Drei Teams können am 34. Spieltag der Bundesliga noch absteigen, nur eines bleibt sicher in der ersten Liga. Während Borussia Mönchengladbach mit Rückenwind ins Endspiel geht, zerfällt Eintracht Frankfurt in alle Einzelteile. Beim VfL Wolfsburg distanziert sich Felix Magath öffentlich von der Mannschaft.
Das ist passiert
Frankfurts brutaler Absturz erreichte mit der 0:2-Niederlage gegen Köln seinen Tiefpunkt. Zum ersten Mal steht die Eintracht nun auf einem direkten Abstiegsplatz. Von Platz sieben nach der Hinrunde ging es mit einer historischen Negativserie runter auf Rang 17.
Ganz anders die Entwicklung in Mönchengladbach. Mit dem 2:0-Sieg gegen Freiburg krönte die Borussia eine unglaubliche Aufholjagd in der Rückrunde und steht nun zum ersten Mal seit dem 8. Spieltag nicht auf einem direkten Abstiegsplatz - sondern mit einem Punkt Vorsprung vor Frankfurt auf dem Relegationsrang 16.
Punktgleich mit Gladbach, aber mit dem deutlich besseren Torverhältnis, liegt Wolfsburg auf Platz 15. Die Partie am Samstag war dabei ein Spiegelbild der gesamten Saison: Nach der 1:0-Führung lehnte sich das Team zurück und verlor am Ende mit 1:2. Typisch VfL: Nach Erfolgserlebnissen folgte in diesem Jahr regelmäßig eine kalte Dusche. Deshalb muss Wolfsburg auch am 34. Spieltag noch zittern.
Beim Abstiegsfinale am kommenden Wochenende spielen alle drei Kandidaten auswärts bei Mannschaften, für die es rein sportlich um nichts mehr geht. Wolfsburg spielt in Hoffenheim, Gladbach beim HSV. Die schwierigste Aufgabe hat wohl Frankfurt, das in Dortmund ran muss. Der BVB will sich die Meisterparty im eigenen Stadion sicher nur ungern verderben lassen.
Außerdem muss die Eintracht auf Schützenhilfe hoffen. Gewinnen beide Konkurrenten am Samstag, ist Frankfurt sicher abgestiegen.
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Die Gemütslage
Während sich Borussia Mönchengladbach im Augenblick von der Mannschaft, über Trainer und Fans bis hin zum Sportchef zielgerichtet und fokussiert als geschlossene Einheit präsentiert, tun sich in Frankfurt und Wolfsburg tiefe Gräben im Gesamtgefüge auf.
Bei der Eintracht ist vor allem das Verhältnis zwischen Mannschaft und Teilen der Fans schwer belastet. Vergangene Woche stoppte eine Gruppe vermummter Randalierer den Mannschaftsbus auf der Rückfahrt aus Mainz (0:3). Die Polizei musste einen Warnschuss abgeben, um die Situation halbwegs in den Griff zu bekommen, und sprach von einer "neuen Form der Eskalation." Auf Anraten der Sicherheitskräfte sagte die Eintracht für Sonntag und Montag sogar das Training ab und zog sich für die Vorbereitung auf das Köln-Spiel schließlich nach Bitburg zurück.
Nach der Niederlage am Samstag stürmten erneut circa 150 Ultras den Rasen, es kam zu hässlichen Jagdszenen. Wieder musste ein massives Polizeiaufgebot Ausschreitungen verhindern, bis schließlich Präsident Peter Fischer die Situation beruhigen konnte. Dass die aggressive Stimmung auch die Spieler belastet, zeigte nicht zuletzt der Spielverlauf gegen Köln. Im auch kämpferisch wohl schwächsten Heimspiel der Saison wirkte Frankfurt wie gelähmt. Wo schon Abstiegsangst und sportliche Nackenschläge zu Verunsicherung und Verkrampfung führen, wird auch noch der eigene Fanblock zur Bürde.
Wolfsburg: Magath distanziert sich
In Wolfsburg dagegen reagieren die Fans noch vergleichsweise moderat. Dafür distanziert sich Trainer Felix Magath mit Schuldzuweisungen öffentlich von der Mannschaft: "Die Spieler haben sich selbst in diese Situation gebracht, jetzt sollen sie zusehen, dass sie sich da wieder herausholen. Wir waren nicht aggressiv genug. Ich muss mich doch gegen den Abstieg wehren und alles in die Waagschale werfen", schimpfte der 57-Jährige.
Auch die Verunsicherung im Team will Magath als Ausrede nicht gelten lassen. Vielmehr wiederholte er seinen Vorwurf, die Spieler seien nur mit sich selbst beschäftigt und "nicht für die Mannschaft oder den Verein da."
Seite 2: Das Momentum und die Schlüsselfaktoren
Das Momentum
Gladbach krönte am Samstag eine unglaubliche Aufholjagd unter Trainer Lucien Favre mit einem weiteren Sieg und feierte den nicht mehr für möglich gehaltenen Relegationsplatz fast wie einen Meistertitel. Zuletzt drei Siege, drei Mal zu Null, dazu drei Treffer in der Schlussviertelstunde: Die Spieler platzen fast vor Selbstvertrauen und Zuversicht.
Marco Reus ist zu "hunderttausend Prozent" davon überzeugt, die Klasse zu halten, Torschütze Mike Hanke grüßte strahlend seine Mutti übers Fernsehen und freute sich schon auf den großen Showdown am 34. Spieltag: "Ich liebe solche Spiele! Die Erfahrung habe ich letzte Saison schon mit Hannover gemacht." Die Borussia hat eindeutig Rückenwind.
Eintracht: "Das ist der Tiefpunkt"
In Frankfurt regieren dagegen Trauer, Resignation und Depression. Auf den Punkt gebracht von Vorstands-Chef Heribert Bruchhagen: "Wir sind enttäuscht und deprimiert, die Niederlage trifft uns tief. Das ist für mich der Tiefpunkt, den ich in acht Jahren bei der Eintracht erleben musste."
Innerlich scheint sich der 62-Jährige bereits mit dem Schlimmsten abgefunden zu haben: "Ein Abstieg wirft uns um Jahre zurück, das ist bitter. Nun hat es uns getroffen - sollten wir nicht in Dortmund doch noch die Wende schaffen. Jetzt müssen wir Disziplin zeigen und beweisen, dass man in Frankfurt einen gut geführten Verein ohne wirtschaftliche Not hat." In Klammern: In der 2. Liga.
Tatsächlich gibt es für die Eintracht nach der schlechtesten Rückrunde der Vereinsgeschichte (6 Tore, 8 Punkte) wenig Anlass zur Hoffnung. Auch in den sechs Spielen unter Daum gelang kein Sieg, der Trainer selbst wirkt ratlos und stellt grundsätzlich die Qualität in Frage: "Vielleicht ist im Augenblick einfach nicht mehr drin. Ich will das Bemühen keinem absprechen, aber wir können keine Durchschlagskraft einbringen."
Wolfsburg: Viel Potenzial, keine Konstanz
Wolfsburg dagegen hat genügend Potenzial im Kader, aber keine Konstanz in den Leistungen. Unter Magath lautet die Bilanz: nur zwei Siege aus sieben Partien - und der Druck wächst mit jedem Spiel weiter. Dabei hätten sich die Wölfe gegen Kaiserslautern schon aller Abstiegssorgen entledigen können, stellten nach der Führung aber den Spielbetrieb ein.
Für Magath ein klares Signal, dass die Mannschaft immer noch nicht begriffen hat, was für sie auf dem Spiel steht: "Es gab überhaupt keinen Grund dafür, dass wir nach dem 1:0 das Spiel anders angegangen sind. Aber der eine oder andere verkennt wohl die Situation. Wir haben das Problem von mangelndem Verantwortungsbewusstsein." Eine sehr bedenkliche Diagnose im Abstiegskampf.
Die Schlüsselfaktoren
Anders als in Wolfsburg und Frankfurt kam für Gladbach die Wende mit dem Trainerwechsel. Unter Lucien Favre holte die Borussia seit dem 23. Spieltag 19 Punkte - fast doppelt so viele wie in der gesamten Hinrunde (10). Die Mannschaft steht mit dem neu formierten defensiven Mittelfeld deutlich kompakter und hat mit Marc-Andre ter Stegen endlich auch einen sicheren Rückhalt im Tor. Nur acht Gegentreffer musste die ehemalige Schießbude der Liga (zuvor 52 Gegentore in 22 Spielen) in den letzten zehn Partien hinnehmen.
Auch in der Außendarstellung macht Favre derzeit mit Abstand die beste Figur. Angesprochen auf seine eigene Nervosität antwortete er lächelnd: "Ich sollte immer ruhig bleiben, sonst ist es nicht gut für die Mannschaft. Die spüren das." Und er bleibt ruhig.
Wolfsburg: "Die Strukturen sind zerstört"
Wolfsburg dagegen hat die größte Qualität an Einzelspielern im Kader, hat aber auch unter Magath noch kein erkennbares spielerisches Konzept und leidet außerdem weiterhin an der Unkonzentriertheit und Unsicherheit auf wichtigen Positionen. Abwehrspieler Simon Kjaer ist seit Wochen im Tief, auch Torhüter Diego Benaglio ist laut Magath "völlig ohne Selbstvertrauen". Diego übernimmt kaum Verantwortung als Führungspersönlichkeit und ist auch in seinen Leistungen zu unkonstant. Laut Magath ist er "teilweise überfordert, weil er es nie gelernt hat, sich Sachen selbst zu erarbeiten. Ein Künstler wie er braucht Zuarbeiter und sein Umfeld."
Dass auch die beiden Gegentreffer am Samstag wieder nach zwei ruhenden Bällen fielen, mag zusätzlich als Beleg für Magaths These gelten, dass seine Profis noch immer keine Einstellung zum Abstiegskampf gefunden haben. Immerhin: Sieben Spieler, die gegen Kaiserslautern verloren, waren 2009 noch Meister mit dem VfL.
Magath selbst beklagt vor allem die Zusammenstellung des Kaders unter seinen Vorgängern. Und das mit ziemlich drastischen Worten: "Die Mannschaft ist nicht zerüttet, das war nie eine Mannschaft. Da sind im Winter noch Spieler verpflichtet worden für einen Kader, der sowieso schon nicht zusammengepasst hat."
Klare Ansage vom Trainer: Die Mannschaft ist keine Mannschaft - und vor allem nicht die seine: "Die Strukturen sind zerstört und die Führungsspieler geschwächt."
Frankfurt: Daum gesteht Ratlosigkeit ein
Auch Frankfurt fehlt es in der derzeit verheerenden Verfassung an Führungspersönlichkeiten. Erfahrene Spieler wie Theofanis Gekas oder Benjamin Köhler sind komplett verunsichert, Maik Franz und Chris verletzt, Halil Altintop, Alex Meier und Ioannis Amanatidis saßen gegen Köln nur auf der Bank.
Einzig Kapitän Patrick Ochs, dessen Wechsel nach Wolfsburg vergangene Woche zur Unzeit bekanntgegeben wurde, versuchte am Samstag Zeichen zu setzen, musste sich aber nach seiner frühen Gelben Karte schon ab der 10. Minute zurücknehmen - und schon verlor die gesamte Mannschaft komplett den Faden.
Auch Daum konnte die Blockaden nicht lösen, die unheimliche Spirale aus Verletzungspech, Misserfolg und Verunsicherung nicht durchbrechen. Nach den eher hausbackenen Typen Friedhelm Funkel und Michael Skibbe wirkt die Mannschaft mit dem eigenwilligen und hochtrabenden neuen Trainer mittlerweile sogar leicht überfordert.
Und auch Daum selbst gestand auf der Pressekonferenz nach dem Offenbarungseid gegen Köln seine eigene Ratlosigkeit ein: "Ich kann Ihnen nun keine Fakten nennen. Ich muss mich mit Durchhalteparolen und Phrasen über Wasser halten."
Und auch Bruchhagen war nicht mehr in der Lage, Optimismus zu verbreiten: "Wir haben nur noch wenig Chancen, die Klasse zu halten. Aber bei all den überraschenden Ergebnissen in dieser verrückten Saison ist es immerhin möglich, dass wir in Dortmund punkten."
Die undurchsichtigen Launen des Fußballgotts sind im Augenblick wohl tatsächlich der einzige Hoffnungsschimmer für Frankfurt.
Seite 1: Die Ausgangslage und die Gemütsverfassung im Abstiegskampf