Nach der Entlassung von Trainer Steve McClaren hat Pierre Littbarski das Ruder beim VfL Wolfsburg übernommen. Manager Dieter Hoeneß sucht nebenbei nach einer Lösung für die neue Saison. SPOX zählt die Vor- und Nachteile der heißesten Kandidaten auf.
"Im Nachhinein muss man sagen, dass es eine Fehleinschätzung war, McClaren zu verpflichten. Ich karte nicht nach, aber fachlich und inhaltlich sind einige Dinge nicht so gelaufen, wie wir uns das vorgestellt haben." Eine eindeutige Aussage von Wolfsburgs Manager Dieter Hoeneß nach der Entlassung von Steve McClaren. Und zugleich eine Offenbarung.
Hoeneß hat vorerst Pierre Littbarski als neuen Chefcoach inthronisiert und ihm Ex-Bundesligaspieler Eyjölfur Sverisson als Assistenten zur Seite gestellt. Die Suche nach einer geeigneten Lösung für die neue Saison läuft aber bereits. Es ist davon auszugehen, dass Hoeneß nach dem Experiment mit McClaren - dem ersten englischen Trainer der Bundesliga - einen Übungsleiter sucht, der mit den Gepflogenheiten des Oberhauses vollkommen vertraut ist. Hoeneß' zweiter Schuss muss nun sitzen. Ansonsten ist nicht auszuschließen, dass der mächtige VfL-Aufsichtsrat auch den Managerposten einer tiefgehenden Analyse unterziehen wird.
Doch wer kommt für die Niedersachsen überhaupt in Frage? SPOX beleuchtet mögliche Kandidaten.
Ralf Rangnick: Hoffenheims Ex-Coach ist die naheliegendste Lösung und gilt als Top-Favorit. Wurde laut "kicker" schon im Winter kontaktiert, um direkt einzusteigen. Da Rangnick aber seinen guten Ruf nicht durch eine Feuerwehrmann-Mission unnötig gefährden will und sich nach fünf Jahren in Hoffenheim eine Kreativpause verordnet, stünde der 52-Jährige erst im Sommer bereit. Fraglich bleibt, ob sich Rangnick mit einem starken Mann an seiner Seite abfinden kann. Im Kraichgau kam es zum öffentlichen Machtkampf mit Ex-Manager Jan Schindelmeiser, als dieser mehr Einfluss in sportlichen Fragen anstrebte. Vorteil: Rangnick wäre prädestiniert, mit jungen Spielern einen möglichen Neuanfang voranzutreiben, wird aber darauf pochen, dass ihm niemand in seine Kompetenzen hineinredet.
Martin Jol: Darf sich wie Rangnick gute Chancen ausrechnen. Hat in der Zeit beim Hamburger SV seine Tauglichkeit nicht nur in der Bundesliga unter Beweis gestellt. Seit seinem Rücktritt im Dezember bei Ajax Amsterdam arbeitslos und nicht abgeneigt, nach Deutschland zurückzukehren. Galt auch nach der Veh-Entlassung als aussichtsreicher Kandidat. Strahlt Ruhe und Erfahrung aus, was für das fragile Wolfsburger Mannschaftsgebilde von Vorteil wäre.
Lucien Favre: Hoeneß' Wunschkandidat bei Hertha BSC, der den Hauptstadtklub um ein Haar in die Champions League geführt hätte. Es folgte ein Gerangel um die Kompetenzen, das in einen Streit mit Hoeneß und letzten Endes die Trennung mündete. Angeblich traf sich Hoeneß mit dem extra aus der Schweiz angereisten Favre bereits in der Nähe von Wolfsburg zu einem ersten Austausch. Laut "BZ" gilt Favre allerdings nur als Notlösung. Nämlich für den Fall, dass auch unter Littbarski keine zeitnahe Besserung eintreten sollte. Nachteil: Wie McClaren ist auch Favre kein linguistisches Genie im Umgang mit der deutschen Sprache. Bei der Hertha wurde dem Schweizer darüber hinaus seine kauzige Art in der Außendarstellung zum Verhängnis. Schwer vorstellbar, dass Sponsor VW von dieser Kombination angetan ist.
Huub Stevens: Arbeitete von Juli 2002 bis Dezember 2003 mit Hoeneß bei Hertha BSC und kennt sich in der Bundesliga sehr gut aus. Derzeit bei Red Bull Salzburg unter Vertrag, wo er gleich zu Beginn die erste Meisterschaft seiner Trainerkarriere gewann. Geriet zuletzt nach einer angeblich handfesten Auseinandersetzung mit dem mittlerweile vor die Tür gesetzten Co-Trainer Eddy Achterberg in die Kritik. Nachteil: Die Spielweise seiner defensiv meist hervorragend eingestellten Mannschaften könnte VW zu unattraktiv sein. Dürfte sich grundsätzlich für die Bundesliga begeistern lassen, sagte jedoch gegenüber dem "Kicker": "Es gibt keine Anfrage. Außerdem habe ich Vertrag bis 2012, ich gebe in Salzburg mein Bestes."
Hans Meyer: Die Notlösung. Kommt definitiv nur in Frage, wenn der Verein unter Littbarski in den kommenden Wochen noch tiefer im Abstiegssumpf versinkt. Galt auch schon nach der Entlassung von Armin Veh als Kandidat und kennt Hoeneß aus der gemeinsamen Zeit bei Hertha BSC. 2004 rettete Meyer die Hauptstädter aus einer ähnlichen Lage. Hat mehrfach bewiesen, in kürzester Zeit für defensive Stabilität bei einer angeschlagenen Mannschaft zu sorgen und diese für den Abstiegskampf neu zu motivieren.
Matthias Sammer: Auch beim DFB-Sportdirektor soll Hoeneß bereits mehrfach angeklopft haben. Nach dem Desaster mit dem HSV hat Sammers Ruf in der Branche jedoch beträchtlich gelitten. Sammer besitzt klare Vorstellungen, denen sich der gesamte Verein unterzuordnen hätte - in der Autostadt wohl nicht umsetzbar. Zudem soll der 43-Jährige derzeit sowieso nicht an einem Posten als Trainer interessiert sein.
Pierre Littbarski: Der Außenseiter, denn Stand jetzt ist klar: Littbarski darf höchstens bis Saisonende die Zügel in der Hand halten. Sollte der 50-Jährige mit Maßnahmen wie der Umstellung auf 4-4-2 allerdings überraschen und übermäßig punkten, wird Hoeneß auch diese Personalie überdenken müssen. Offen bleibt, ob Litti - auch um sein Profil als Chefcoach weiter zu schärfen - seine kumpelhafte Art glaubwürdig ablegen kann.