Van Bommel ist weg: Wer füllt das Vakuum?

Von Florian Bogner
Die Klubs von Mark van Bommel: Fortuna Sittard, PSV, FC Barcelona, FC Bayern und jetzt AC Milan
© Getty

Kapitän Mark van Bommel verlässt den FC Bayern München fluchtartig und heuert beim AC Milan an. Wer ersetzt den Niederländer nun auf dem Spielfeld, wer nimmt dessen Rolle im Mannschaftsgefüge ein? SPOX beantwortet die fünf wichtigsten Fragen zum van-Bommel-Abgang.

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Wer übernimmt van Bommels Position auf dem Platz?

Mit dem übereilten Transfer von Luiz Gustavo in der Winterpause war klar, dass der Brasilianer mittelfristig die van-Bommel-Position auf der Sechs übernehmen soll - im Idealfall neben Bastian Schweinsteiger. Der 23-jährige Neuzugang zeigte allerdings gegen Kaiserslautern, dass er bei weitem noch nicht so weit ist und noch eine Weile brauchen wird, bis er van Gaals Philosophie verinnerlicht hat und ins Mannschaftsgefüge integriert ist.

"Er hat das nicht gut gemacht", sagte van Gaal über Gustavos Leistung auf der Sechs. Bis auf weiteres sind also Anatolij Tymoschtschuk und Danijel Pranjic van Bommels Kronprinzen und werden in den nächsten Spielen vielleicht sogar zusammen auf der Doppel-Sechs auflaufen, solange van Gaal Schweinsteiger in Partien gegen defensive Gegner und in Abwesenheit von Franck Ribery (weil Thomas Müller dann links spielt) auf der Zehn braucht.

Van Gaal lobte zuletzt Tymoschtschuks Qualitäten im Spielaufbau, außerdem ist die Antizipationsfähigkeit des Ukrainers überragend - zwei Tugenden, die für den defensiveren Job auf der Sechs in van Gaals System unerlässlich sind. Gustavo wird derweil wohl auf der Linksverteidigerposition weiter an die Aufgabe herangeführt.

Und dann wäre da noch Toni Kroos, der bereits bewiesen hat, dass er auf der Sechs eine spielstarke Alternative ist. Kroos fällt allerdings noch eine Weile aus (Stressreaktion im Mittelfuß). Andreas Ottl ist eine weitere Option - Alternativen hat van Gaal also genügend.

SPOX-Kommentar zu van Bommels Abgang: Bayern handelt fahrlässig!

Wie wichtig war van Bommel für das Bayern-Spiel?

Auch wenn sein sportlicher Wert zuletzt oft infrage gestellt wurde: Statistisch lässt sich das in dieser Saison nicht nachweisen und schwere Fehler leistete sich der Niederländer auch so gut wie nie. Mit Schweinsteiger und Tymoschtschuk hatte er ligaweit im Schnitt die meisten Ballkontakte und war sowohl in punkto Anzahl der Pässe in der gegnerischen Hälfte als auch bei der Anzahl der langen Pässe in der Top 10 der Liga zu finden - und das, obwohl er nur zwölf Startelf-Einsätze hatte.

Ebenfalls stark: Seine Passquote von über 82 Prozent erfolgreicher Pässe, die der von Schweinsteiger in Nichts nach stand. Für die Drecksarbeit im Mittelfeld war sich der 33-Jährige darüber hinaus nie zu schade. Van Bommel setzte im Schnitt drei Mal pro Partie zum Tackling an - nur Schweinsteiger und Philipp Lahm grätschen beim FCB öfter. Mit knapp 60 Prozent gewonnener Zweikämpfe liegt van Bommel auch in dieser Statistik weit über dem Durchschnitt.

Die Kehrseite von van Bommels Spiel: Nur den Ball quer schieben reicht nicht. In dieser Saison brachte er keinen Scorerpunkt zustande und gab insgesamt weniger als einen Torschuss pro Partie ab. Zum Vergleich: Tymoschtschuk gelangen bis dato drei Tore und ein Assist, Gustavo traf für Hoffenheim zweimal und bereitete drei Treffer vor.

Auch ein Grund, warum van Gaal ihm sagte, dass er mittelfristig auf andere Spieler setze. Interessanter Fakt: Während van Bommels Verletzungspause zwischen dem 3. Oktober und dem 27. November verlor Bayern nur das eher unbedeutende Champions-League-Spiel beim AS Rom.

Zudem hatte van Bommel mitunter Probleme technischer Natur: Im Bereich Ballannahme und -mitnahme gehört er bestimmt nicht zu den Besten des Weltfußballs. Oft störte man sich zudem an van Bommels Unart, das Spiel zu verschleppen, was er mitunter zum falschen Zeitpunkt tat. Dafür hatte der Holländer auch oft genug das richtige Gespür für Tempowechsel im Spiel, er war sozusagen der Taktgeber im Bayern-Mittelfeld. In diese Rolle müssen Gustavo und Tymoschtschuk/Pranjic erst reinwachsen.

Wer wird neuer Bayern-Kapitän?

Die Frage, die am einfachsten zu beantworten ist: Lahm war bislang erster Stellvertreter von van Bommel, Schweinsteiger zweiter. An dieser Hierarchie wird van Gaal aller Voraussicht nach nichts ändern. Lahm wird die Binde übernehmen, wie er es auch schon vom 8. bis zum 14. Spieltag tat, als van Bommel verletzt war. Schweinsteiger wäre dann Lahms Stellvertreter.

"Lahm ist ein sehr guter Kapitän, er kann eine Mannschaft führen. Er hat seine eigene Meinung - und er spielt immer. Das ist wichtig", sagte van Gaal bereits letzten Sommer in Richtung Jogi Löw, als DFB-Kapitän Michael Ballack für die WM ausfiel. Ob Lahm jedoch sofort alle Aufgaben von van Bommel erfüllen kann, bleibt abzuwarten. Der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge nannte van Bommel zum Abschied immerhin einen "großartigen Kapitän".

Geht es nach dem scheidenden Kapitän, würde Bastian Schweinsteiger sein Nachfolger werden: "Ich schätze Bastian als großen Spieler und Menschen, der sich um die Jungs kümmert. Das bekommt die Öffentlichkeit nur nicht mit. Basti macht das sehr gut, aber unauffällig. Er bringt alles mit, um ein perfekter Kapitän zu sein. Er wäre meine Wahl, aber entscheiden muss der Trainer", sagte der Niederländer zur "Bild".

Wer übernimmt van Bommels Rolle im Team?

Die weitaus schwierigere Frage, denn van Bommel hatte im Team auf und vor allem abseits des Platzes die uneingeschränkte Leaderrolle inne. Er war für die Kollegen zu gewissen Teilen Vaterfigur und erster Ansprechpartner bei Problemen. Van Bommel hielt teaminterne Ansprachen und war stets dazu bereit, sich ins Rampenlicht der Öffentlichkeit zu stellen, wenn es mal nicht lief.

Als angenehmer Gesprächspartner für Journalisten stand er oft smart Rede und Antwort und nahm damit auch den Druck von anderen Spielern, die weniger offen mit dem Medienrummel umgehen konnten und können. Dieses Vakuum müssen jetzt andere Spieler füllen, allen voran Lahm und Schweinsteiger, die jedoch noch den weltmännischen Habitus eines van Bommels erlernen müssen.

Nach der Absetzung von Jörg Butt als Nummer eins ist van Bommels Abgang auch ein weiterer Verlust an Erfahrung auf dem Platz. Der Niederländer erteilte während des Spiels stets lautstark Anweisungen und gab den verlängerten Arm des Trainers. Eine Rolle, die Gustavo, Tymoschtschuk oder Pranjic freilich nicht einnehmen werden. Auch hier sind nun Lahm und Schweinsteiger gefragt.

Dazu fehlt den Bayern nun das Element des "aggressive leaders", wie es Ex-Trainer Ottmar Hitzfeld einst nannte. Van Bommel hatte ein Gespür dafür, wann er auch mal dazwischen hauen musste, wann er das Gespräch mit dem Schiedsrichter suchten musste und wann es an der rechten Zeit war, einen Mitspieler zur Minna zu machen. Diese Facette brachte ihm in den letzten Jahren zwar wenig Sympathien aber den Respekt aller Gegner und Teamkollegen ein.

Wird van Bommel noch richtig beim FC Bayern verabschiedet?

Ja. Der Niederländer berichtete am Dienstag am Flughafen München, dass er in der Rückrunde noch einmal zu einem Heimspiel nach München zurückkehren wird, um dort vor den Bayern-Fans offiziell verabschiedet zu werden. Das wird sich aber wohl auf Blumenstrauß und Winken beschränken.

Letztlich teilt van Bommel das Schicksal der Ex-FCB-Kapitäne Franz Beckenbauer (1977), Gerd Müller (1979), Karl-Heinz Rummenigge (1984), Raimond Aumann (1994), Thomas Helmer (1999) und Stefan Effenberg (2002), die als amtierende Spielführer den FC Bayern verließen. Ein Abschiedsspiel als scheidender Bayern-Kapitän bekamen übrigens nur Werner Olk und Oliver Kahn gewährt (Lothar Matthäus war 2000 nicht mehr FCB-Kapitän gewesen).

Den Abschied von der Mannschaft und den Angestellten im Hintergrund nannte van Bommel am Dienstag "sehr emotional". Dabei betonte der scheidende Kapitän: "Es ging nur um das Sportliche, andernfalls wäre ich hier geblieben." Und: "Der FC Bayern München wird immer einen großen Teil meines Herzen einnehmen."

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