Marcel Schmelzer - Der Dauervertreter

Von Andreas Rebmann
Marcel Schmelzer spielt seit Sommer 2005 bei Borussia Dortmund
© Getty

Borussia Dortmunds Marcel Schmelzer spielt seit zwei Jahren in der Bundesliga und fungierte zu Beginn als Ersatzmann von BVB-Urgestein Dede. Im Jahr 2010 legte der Linksverteidiger allerdings einen Quantensprung in seiner Entwicklung hin und klopft vor dem Spiel der Dortmunder beim 1. FC Köln (20.15 Uhr im LIVE-TICKER) an das Tor zur Nationalmannschaft.

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Jürgen Klopp hat in seiner Amtszeit bei Borussia Dortmund schon einiges richtig gemacht. Der BVB hat sich unter dem Coach zu einer der lauf- und spielstärksten Mannschaften der Bundesliga entwickelt. Das Team ist gespickt mit jungen Talenten, deren Entwicklungskurve weiterhin nach oben offen ist.

Klopp gelang es aber auch, den mittlerweile verletzungsanfälligen Publikumsliebling Dede dauerhaft auf die Bank zu verfrachten, ohne dass die Dortmunder Fans revoltieren. Seit 1998 spielt der Brasilianer bei der Borussia, hat alle seine 318 Bundesligapartien für die Schwarzgelben bestritten und genoss auf der Linksverteidigerposition zehn Jahre lang so etwas wie Artenschutz.

Leverkusen-Spiel als Wendepunkt

Als sich Dede im Sommer 2008 beim ersten Saisonspiel in Leverkusen das Kreuzband riss, eröffneten seine Anhänger im BVB-Forum jeden einzelnen Tag ein neues Diskussionsthema und zählten dabei von 180 runter - also ungefähr die Anzahl an Tagen, die Dede auszufallen drohte.

Mittlerweile zählt man dort nur noch die Siege, die der BVB in dieser Saison bislang einfuhr. Dede hat zwar in der Gunst der Fans keine Einbußen zu verzeichnen, doch bei Klopp sieht das längst anders aus. Marcel Schmelzer hat Dede im wahrsten Sinne des Wortes den Rang abgelaufen. Dede kam seit jenem Tag in Leverkusen kaum noch zum Einsatz und reihte stattdessen eine Verletzung an die andere.

Auch für Schmelzer war das Spiel in der BayArena ein besonderes. Der gebürtige Magdeburger wurde für Dede eingewechselt und feierte sein Debüt in der Bundesliga. "Bei meiner Einwechslung blieb mir die Luft weg, aber je mehr Spiele ich gemacht habe, desto besser lief es. Es war eine kontinuierliche Entwicklung", sagt "Schmelle", wie er genannt wird, rückblickend und trifft dabei den Nagel auf den Kopf.

Schmelzer als Dede-Fan

Als Schmelzer 2005 mit 17 Jahren vom 1. FC Magdeburg in den Ruhrpott zur A-Jugend des BVB wechselte, freute man sich in Dortmund auf einen schnellen Außenstürmer. Da Trainer Heiko Herrlich das Personal aber durch Verletzungen immer mehr wegschrumpfte, stellte er Schmelzer einfach mal nach links hinten.

Zwei Jahre später rückte Schmelzer ins Regionalligateam der Borussia auf - und war nun gänzlich zum Linksverteidiger umfunktioniert worden. 26 Pflichtspiele in Dortmunds Reserve später unterschrieb Klopp am Rheinlanddamm, schaute sich im Unterbau um und zeigte mit dem Finger auf Schmelzer. Der damals 20-Jährige hatte den Sprung zu den Profis geschafft.

Dort sollte Schmelzer trainieren, lernen und sich ohne großen Zeitdruck an das neue Niveau gewöhnen. Als Ratgeber stand ihm Dede zur Seite. Schmelzer himmelte den Brasilianer schon zu Jugendzeiten an. Das Trikot mit der Nummer 17 hing über dem Bett seines Magdeburger Kinderzimmers.

Interesse von Fürth

Die Vorzeichen änderten sich mit dem angesprochenen Spiel in Leverkusen allerdings recht schnell. Auf einmal war Schmelzer nicht mehr Dedes Zögling, sondern dessen Vertreter. "Als Klopp kam, kannte mich in Dortmund kaum jemand. Ich bin sehr froh, dass er mir trotzdem eine Chance gegeben hat", sagt Schmelzer rückblickend über seine ersten Gehversuche in der Bundesliga.

Ganz so schnell ging es allerdings nicht weiter. Als Dede wiedergenesen zurück kam, verdrängte er den in seinen zwölf Einsätzen über weite Strecken soliden Schmelzer aus dem Team. Seine Perspektiven sanken wieder. Der BVB war dennoch bemüht, den Amateurvertrag des frisch gekürten U-21-Nationalspielers und späteren EM-Siegers in einen langfristigen Profikontrakt umzuwandeln.

Zeitgleich klopfte Zweitligist Greuther Fürth wegen eines Ausleihgeschäftes an. Schmelzer befand sich in einer Sackgasse: "Eigentlich fühle ich mich in Dortmund wohl, doch ich bin an einem Punkt in meiner Karriere, wo ich regelmäßige Spielpraxis brauche", sagte er.

Offensivdrang verbessert

Schmelzer entschied sich zum Bleiben und hatte in der Folge das Schicksal auf seiner Seite. Erneut verletzte sich Dede schwer, erneut durfte Schmelzer ihn vertreten. Dabei vollzog er den nächsten Schritt in seiner Entwicklung. Seit dem 13. Spieltag der Vorsaison lief er bis auf eine Ausnahme (5. Gelbe Karte) bis heute in jedem Spiel von Beginn an auf.

Seitdem agiert der mittlerweile 22-Jährige, der in Trainingsspielen zum "Team Alt" gehört, erstaunlich abgeklärt und begeistert durch eine gelungene Balance zwischen aggressivem Zweikampfverhalten und nötiger Ruhe und Übersicht. Dass Schmelzer mehr als eine Dede-Alternative ist, zeigte sich besonders in seinem neu entdeckten, dynamischen Vorwärtsdrang.

Während er sich bei seinen ersten Auftritten meist um das Absichern seines Hoheitsgebietes auf der linken Seite in Dortmunds Viererkette beschränkte, traut sich Schmelzer im Jahr 2010 immer mehr nach vorne, schlägt präzise Flanken und lässt auch mal einen Schuss auf den gegnerischen Kasten los. Schmelzer und Kevin Großkreutz harmonieren in Sachen Zusammenspiel und Abstimmung ideal und stellen derzeit eine der besten linken Seiten der Bundesliga.

Watzke bemängelt fehlende Aufmerksamkeit

Auch wenn sich Schmelzer laut eigener Aussage nicht zu den Führungspersönlichkeiten im Dortmunder Team zählt, hat sein Status als Stammspieler nicht nur sein Selbstbewusstsein in die Höhe schnellen lassen, sondern auch dazu geführt, dass er auf dem Platz kommunikativer geworden ist. Nach dem Schock des zwischenzeitlichen 2:3-Rückstands in der Europa League bei Karpaty Lwiw war es vor allem Schmelzer, der vorneweg marschierte, seine Teamkollegen in Oliver-Kahn-Manier aufbaute und nach vorne brüllte.

Dieser Reifeprozess ist den Dortmunder Verantwortlichen natürlich nicht entgangen. Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke bemängelte zuletzt sogar, dass Schmelzer bei aller Lobhudelei für den Dortmunder Jugendstil zu wenig Beachtung geschenkt bekommt: "Alle sprechen über Mario Götze oder Mats Hummels. Aber es wird viel zu wenig über Marcel Schmelzer gesprochen. Er ist für mich seit vielen, vielen Wochen der beste Linksverteidiger in der Bundesliga. Aber er hat das Problem, dass er viel zu bescheiden rüberkommt."

Dabei attestierte ihm Klopp noch vor der Saison, den "unter meiner Leitung größten Schritt nach vorne" gemacht zu haben. "Als ich kam, hatte ihn niemand auf der Liste. Er löst seine Aufgaben taktisch gut. Viel besser kann man defensiv nicht spielen. Marcel hat einfach das Glück gehabt, dass ich ihn schon als Mainzer Coach habe beobachten lassen", so Klopp damals.

Inter Mailand angeblich mit Interesse

Glück spielte bei Schmelzers Werdegang sicherlich eine Rolle, aber nicht die entscheidende. Der ehrgeizige Magdeburger ist dank seiner couragierten Auftritte auf dem besten Weg, sich ins Notizbuch von Joachim Löw zu spielen. Laut italienischen Medienberichten beschäftigt sich zudem Champions-League-Sieger Inter Maland mit Schmelzer. Qualitativ hochwertige Linksverteidiger sind eben rar gesät in dieser Welt.

Wohl auch in diesem Wissen äußerte Klopp kurz nach seiner Ankunft in Dortmund, dass Dede "vielleicht der beste Spieler ist, mit dem ich je gearbeitet habe." Dass an seiner Stelle nun ein anderer spielt, ist der Verdienst von zwei Leuten - Jürgen Klopp und Marcel Schmelzer.

Marcel Schmelzer im Steckbrief