Robin Dutt verlässt Freiburg Richtung Leverkusen. Ein logischer und schlauer Karriereschritt für den Teamworker, der auch ziemlich ungemütlich werden kann.
Thomas D. hat wenig mit John F. Kennedy gemeinsam. Kapuzen-Pulli gegen Maßanzug, Deutscher Sprechgesang gegen Weltpolitik. Beide sind auch kein Produkt einer separate birth.
Im Februar 2010 waren sich der Sänger der Fanstastischen Vier und der 1963 während einer Wahlkampffahrt im offenen Wagen in Dallas erschossene Ex-US-Präsident dennoch nah. Thomas D. plagiierte Kennedys legendären Spruch vor dem Rathaus Schöneburg ("Ich bin ein Berliner") mit "Ich bin ein Ditzinger".
Robin Dutt stand staunend daneben. Den englischen Akzent hatte der begabte Entertainer D. problemlos drauf. Als Paten der schwäbischen Stadt Ditzingen engagierten sich die beiden Promis für das Projekt "Wir helfen Afrika", um einem afrikanischen Kind vor Beginn der WM 2010 in Südafrika eine Operation zu ermöglichen.
Fußball-Verrückter mit indischen Wurzeln
Dutt wurde zwar in Köln geboren, wuchs aber zum Teil in Ditzingen auf und begann seine Trainerkarriere beim TSF Ditzingen in der Oberliga Baden-Württemberg. Für Dutt war die soziale Aktivität eine Selbstverständlichkeit. "Es ist wichtig, sich zu engagieren", so Dutt, "und immerhin geht es hier auch um Fußball."
Einen kleinen Beitrag zur Verbesserung der Welt zu leisten, verbunden mit der beruflichen Leidenschaft, kam für Dutt einem Jackpot gleich. Als Sohn eines Inders hat Dutt früh vom Elend auf der Erde erfahren, auch wenn er selbst nicht im zweitbevölkerungsreichsten multiethnischen Land gelebt hat.
Fußball spielte in Dutts Leben immer die Hauptrolle, obwohl er es als Spieler nicht wirklich weit gebracht hat. SpVgg Hirschlanden, TSV Korntal, TSV Münchingen, FV Zuffenhausen, SKV Rutesheim - Kreisliga, Bezirksliga, Verbandsliga. Mehr war nicht drin.
"Ich war zu langsam"
"Ich hatte keine schlechte Technik und habe als Offensivspieler auch einige Tore geschossen, aber ich war einfach zu langsam", lautet Dutts Grund für die verbaute Profikarriere. Er hat früh erkannt, dass er sein Geld anders verdienen muss. Und Dutt hat auch früh erkannt wie: als Trainer.
"Ich habe als Spieler schon wie ein Trainer gedacht und überlegt: Warum und wozu machen wir jetzt dies oder jenes?", sagte Dutt in einem Interview mit dem Magazin "11Freunde", kurz bevor er 2007 das schwere Erbe von Volker Finke beim SC Freiburg antrat.
Mit 17 hat Dutt die ersten Jugendmannschaften betreut und mit 21 die B-Lizenz die gemacht. Mit 29 Jahren wurde er Spielertrainer der TSG Leonberg und über Ditzingen kam er 2002 zu den Stuttgarter Kickers.
Karriere ohne Plan
Einen peniblen Karriereplan hatte er aber nie und hat ihn nach eigener Aussage immer noch nicht. "Ich war und bin immer ganz in der Gegenwart", sagt Dutt. Die heißt SC Freiburg. Gegenwart ist ein dehnbarer Begriff, die im Breisgau dauert für Dutt noch acht Wochen. Mitte Mai ist die Saison vorbei, für Dutt enden dann vier Jahre Freiburg.
Auch wenn Dutt nicht gerne darüber spricht und es auch nicht gerne hört, bedeutet Bayer Leverkusen nach den Stuttgarter Kickers und Freiburg den nächsten logischen Schritt auf der Karriereleiter. Dutt sieht darin eher die Bestätigung seiner Arbeit.
"Der Beruf hat viele Facetten: Psychologie, Pädagogik, Trainingslehre, Öffentlichkeitsarbeit und vieles mehr. Ich denke, dass ich das recht gut beherrsche", sagte Dutt schon zu frühen Freiburger Zeiten.
Bei Bayer freut sich der 46-Jährige "auf die Herausforderung mit einer von Jupp Heynckes hervorragend betreuten Mannschaft. Die mir in den Gesprächen mit Wolfgang Holzhäuser und Rudi Völler vermittelte Philosophie von Bayer Leverkusen entspricht auch meiner Sichtweise auf den Fußball."
Von einem Paradies ins nächste
Dutt ist kein Lückenbüßer für Heynckes, der Bayer aus freien Stücken verlässt, weil seine alte Liebe FC Bayern ruft. Dutt ist der richtige Mann am richtigen Ort. Leverkusen bedeutet für ihn den Umzug von einem "Paradies", wie Dutt Freiburg nannte, ins nächste.
Bayer ist seriös aufgestellt. Erfolgsorientiert, aber kein Klub, der dabei über Leichen geht. Die Chefs Wolfgang Holzhäuser und Rudi Völler sind auf ihrem jeweiligen Gebiet kompetent und kommunikativ.
Dutt hat in Freiburg gänzlich anders gearbeitet als der allmächtige Finke zuvor. Er setzte auf Kommunikation statt auf Alleinherrschaft. "Ein Trainer muss bereit sein, sich Argumente anzuhören. Wir sind im Zeitalter der Kommunikation. Undemokratische Verhältnisse wird es bei mir nicht geben, was den Entscheidungsprozess betrifft", sagt Dutt.
Über Wohl und Wehe eines Vereins endgültig zu entscheiden, nimmt Dutt dann aber lieber selbst in die Hand.
"Als Trainer habe ich bestimmte Erwartungen an meinen Kompetenzbereich. Ich will entscheiden, ob ein Spieler geholt wird oder nicht, wie ich spielen und trainieren lasse, mit wem ich zusammenarbeite. Aus sportlicher Sicht kann es nur einen Entscheidungsträger geben: den Trainer - und der bin ich."
Dutt kann auch um sich schlagen
Dass der Kommunikator Dutt auch ungemütlich werden kann, mussten zuletzt die politischen Oberhäupter der Stadt Freiburg erfahren. Anfang des Jahres kritisierte der Coach die Haltung der Stadt in Sachen Stadionneubau in ungewöhnlicher Schärfe.
"Das Stadion ist von der Atmosphäre her eines der besten in Deutschland, aber eine absolute Servicewüste. Anfahrtswege und der Gang zur Toilette sind eine Zumutung in dieser alten Hütte. Die Stadt haut nur Stammtischparolen raus. Die politische Unterstützung fehlt komplett. Das ist einfach bitter", schimpfte Dutt.
Zwar hat Dutt in Freiburg kein neues Stadion bekommen, mit der Mannschaft aber einiges erreicht. Freiburg schaffte 2009 den Wiederaufstieg und belebt die Bundesliga seitdem mit erfrischendem Fußball, basierend auf Ordnung und bedachter Offensive.
Fokus auf die Jugendarbeit
Dutt wird geschätzt für sein Faible für den Nachwuchs. In Leverkusen wird er Spieler wie Gonzalo Castro (23), Daniel Schwaab (22), Lars Bender (21), Stefan Reinartz (22) oder Neuzugang Andre Schürrle (20) unter seine Fittiche nehmen.
Und er wird voraussichtlich gegen ein paar der besten Teams Europas in der Champions League antreten. Es gibt unangenehmere Jobs.
In Leverkusen war Dutt laut Sportchef Völler "immer der erste Ansprechpartner für die Nachfolge von Jupp Heynckes." Am 1. Juli wird Dutt seinen Dienst offiziell antreten. Ein Halb-Ditzinger-Halb-Inder unterm Bayer-Kreuz - eine vielversprechende Konstellation.
Robin Dutt im Steckbrief