Der 1. FC Köln hat sich am Montag von Michael Meier getrennt. Damit hat Präsident Wolfgang Overath doch dem öffentlichen Druck nachgegeben. Der Rauswurf von Meier ist aber in Wahrheit nur ein kleines Zeichen. Dahinter plagen den Klub immer noch viele, zum Teil grundlegende Probleme - das dringlichste hat sich dabei erst durch Meiers Entlassung ergeben.
War der Meier-Rauswurf richtig? Der Manager stand in den letzten Wochen am meisten unter Druck, bekam die Wut der Fans ab, wurde in der Presse schwer angezählt. Meier war spätestens seit der Jahreshauptversammlung der Dead Man Walking und für große Teile der Öffentlichkeit der Hauptschuldige für die Misere. Eine gescheitere Transferpolitik und 24 Millionen Euro Verbindlichkeiten werden Meier angelastet. Der Zustand der Profiabteilung ist Besorgnis erregend.
Dabei darf man aber nicht vergessen, dass er als Gesicht der 1. FC Köln Verwaltungs GmbH fungierte, mit Claus Horstmann und Oliver Leki aber eben auch noch zwei weitere Geschäftsführer neben sich in der Pflicht hatte. Nur fanden die bis vor wenigen Tagen fast gar keine Beachtung.
In der derzeit stark emotional geführten Debatte wird auch übersehen, dass es Meier war, der vor der Saison den notwendig, weil finanziell nicht anders realisierbaren Jugendstil als gefährlich eingestuft hatte, diese Aussage aber mehr oder weniger wieder zurücknehmen musste. Andererseits kamen von Meier im Laufe der Saison auch keine Impulse mehr, eher im Gegenteil.
Die teilwiese miserable Außendarstellung zu geißeln und danach Zvonimir Soldo auf völlig amateurhafte Art und Weise zu entlassen, zeugte nicht gerade von Reflexion und der nötigen Selbstkritik. Meiers Transferpolitik war ein zweischneidiges Schwert, angelastet wurden ihm aber vor allen Dingen die nicht gerade wenigen Fehleinkäufe. Andererseits hatte er auch bei einigen Spielern ein gutes Händchen.
Warum der Vorstand nach der JHV noch knapp zwei Wochen gewartet hat, um Meier doch noch zu feuern, ist vielen schleierhaft. Das Gesuch des Verwaltungsrats lag längst schriftlich vor. Vielleicht war Overath einfach zu bockig oder zu selbstherrlich, der überwiegenden Mehrheit einfach so zu ihrem Willen zu verhelfen? Vielleicht glaubte er einige Tage tatsächlich an eine Trendwende mit Meier?
Der Zeitpunkt jetzt ist jedenfalls fragwürdig. Gerade schienen Mannschaft, Trainer und Manager seit langer Zeit wieder so etwas wie eine verschworene Einheit zu sein. Anders sind die klaren Statements pro Meier aus der Mannschaft nicht zu deuten.
"Wenn Sie mich als Privatperson fragen, antworte ich Ihnen: Diese Entscheidung ist ein Fehler. Ich weiß, was Herr Meier in diesem Verein rund um die Uhr geleistet hat. Der Klub muss etwas ändern, aber ihn zu entlassen, das ist für mich nicht die richtige Entscheidung", sagte Kapitän Youssef Mohamad.
Und Christopher Schorch legte nach: "Das ist ein Fehler. Wir haben in den letzten zwei Spielen vier Punkte geholt. Die Stimmung war so gut wie lange nicht mehr. Und jetzt das. Ich bin einfach nur sprachlos. Vor allem über den Zeitpunkt."
Zudem scheint der Verein aus dem Soldo-Rausschmiss kaum gelernt haben, Stichwort Außendarstellung. Wieder wurde in der schweren Stunde eine Chance verpasst, Präsenz und vor allen Dingen Rückgrat zu beweisen.
Der Pressesprecher verteilte Flugblätter, Overath hatte anderweitig wichtige Termine, seine Stellvertreter Friedrich Neukirch und Jürgen Glowacz ließen sich blicken, wollten aber nicht Stellung nehmen und schickten die PR-Abteilung vor. Eine nähere Begründung, warum Meier denn nun entlassen wurde, gab es nicht.
Letztlich ist der Manager jetzt der Büßer für all die Dinge, die in letzter Zeit schief gelaufen sind. Letztes Jahr auf der Mitgleiderversammlung wurde er für seine Leistung noch mit Applaus bedacht.
Was bedeutet der Rauswurf? Das vermeintliche Hauptproblem ist weg. Nur hinterlässt Meiers Abgang auch eine tiefe Wunde, die jetzt ganz schnell zu kitten ist. Zu Meiers Erbe gehört eine ganze Reihe Probleme, die dringend und nachhaltig gelöst werden wollen.
Der Klub ist auf Führungsebene derzeit in Person von Claus Horstmann operativ nach außen vertreten. Horstmann soll der neue starke Mann werden. Als Hauptgeschäftsführer und heimlicher Chef muss er in den nächsten Tagen zuerst einen neuen Sportdirektor bestellen und zusammen mit dem dann ganz schnell auf dem Transfermarkt aktiv werden. Denn dass das Team im Winter unter allen Umständen verstärkt werden muss, steht außer Frage.
Derzeit herrscht im Verein in dieser Angelegenheit ein komplettes Kompetenzvakuum, weder Horstmann, noch der Vorstand geschweige denn die restlichen Gremien haben Ahnung im Transfergeschäft und vom Spielermarkt. Dazu gilt es, Vertragsverhandlungen mit einigen der aktuellen Spieler zu führen.
Hier zählt jeder Tag, alleine die Tatsache, dass erst nach einem Rauswurf konkret nach einem Nachfolger gefahndet wird, beziehungsweise bei Meiers Entlassung die Nachfolge nicht schon längst geregelt ist, dürfte ein trügerisches Zeichen sein.
"Ich werde nie wieder den Fehler machen und einen Trainer entlassen, bevor ich nicht die Zusage eines Nachfolgers habe", wurde Dortmunds Manager Michael Zorc vor wenigen Tagen zitiert.
Der Nährboden für weitere verfehlte Transfers scheint gegeben. Es sei denn, der neue Sportdirektor kommt mit einem überragenden Netzwerk und besten Kontakten zum FC und dort dann schnell zum Schuss. Allerdings bleiben auch dem Neuen nur die finanziellen Mittel, die Köln derzeit bereitstellen kann. Und das sind sehr überschaubare Summen.
Teil 2: Wer wird Sportdirektor? Was passiert mit Overath?
Wer ist als Sportdirektor im Gespräch? Die heißeste Spur führt offenbar zum Ex-Hoffenheimer Jan Schindelmeiser.
Der ist auch deshalb die naheliegendste Variante, weil er derzeit nirgends gebunden ist. Ganz im Gegenteil zu den vielen anderen vermeintlichen Kandidaten.
Jörg Schmadtke (Hannover 96), Reiner Calmund (Berater Dynamo Dresden), Horst Heldt (Schalke 04) und Dietmar Beiersdrofer (Red Bull Salzburg) sollen laut Kölner Medien in der Verlosung sein. Boris Notzon vom SportsLab sollte als "kleine, interne Lösung" gelten, ist aber mittlerweile wohl schon aus dem Rennen.
Schindelmeiser würde ein Klub mit dem Flair und Renommee des 1. FC Köln sicher zusagen, die Herausforderung eines der umtriebigsten Klubs der Liga ist ebenfalls enorm.
Aus Sicht des Vereins ist jedenfalls klar: Der Schuss muss sitzen! Die Suche nach einem geeigneten Sportdirektor ist die wichtigste Personalentscheidung der jüngeren Vergangenheit. Die Möglichkeiten aus der Mannschaft sind begrenzt, zusammen mit Trainer Frank Schaefer muss der neue Sportdirektor von außen Impulse setzen.
Ein Abstieg in dieser Saison wäre fatal. Angesichts der extrem bedrohlichen finanziellen Lage und weil die wenigen Leistungsträger dann sofort verkauft werden müssten, wäre das Unternehmen sofortiger Wiederaufstieg so schwer wie noch nie.
BLOG: Namedropping bei der Sportdirektor-Suche
Was muss sich grundlegend ändern? Meiers Rausschmiss ändert vorerst noch gar nichts an dringend notwendigen strukturellen Änderungen in der Organisation der Führungsgremien. Dass Overath und seine beiden Vorstandkollegen Glowacz und Neukirch ihren ersten Angestellten Meier überhaupt erst so lange haben zappeln lassen, liegt an einer etwas kruden Komposition der Klub-Organisation.
Nur die Gesellschafterversammlung kann den oder die Geschäftsführer "berufen und kontrollieren", also auch wieder abberufen. Im fünfköpfigen Gremium sitzen neben den beiden Verwaltungsräten Dr. Rolf Martin Schmitz und Fritz Schramma, die den Antrag auf Meiers Entlassung gestellt hatten, auch die drei Vorstände Overath, Glowacz und Neukirch.
Es ist schlicht ein Fehler im System, wenn eines der entscheidenden Organe mehrheitlich aus Mitgliedern der Vorstandschaft besteht. Das Problem scheint erkannt, der Klub tendiert in Zukunft zu einer klaren Abtrennung von Geschäftsführung und Vorstand.
Overath hatte zuletzt immer wieder betont, er mische sich nicht ins Tagesgeschäft ein, dafür sei er zu weit vom Kern der Thematik entfernt. Mit dem vorübergehenden, unbegründeten Festhalten an Meier hat er sich damit selbst komplett widersprochen.
Dazu soll die Geschäftsführung einem Mann unterstellt sein. Horstmann, bisher für die Bereiche Finanzen, Marketing und Sponsoring zuständig, ist als Hauptgeschäftsführer vorgesehen. Und Overath muss wieder mehr das sein, was er laut eigener Jobbeschreibung sein soll: Erster Repräsentant des Klubs.
Was passiert mit Overath? Was beinahe schon wieder in Vergessenheit geraten ist: Der Vorstand ist von 1317 Mitgliedern und damit der deutlichen Mehrheit nicht entlastet. Laut Statuten hat das keine große Relevanz, für Overath war aber das Misstrauensvotum an sich schon ein herber Schlag. Dass der Präsident bis heute noch nicht in irgendeiner Form darauf reagiert hat, verschlimmert den Imageverlust der FC-Ikone nur noch.
Mit Meier hat Overath einen zuletzt loyalen und klaglosen Mitstreiter verloren. Vielleicht mag das aus Sicht des Vereins der logische Schritt gewesen sein. Aus Sicht von Overath aber hängt damit noch ein weiterer entscheidender Faktor zusammen: Meier bekam zuletzt fast alle Prügel ab, er war die letzte Bastion vor Overath, der sich hinter dem Manager einigelte.
Diese Deckung ist jetzt weg. Alles, was von heute an schief läuft, geht direkt zurück auf Overath und erst dann auf Horstmann und den neuen Sportdirektor. Overath steht jetzt in vorderster Linie. Ob und wie lange er sich das noch antun wird, ist derzeit völlig offen.
Angeblich denkt der 67-Jährige darüber nach, am Saisonende aufzuhören. Zu stürzen ist Overath in Köln kaum. Es fehlt bis heute ein geeigneter Oppositionskandidat. Und den Königsmörder will offenbar erst gar keiner mimen.