"Für die Verletzungen kann ich ja nichts"

Von Interview: Jochen Tittmar
Frankfurts Christoph Preuß erklärte am 28. Januar 2010 sein Karriereende
© Imago

Komplizierte Verletzungen prägten die Karriere von Frankfurts Christoph Preuß. Nach zwei Jahren in der Reha feierte er in der abgelaufenen Saison sein Comeback für die Eintracht. Nur eine Woche später musste er im Alter von nur 28 Jahren doch aufhören. Im Interview spricht Preuß über die psychischen Auswirkungen.

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SPOX: Herr Preuß, Sie haben Ende Januar Ihre Karriere aufgrund zahlreicher Verletzungen beendet. Haben Sie sich davon schon erholt?

Christoph Preuß: Ja, sehr gut sogar. Das war kein Entschluss von heute auf morgen. Ich hatte mich damit schon länger auseinandergesetzt. Ich habe schon in der langen Rehaphase immer betont, dass ich hoffe, dass der Tag X hoffentlich noch lange auf sich warten lässt. Dies ist aber leider nicht geschehen.

SPOX: Wie sieht derzeit Ihr Alltag aus?

Preuß: Er ist geprägt von viel Papierkram und Telefonaten mit Ärzten. Ich stehe in Kontakt mit der Berufsgenossenschaft. Da geht es um Versicherungen und darum, dass ich wieder in ein normales Berufsleben eingegliedert werde.

SPOX: Haben Sie schon festgestellt, was Ihnen am meisten fehlt?

Preuß: Das ganze Profidasein fehlt einem schon. Morgens auf das Gelände fahren, sich in die Trainingsklamotten schmeißen, am Wochenende in die Stadien einlaufen, die Atmosphäre genießen - ich habe es immer genossen, Profi zu sein.

SPOX: Eintracht-Boss Heribert Bruchhagen sagte, dass er Ihnen einen Anschlussvertrag anbieten möchte. Auch Michael Skibbe meinte, dass Sie ein Teil der Mannschaft bleiben sollen. Wie weit sind die Planungen?

Preuß: Fixiert ist zwar noch nichts, aber es ist geplant, dass ich ab dem 1. Juli ein Fernstudium Sportmanagement beginnen werde. Dazu begleitend werde ich ein Traineeprogramm auf der Frankfurter Geschäftsstelle absolvieren, bei dem ich die verschiedenen Abteilungen durchlaufe und kennenlerne. Das wird zwischen 18 Monaten und zwei Jahren dauern und hört sich alles sehr interessant an. Ich freue mich darauf.

SPOX: Was würden Sie machen, wenn Ihnen die Eintracht nicht ein solches Angebot gemacht hätte? Laut Ihrer Homepage ist Ihr erlernter Beruf Fußballer...

Preuß: Möglichkeiten gäbe es natürlich viele. Irgendetwas muss man ja machen. Ich habe aber mit Heribert Bruchhagen und anderen Vorstandskollegen schon vor meinem Karriereende Gespräche in diese Richtung geführt. Dass das damalige Angebot dann, als es soweit war, konkret wurde, hat mich sehr gefreut.

SPOX: Im November 2007 bekamen Sie die Diagnose Knorpelschaden im rechten Knie und verbrachten daraufhin zwei Jahre in der Reha. Welcher Schock war schlimmer: Das Karriereende oder die Diagnose?

Preuß: Eindeutig die Diagnose. Das war sehr niederschmetternd für mich. Ich konnte es nicht nachvollziehen und hatte auch Probleme, diesen Schock richtig zu verarbeiten. Dazu kommt die Ungewissheit, ob man es noch einmal schafft.

SPOX: Wie sah damals Ihr Alltag aus? Sie sprachen von einer "unmenschlichen Belastung".

Preuß: Man ist weit weg von der Mannschaft und fühlt sich auf gewisse Art und Weise auch etwas einsam. Ich war immer ein Teamplayer, doch das, was ich durchmachen musste, war wie ein Einzelsport. Im Training hatte man den Konkurrenzkampf und konnte sich darüber pushen, aber in der Reha ist man quasi allein. Ich hatte zwar ein zusammengestelltes Rehateam an meiner Seite, aber motivieren muss man sich alleine.

SPOX: Dass eine solch lange Zeit in der Reha körperlich anstrengend ist, dürfte klar sein. Wie sieht es mit der psychischen Seite aus?

Preuß: Ich habe das Rehazentrum von Björn Reindl (ehemaliger Physiotherapeut der Eintracht, Anm. d. Red.) gewählt, weil ich mit ihm sehr gut befreundet bin. Er war in vielen Dingen mein erster Ansprechpartner und hat versucht, mit langen Gesprächen positiv auf mich einzuwirken. Das ist gerade dann wichtig, wenn man mal schlecht drauf ist oder sonst etwas schief gelaufen ist.

SPOX: In der vergangenen Saison feierten Sie in Nürnberg ein 40-minütiges Comeback. Nur eine Woche später verabschiedeten Sie sich in Frankfurt von den Fans. Was ist in dieser Woche genau passiert?

Preuß: Diese Woche begann mit der Bestätigung, dass man es geschafft hat und endlich zurück in der Bundesliga ist. Und endete mit dem Verkünden des endgültigen Karriereendes. Am Dienstag nach dem Spiel habe ich im Training einen unglücklichen Zweikampf geführt und sofort ein unangenehmes Blockadegefühl im Knie verspürt. Ich habe das Training direkt abgebrochen, da ich in all den Jahren auch ein Gefühl für meinen Körper entwickelt habe. Letztendlich hat die endgültige Diagnose auch das bestätigt, was ich im ersten Moment befürchtet habe. Ich hatte natürlich gehofft, dass das Ganze zumindest bis zum Saisonende hält.

SPOX: Wie ging es dann weiter?

Preuß: Um Zeit zu gewinnen, hätte man theoretisch auch die Medien und Fans hinhalten und sagen können, dass etwas mit der Wade ist. Aber das ist überhaupt nicht meine Art. Warum sollte ich etwas verheimlichen, was sich zwei Wochen später sowieso als genau das entpuppt, was zuvor schon spekuliert würde?

SPOX: Sie bezeichneten Ihr letztes Comeback als das wichtigste Ihrer Karriere. Wie enttäuscht waren Sie schlussendlich?

Preuß: Es war okay. Ich bin psychisch nicht in ein Loch gefallen. Ich war zusammen mit meiner Familie und auch dem Rehateam so gut vorbereitet, dass ich das relativ gut verkraftet habe.

SPOX: Haben Sie aktuell noch Schmerzen im Alltag?

Preuß: Ja. Die Entzündung im Knie hat sich zwar zurückgebildet, aber sie ist nach wie vor noch da. Das schränkt mich schon ein. Der Versuch des Joggens ist vor ein paar Tagen nach wenigen Minuten gescheitert. Wenn ich lange sitze und das Knie in einer Position dauerhaft verharrt, habe ich auch noch Probleme. Fahrradfahren auf dem Hometrainer geht da schon besser.

SPOX: Lassen Sie uns über das Highlight Ihrer Karriere sprechen: Im März 2007 schossen Sie per Fallrückzieher das Siegtor gegen den FC Bayern. Wie oft haben Sie als Kind von einer solchen Geschichte geträumt? Der Treffer wurde als Tor des Monats ausgezeichnet.

Preuß: Wahrscheinlich genauso oft wie jedes andere, fußballverrückte Kind auch. (lacht) Ich weiß noch, wie ich in der Luft lag und nicht sehen konnte, was mit dem Ball passiert, nachdem ich ihn getroffen hatte. Und plötzlich jubelt das ganze Stadion. Dieses Tor wird mir auch in Zukunft immer eine schöne Erinnerung bescheren.

SPOX: Die Eintracht hat sich unter Skibbe enorm weiterentwickelt und eine respektable Saison hingelegt. Was macht Skibbe anders als seine Vorgänger, wie haben Sie ihn kennen gelernt?

Preuß: Ich kannte ihn bereits von der Jugendnationalmannschaft und ich habe seitdem auch gehofft, dass wir noch einmal miteinander arbeiten werden. Er ist ein sehr positiver Mensch und will sich wie ein Spieler auch täglich weiterentwickeln. Diese Mentalität bringt er in jedem Training mit ein und so macht es dann auch unheimlich viel Spaß.

SPOX: In der vergangenen Saison kam es immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Trainer und Vorstand. Wie bewerten Sie das Verhältnis zwischen Bruchhagen und Skibbe?

Preuß: Das Verhältnis ist gut. Auf der einen Seite hast du einen Trainer, der sich immer weiterentwickeln will und auf diese Entwicklung drängt. Auf der anderen Seite steht eine Person, die für die finanziellen Aspekte zuständig ist. Dass es da mal zu Unstimmigkeiten kommt, muss nicht immer weltbewegend sein. Es kommt auch oft darauf an, wie die Medien solche Meinungsverschiedenheiten darstellen.

SPOX: Sie waren fast zehn Jahre Profi, brachten es aber auf "nur" 131 Spiele in der Bundesliga. Abschließend die Frage: Hadern Sie manchmal mit Ihrem Schicksal?

Preuß: Ganz und gar nicht. Ich denke nicht in Was-wäre-wenn-Kategorien, sondern freue mich über das, was war. Ich habe viel erlebt, bin viel gereist, habe etliche Fußballerkollegen als Freunde gewonnen. Dieses ganze Paket zusammengenommen war sehr, sehr schön. Für all die Verletzungen kann ich ja nichts.

Christoph Preuß im Steckbrief