Schließlich gab es doch noch ein Gänsehaut-Erlebnis als Shinji Kagawa seine noch spärlichen Deutschkenntnisse zu einem Appell bündelte. "Japan ist in großer Not. Ich bitte meine deutschen Freunde, uns zu helfen", sagte der Mittelfeldspieler des Bundesliga-Tabellenführers Borussia Dortmund zum Abschluss einer Pressekonferenz nicht einmal einen Tag nach der Rückkehr aus seiner vom Erdbeben erschütterten und von einem Atom-Super-GAU bedrohten Heimat.
Bei aller Freude über seine Rückkehr und Planungen für ein im April geplantes Comeback nach einem im Januar beim Asien-Cup erlittenen Mittelfußbruch, war die Katastrophe in Japan das dominante Thema.
Ruhig und gefasst hatte der Nationalspieler zuvor die Fragen der rund 60 Journalisten, darunter zahlreiche aus seiner Heimat, beantwortet. "Natürlich beschäftigt mich das Thema jede Stunde, ich verfolge jede Nachricht genau", berichtete der 22-Jährige. Seine nahe Osaka lebende Familie oder Verwandte seien nicht unmittelbar betroffen, allerdings umso schwerer viele Freunde im Bereich Sendai, wo er in seiner Schulzeit fünf Jahre gelebt habe.
"Ein riesengroßes Chaos"
Er selbst habe jenen Moment am 11. März um 14.46 Uhr Ortszeit, der das Leben in Japan schlagartig veränderte, während einer Taxifahrt von Yokohama nach einer medizinischen Behandlung in Richtung Tokio erlebt. "Plötzlich fiel der Strom aus, die Straßen waren verstopft, es ging nichts mehr. Ich bin bei Freunden untergekommen, es herrschte ein riesengroßes Chaos", ließ Kagawa übersetzen.
Seine Reha verlegte er nach dem Beben nach Osaka und trainierte bei Cerezo, jenem Klub, für den er spielte, bevor er für eine Ablöse von nur 300.000 Euro im Sommer vergangenen Jahres nach Dortmund wechselte und innerhalb kürzester Zeit zum Publikumsliebling avancierte.
Er habe damals in Sendai als kleiner Junge auch schon einige mittelschwere Erdbeben erlebt. Doch derzeit mache er sich noch keine ernsthafte Sorgen um seine Familie, im schlimmsten Fall werde er sie nach Deutschland holen, sagte Kagawa.
Benefizkick gegen japanische "Europa-Auswahl"
Er freue sich über die Anteilnahme und Hilfe für seine Landsleute aus der ganzen Welt. Kagawa selbst wolle nach der Saison wieder nach Japan reisen und in die betroffenen Gebiete reisen, um zu helfen. Das für die Woche nach dem Saisonfinale geplante Spiel des BVB gegen die japanische Olympiaauswahl wurde derweil abgesagt. Dafür soll ersatzweise ein Benefizspiel der Borussia gegen eine "japanische" Europa-Auswahl stattfinden.
Zurückkehren will Kagawa in zwei Monaten - als deutsche Meister. Wohlwissend um die Anteilnahme der japanischen Fans und Medien an seiner Karriere ergänzte der Mittelfeldspieler: "Im Moment konzentriere ich mich als Profifußballer auf meine Genesung, um meinen Landsleuten mit meinem Spiel moralisch und seelisch Kraft und Mut zu schenken."
Bisher sei die Reha nach dem insgesamt zweiten Bruch an demselben Knochen gut verlaufen. Er habe sich jedoch sehr geärgert und war sehr enttäuscht, als er nach dem Halbfinale der Asienmeisterschaft gegen Südkorea die fatale Diagnose erhalten habe.
"Das ist in Worten nicht zu beschreiben", meinte Kagawa. Doch es entspricht vermutlich jener japanischen Mentalität, mit der uns die Menschen aus dem Land der aufgehenden Sonne derzeit beeindrucken, wenn Kagawa sagt: "Vielleicht ist es eine der Hürden, die man als großer Sportler überwinden muss, um daran zu wachsen."
Shinji Kagawa im Steckbrief