SPOX: Hallo, Herr Nilsson. Es ist recht laut bei Ihnen im Hintergrund. Sind Sie gerade beschäftigt?
Per Nilsson: Nein, kein Problem. Es geht schon. Wir reden doch auch sicher über nichts Kritisches, oder?
SPOX: Nein nein, es gibt derzeit ja auch nichts zu kritisieren am Club. Wir könnten also zum Beispiel über Curling sprechen.
Nilsson: Okay. Aber warum Curling?
SPOX: Sie stammen aus dem kleinen schwedischen Städtchen Härnösand, aus dem beispielsweise auch die zweifache Olympiasiegerin Anette Norberg kommt. Curling ist in Härnösand sehr populär. Warum war das nichts für Sie?
Nilsson: Härnösand ist eine Ausnahme, in Schweden ist Curling trotzdem eher eine Randsportart. Fußball ist viel populärer. In meiner Familie war Fußball schon immer die Nummer eins. Curling war nicht mein Ding. Neben Fußball habe ich lange Eishockey gespielt und auch ein paar Wintersportarten probiert.
SPOX: Am Ende haben Sie sich aber voll und ganz für Fußball entschieden.
Nilsson: Bei mir war es wie bei vielen anderen Kindern: Mein Traum war, Profi-Fußballer zu werden. Meine Familie hat sich dafür begeistert, und letztlich hat es ja damit auch geklappt.
SPOX: Sie haben Ihre Karriere in Schweden gestartet, dort Ihr Profi-Debüt gefeiert und sind anschließend nach Norwegen gewechselt. 2007 verpflichtete Sie dann 1899 Hoffenheim. War das auch ein Traum?
Nilsson: Ich war einige Jahre in Schweden und Norwegen, wollte einfach mal etwas anderes probieren, bei einem Klub außerhalb Skandinaviens und mich auch als Mensch weiterentwickeln. Als Hoffenheim sich dann Anfang 2007 gemeldet hat und mir Ralf Rangnick und der damalige Manager Jan Schindelmeiser von ihren Vorstellungen erzählt haben, klang das sehr interessant. Im Sommer hat es dann geklappt mit dem Wechsel, und was danach passiert ist, war sicherlich traumhaft.
SPOX: Hoffenheim schaffte als Aufsteiger den Durchmarsch in die Bundesliga. Sie waren sofort Stammspieler, übernahmen gleich Verantwortung und waren damit maßgeblich beteiligt am Aufstieg. Warum hatten Sie keinerlei Anpassungsprobleme?
Nilsson: Es lag wohl an zwei Dingen. Zum einen hatte ich mit 25 Jahren das richtige Alter, um den Sprung in eine Top-Liga zu machen. Zum anderen bin ich ein Mensch, der sich gerne integriert, der sich gerne auf eine neue Mannschaft, einen neuen Verein und eine neue Stadt einlässt. In Hoffenheim habe ich es schnell geschafft, meinen Platz auf und außerhalb des Spielfeldes zu finden.
SPOX: Nach dem Aufstieg waren Sie in Hoffenheim Kapitän, obwohl Sie nicht mehr Stammspieler waren.
Nilsson: Das war schon eine sehr ungewöhnliche Konstellation. Ich war auf der einen Seite natürlich sehr stolz, dass mich die Teamkollegen gewählt haben, auf der anderen Seite wusste ich, dass das keine dauerhafte Lösung sein kann. Zwischenzeitlich habe ich dann wieder gespielt, aber als vor der letzten Saison Josip Simunic geholt wurde, war klar, dass ich nicht mehr viel spielen werde.
SPOX: Wie schwer war es in dieser Phase, dass Trainer Ralf Rangnick auf Sie als Führungsspieler gesetzt, aber Sie trotzdem nicht aufgestellt hat?
Nilsson: Das war schon schwierig, aber nicht weil ich Kapitän war, sondern vielmehr, weil ich in meiner ganzen Karriere immer Stammspieler war. Das war eine neue Erfahrung, die mir gezeigt hat, dass es nicht immer nur bergauf geht. Mir war aber wichtig, dass ich mich dadurch nicht als Mensch verändere.
SPOX: Ihre menschlichen Qualitäten werden überall gelobt, ob zuletzt in Hoffenheim oder nun in Nürnberg. Auf der anderen Seite gilt der Profi-Fußball als knallhartes Geschäft. Ist dort überhaupt ausreichend Platz für Menschlichkeit?
Nilsson: Auf jeden Fall. Bei meinen bisherigen Klubs war das überall der Fall. Ich könnte nicht bei einem Verein spielen, in dem nicht auf menschliche Qualitäten Wert gelegt wird. Für mich ist ein soziales Miteinander sehr wichtig. Sonst kann ich mich nicht wohlfühlen. Und darunter würde auch meine Leistung leiden. Fußball ist ein hartes Geschäft, in dem du immer unter Druck stehst. Die Stadien sind immer voll, die Erwartungen sind dementsprechend hoch und durch die Medien bleibt kein Fehler unentdeckt. Diesem Druck ist man einfacher gewachsen, wenn man sich in seiner Umgebung als Mensch wohlfühlt.
SPOX: Beim Club kann man sich derzeit auch aufgrund der sportlichen Situation wohlfühlen. Sie haben schon 18 Punkte, spielen nicht wie ein Abstiegskandidat und haben hoch gehandelte Teams wie Schalke, Wolfsburg oder Bremen geschlagen.
Nilsson: Ich muss wirklich zugeben, dass das ein bisschen unerklärlich ist. Wir haben ja selbst in Leverkusen und Hamburg nicht verloren und gegen die Top-Klubs immer gut ausgesehen. Gegen Köln haben wir jetzt auch endlich mal ein Spiel gegen einen direkten Konkurrenten gewonnen. Das hat uns bislang gefehlt. Wir haben im Moment eine gute Ordnung und Stabilität und eine Mannschaft, die will. Wir präsentieren uns einfach als Einheit.
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SPOX: Sie sprechen von Köln als direktem Konkurrenten. Das heißt, Sie sehen sich nach wie vor als eine Mannschaft, die in erster Linie um den Klassenerhalt spielt?
Nilsson: Wir brauchen doch jetzt nicht abzuheben. Wir wissen doch alle, wie schnell es auch wieder anders laufen kann. Wenn wir uns nun abfeiern und uns gegenseitig sagen, wie gut wir alle sind, dann lässt man fünf Prozent nach. Und die können dann entscheiden. Wir sind nicht in der Position, dass wir sagen können, wir schlagen irgendeine Mannschaft in dieser Liga ganz locker. Wir brauchen immer 100 Prozent.
SPOX: Jetzt kommt das Derby gegen die Bayern. Die vermeintlichen Top-Teams der Liga liegen dem Club bislang. Ist also auch ein Dreier in München drin?
Nilsson: Es ist etwas Besonderes, gegen den Rekordmeister Bayern, der ohne Zweifel den besten Kader, die beste Mannschaft der Liga hat, zu spielen. Wir wollen eine starke Leistung auf dem Platz bringen, dafür brauchen wir Mut, den Glauben an uns, dort etwas mitnehmen zu können. Wir müssen genauso konzentriert arbeiten wie bisher, um unsere Stabilität zu finden. Jeder weiß, was er zu tun hat.
SPOX: Viele Blicke richten sich derzeit auf Ilkay Gündogan, der durch seine Leistungen ins Blickfeld zahlreicher Top-Klubs gerutscht ist. Wie ist Ihre Meinung zu ihm?
Nilsson: Er kann ein ganz Großer werden. Es liegt ganz alleine an ihm: Wenn er weiter so hart an sich arbeitet, sich derart weiterentwickelt und er sich hohe Ziele setzt, dann kann er irgendwann - so leid es mir tut - bei einem richtig großen Verein spielen, welcher Klub auch immer das sein mag. Wenn alles normal läuft, sind ihm keine Grenzen gesetzt.
Nürnbergs Kader im Überblick