerner" am Donnerstag zudem vermeintliche Mails von Kempter, die nahelegen, dass es sich um eine einvernehmliche Beziehung der beiden gehandelt und Kempter demnach gelogen habe.
Verhältnisse mit anderen Schiedsrichtern bestritt Amerell. Kempter begründete die "Liebesbekundungen" in den Mails mit der "unglaublichen Drucksituation".
"Wenn ich mal nur noch ,Liebe Grüße, Michael" geschrieben habe, war er sofort böse und beleidigt, rief mich an und drohte mir damit, dass es keine Spiel mehr für mich gäbe, wenn ich so was nicht mehr schreiben würde. Ich konnte nicht einfach sagen: Ich mache das nicht mehr", sagte der 27-Jährige und bestritt weiterhin, ein sexuelles Verhältnis, eine Beziehung oder eine Affäre mit Amerell gehabt zu haben.
Scharfe Vorwürfe gegen Zwanziger
Auch Zwanziger sieht sich scharfen Vorwürfen von Amerell ausgesetzt. Zwanziger habe "in blindwütiger Art und Weise zwei Menschen und ihre Ehre auf dem Altar der Öffentlichkeit geopfert", sagte Amerell.
Zudem könnte die außergerichtliche Einigung wenige Stunden zuvor für Zwanziger zum Bumerang werden. Zwanziger habe "wieder auf dem Altar seines Amtes drei Schiedsrichter ans Messer geliefert", ergänzte Amerell.
Nach der außergerichtlichen Einigung darf der DFB in Bezug auf Amerell zwar weiter von "sexuellen Übergriffen" sprechen, dafür erhält Amerell Einsicht in die eidesstattlichen Erklärungen von Kempter und drei weiteren bislang anonymen Unparteiischen, die Amerell sexuelle Belästigung vorwerfen.
"Alle vier werden vom Staatsanwalt hören"
Amerell kündigte weitere rechtliche Schritte an: "Alle vier werden demnächst vom Staatsanwalt hören. Hinter der Anonymität können sich die Herrschaften nicht mehr verstecken."
Zugleich ließ der 63-Jährige kein gutes Haar an Zwanziger und warf dem DFB-Boss sogar Erpressung vor. "Ich wurde vom Präsidium am 4. Februar angerufen und man hat mir gesagt, wenn ich mich nicht augenblicklich krank melde oder meine Ämter aus beruflichen oder privaten Gründen ruhen lasse, dann muss das Präsidium irgendeine Entscheidung fällen. Ich wurde erpresst, das so zu machen", erklärte Amerell.
Zwanziger habe "die notwendige Sorgfalt, die sein Amt erfordert, vermissen lassen, er geht mit Menschen um und nicht mit zwei Holzstücken, wo man drauf hauen kann, wenn man will."
"Vorwürfe sind absurd"
Der DFB wies die Vorwürfe von Amerell entschieden zurück. "Die von Herrn Amerell gegen den Verband und unseren Präsidenten Theo Zwanziger erhobenen Vorwürfe sind völlig absurd. Sie sind der verzweifelte Versuch, von seinem gravierenden Fehlverhalten abzulenken", sagte DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach.
Laut DFB sei der Rücktritt von Amerell von ihm aus, ohne jede Einflussnahme des DFB, per Anwaltsschreiben erfolgt.
Zugleich gab der DFB bekannt, dass er die Akten im Fall Amerell an die Staatsanwaltschaft Augsburg weitergeben wird. Darüber hinaus will der Verband die Neuordnung des Schiedsrichterwesens schnell vorantreiben.
Auf der nächsten Präsidiumssitzung am kommenden Freitag wird ein unter Leitung des ehemaligen FIFA-Schiedsrichters Herbert Fandel ausgearbeitetes Reformmodell vorgestellt. Das Konzept soll mehr Transparenz im Beobachtungs- und Bewertungssystem gewährleisten und der Entstehung von Abhängigkeitsverhältnissen vorbeugen.
Beckenbauer als Zwanziger-Nachfolger?
Zwanziger hatte seinen Rücktritt angekündigt, falls der DFB im Fall Amerell als Verlierer dastehen würde, sich nach der außergerichtlichen Einigung aber als Punktsieger gefühlt. "Ich habe alles im Griff", hatte Zwanziger erklärt.
Das letzte Wort scheint aber noch nicht gesprochen. Es gibt Überlegungen, wonach am 30. April ein außerordentlicher DFB-Bundestag einberufen werden soll. Zuletzt wurde bereits über Franz Beckenbauer als Nachfolger für Zwanziger spekuliert.
Ligaverbands-Präsident Reinhard Rauball kündigte eine Aussprache bei der DFB-Präsidiumssitzung am kommenden Freitag an. "Ich habe heute morgen direkt mit Karl-Heinz Rummenigge Kontakt aufgenommen. Wir sind uns beide einig, dass unter anderem das Thema Kempter unter Einschluss der öffentlich gemachten E-Mails im Rahmen der Gesamtaufarbeitung der Thematik Schiedsrichterwesen bei der kommenden Präsidiumssitzung von der Liga zur Sprache gebracht wird", sagte Rauball