Borussia Dortmund hat nach dem Gewinn der Meisterschaft und dem Verlust von Nuri Sahin nur leichte Änderungen am Kader vorgenommen und dabei nicht mehr Geld ausgegeben, als eingenommen wurde. Wie haben die fünf Neuen Ivan Perisic, Ilkay Gündogan, Moritz Leitner, Chris Löwe und Marvin Bakalorz bislang abgeschnitten, wer kann wo spielen und wie groß sind ihre Einsatzchancen?
Mit dem Gewinn der Meisterschaft und der Teilnahme an der Champions League hat sich der finanzielle Spielraum von Borussia Dortmund deutlich vergrößert.
Der vor Jahren noch klamme Verein ist mittlerweile in der Lage, einen Personaletat von rund 40 Millionen Euro zu stemmen. Laut Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke bestehe auch keine Notwendigkeit, in der kommenden Spielzeit erneut in die Königsklasse einzuziehen, um den Kader finanzieren zu können.
Dieser wurde von der sportlichen Leitung nur dezent verändert. "Es ist uns auch diesmal nicht gelungen, mit unseren Zugängen den Altersdurchschnitt anzuheben", lacht Sportdirektor Michael Zorc. Zusammen mit Watzke beobachtet er die Trainingseinheiten in lässiger Sportbekleidung von einem kleinen, überdachten Trainerbänkchen aus. Beide wirken entspannt, machen Späße und erwecken somit den Eindruck, zufrieden mit dem Ist-Zustand der Mannschaft zu sein.
Perisic: Teuerster Transfer seit neun Jahren
Gut zwei Wochen sind die Neuen bislang im Training mit dabei. Lediglich der verletzte Rückkehrer Julian Koch fehlt der Borussia noch eine ganze Weile und wird frühestens zur Rückrunde zum Team stoßen können.
Auch Mustafa Amini zählt zu den Neuverpflichtungen, der 18-Jährige wurde jedoch ein weiteres Jahr an seinen australischen Klub Central Coast Mariners verliehen.
Immerhin: Für Ivan Perisic lehnte man sich ein wenig aus dem Fenster und gab so viel Geld aus wie zuletzt vor neun Jahren. Auch Ilkay Gündogan war nicht billig, doch beide Spieler konnte man dank der Ablöse des abgewanderten Nuri Sahin im Grunde problemlos finanzieren.
Eine Bestandsaufnahme von Dortmunds Neuverpflichtungen:
Ivan Perisic (22), für 5,5 Millionen Euro vom FC Brügge
Man muss kein Hellseher sein, um davon auszugehen, dass Perisic die 22 Tore, die er im Vorjahr in Belgien schoss, in der Bundesliga nicht wiederholen wird.
Der Kroate kämpft derzeit im Vergleich zu den restlichen Neuverpflichtungen mit den größten Anpassungsproblemen. Diese seien laut Trainer Jürgen Klopp aber normal und auch einkalkuliert.
"Ivan fällt es im Moment etwas schwerer. Das liegt auch daran, dass er ein etwas größerer und schwererer Spieler ist, die Belastung steckt ihm etwas mehr in den Beinen. Die kleinen, leichten Jungs kommen damit im Moment besser zu Recht. Das Training wirkt vom Zeitpunkt her eben unterschiedlich", sagte Klopp.
Damit hatte wohl auch Perisic selbst gerechnet und stieg fünf Tage früher als nötig ins Mannschaftstraining ein.
Dort wirkt er noch ein wenig isoliert, auch weil er sich bisher nur mit Neven Subotic verständigen kann. Die Anweisungen von Co-Trainer Peter Krawietz kommen auf Französisch. Wenn er wieder in Dortmund sei, wolle er sich um einen Deutschlehrer bemühen.
"Ich mache noch nicht viel mit den anderen Spielern", bestätigt Perisic, fügt aber an, dass er im Trainingslager sowieso nur mit Trainieren und Schlafen beschäftigt sei.
In den Testspielen, in denen er bislang auf allen drei offensiven Mittelfeldpositionen - bevorzugt aber auf der linken Seite - eingesetzt wurde, sind seine Anlaufschwierigkeiten offensichtlich. Perisic wirkt platt.
"Ich muss mich schnellstmöglich an das im Vergleich zu Belgien deutlich härtere Training gewöhnen. Ich gebe zu, dass ich damit noch meine Probleme habe. Ich hoffe, dass ich mit der Zeit das System, das Jürgen Klopp spielen möchte, mehr verinnerliche und mich darin besser bewege", sagte Perisic gegenüber SPOX.
Klopp versucht, von Außen zu helfen und einzugreifen. "Der Trainer spricht während des Spiels viel mit mir, damit ich die defensiven Abläufe auf meiner Position besser verstehe", so Perisic.
Der Part als offensive Sechs kommt für ihn daher aktuell nicht in Frage. "Der Trainer weiß, dass ich auch auf der Sechs spielen kann. Das ist derzeit aber noch nicht so wichtig, da ich mich erst anpassen muss. Wir haben viele Spiele, da können sich ständig neue Situationen ergeben. Ich spiele aber grundsätzlich lieber etwas offensiver."
Zum Saisonstart ist daher anzunehmen, dass Perisic das Geschehen von der Bank aus beobachten wird und sich über Kurzeinsätze und kontinuierliche Trainingsarbeit an das neue Niveau gewöhnen muss. Konkurrent Kevin Großkreutz präsentiert sich derzeit jedenfalls deutlich spielfreudiger, ist mit den Abläufen im Dortmunder Spiel allerdings auch schon länger vertraut.
Teil 2, Dortmunds Neuzugänge: Gündogan, Leitner, Löwe, Bakalorz
Ilkay Gündogan (20), für 4 Millionen Euro vom 1. FC Nürnberg
Der Deutsch-Türke, für sein Alter schon erstaunlich reif und abgeklärt, hat in seiner Zeit beim Club gezeigt, dass er auf der Königsposition im defensiven Mittelfeld in der Lage sein kann, eine ausgewogene Balance zwischen Offensive und Defensive herzustellen.
Genau dies soll er auch in Dortmund tun. Er weiß selbst, dass ihn der BVB als Reaktion auf den Abgang von Sahin unter Vertrag genommen hat, scheut sich aber verständlicherweise vor jedem Vergleich ("Ich bin ich.").
Doch davon wird es wohl auch in Zukunft einige geben, da Gündogan von seinen Anlagen her der Spieler im Dortmunder Kader ist, der auf der Doppelsechs am besten zum gesetzten Sven Bender passt.
Doch wie alle Neuzugänge macht auch Gündogan die Umstellung auf den laufintensiven BVB-Fußball zu schaffen: "An das höhere Tempo muss ich mich erst einmal gewöhnen. Hier gibt es ja nie Stillstand", sagt er.
Die Gewöhnung an die neuen Kollegen gelang dagegen im Schnelldurchlauf, Gündogans Integration erscheint schon fast vollständig abgeschlossen: "Es stimmt in der Mannschaft, das merkt man sofort. Jeder kann bei uns mit jedem. Fast alle Jungs sind annähernd in meinem Alter. Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden", sagt Gündogan.
In den Testspielen ließ ihn Klopp bislang je eine Halbzeit neben Bender, Sebastian Kehl und Antonio da Silva spielen. Man merkte Gündogan dabei an, dass er sich darauf konzentrierte, die Vorgaben präzise umzusetzen und etwa die Abstände zu seinem Nebenmann nicht zu groß werden zu lassen und mit diesem kompakt zu verschieben. Offensive Akzente blieben dabei bisher eher auf der Strecke.
Klopp wird dies einzuschätzen wissen und wohl von Beginn an auf Gündogan setzen. "Es ist doch klar, dass ich nicht hierher gewechselt bin, um auf der Bank zu sitzen", sagt dieser selbstbewusst.
Moritz Leitner (18), war ausgeliehen an den FC Augsburg
Angenehm frech und ohne Scheu präsentiert sich Leitner bislang im Trainingslager. Im Kreis der Kollegen hält sich der vielseitige Mittelfeldspieler aber noch zurück und gesellt sich eher zu der Gruppe um die Amateurspieler.
Klopp wies Leitner in drei von vier Testspielen die Rolle der offensiven Sechs zu, was durchaus überraschend ist. Dort wusste er mit seiner Technik und einem ordentlichen Spielverständnis zu überzeugen, in den Defensivzweikämpfen fiel jedoch auf, dass er weiter an seiner Physis arbeiten muss.
Um seinen körperlichen Zustand ist es derzeit wie bei allen anderen weniger gut bestellt: "Es ist anstrengend. Ich merke, dass wir im Trainingslager sind. Da ist jeder Tag hart. Aber es macht auch Spaß, ich bin super in der Mannschaft aufgenommen worden", sagt Leitner.
Leitner weiß zwar, dass der Weg in die Mannschaft für ihn ein weiter ist, zeigt sich aber kämpferisch: "Ich will so oft wie möglich spielen. Ich traue mir alle vier Mittelfeldpositionen auf jeden Fall zu", sagt Leitner, der nach eigenem Bekunden aber das Zentrum bevorzugt.
Chris Löwe (22), für 200.000 Euro vom Chemnitzer FC
Dass der BVB Urgestein Dede gehen ließ und ihn dann durch einen Regionalligaspieler ersetzt, war schon eine dicke Überraschung. Für Löwe allerdings eine Riesensache: "Ich träume seit Kindertagen davon, einmal dieses Trikot zu tragen. Dortmund ist schon immer mein absoluter Lieblingsverein."
Er bekam einen Vertrag bis 2015 und kann sowohl offensiv wie defensiv auf der linken Seite eingesetzt werden. In den vergangenen beiden Spielzeiten kam Löwe in Chemnitz auf die volle Anzahl von 68 Einsätzen und traf insgesamt acht Mal.
Klopp sieht Löwe zuvorderst als Schmelzer-Ersatz an und will ihn langsam an das deutlich höhere Niveau heranführen.
In den Testspielen warf ihn der Coach bei allen vier Begegnungen für je eine Halbzeit als Linksverteidiger ins kalte Wasser. Dabei machte er seine Sache ordentlich, schlug einige brauchbare Flanken und zeigte auch jenen Vorwärtsdrang, dank dem er in der Vorsaison 13 Tore vorbereitete.
In den Trainingseinheiten präsentiert sich der frisch Vermählte zurückhaltend, fast schon ein wenig schüchtern. Er zieht aber gut mit, fällt nicht ab und zeigt den nötigen Biss.
Es bleibt bei dieser Personalie allerdings das Risiko bestehen, den gänzlich unerfahrenen Löwe in Bundesliga und Champions League direkt einsetzen zu müssen, sollte sich Schmelzer ernsthaft verletzten. Ist dies nicht der Fall, dürfte Löwe einen Stammplatz auf der Bank sicher haben und sich über Kurzeinsätze erste Sporen im Profigeschäft dazu verdienen.
Marvin Bakalorz (21), aus der U-23-Mannschaft
Nach zwei Spielzeiten in der Regionalliga bei Preußen Münster wechselte Bakalorz zur vergangenen Saison zum BVB II. Dort etablierte sich der Sechser auf Anhieb und schoss in 29 Spielen vier Tore. Der Lohn: Ein Profivertrag bis 2014.
"Marvin hat eine sehr gute Entwicklung in unserer U-23-Mannschaft genommen. Wir wollen dieses Talent nun noch intensiver fördern", sagt Manager Zorc.
Bereits im Vorjahr durfte der Sohn des ehemaligen Bundesligaspielers Dirk Bakalorz (Borussia Mönchengladbach, Eintracht Frankfurt) einmal in der Woche bei den Profis vorspielen. "Jürgen Klopp hat mir aufgezeigt, woran ich zu arbeiten habe", erklärt er.
Bakalorz ist ein ähnlich robuster Spieler wie Sven Bender, kann laut eigener Aussage aber auch auf der Zehn eingesetzt werden.
Im Trainingslager ist er bislang aber eher vom Pech verfolgt. Eine Entzündung im Achillessehnenbereich verhinderte seine Teilnahme am Mannschaftstraining. Stattdessen trainiert er individuell und dreht abseits des Teams gemeinsam mit Marcel Schmelzer seine Runden.
Für Klopp ist dieser Umstand "besonders schade, weil er sich zeigen wollte und das nicht konnte." Allerdings geht der Coach davon aus, dass Bakalorz in Kürze wieder alle Umfänge absolvieren kann.
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