Beim FC Bayern München spricht alles von den Neuzugängen Jupp Heynckes, Manuel Neuer, Rafinha und Nils Petersen. Der vielleicht wichtigste Transfer wurde jedoch kaum beachtet: Mit Peter Hermann hat der FCB den wohl besten Co-Trainer der Bundesliga verpflichtet. Die Lobeshymnen zahlreicher Ex-Kollegen sprechen jedenfalls für sich. In Leverkusen hätte man Hermann indes bestimmt schon längst ein Denkmal errichtet, wäre der ruhige Westwälder nicht äußerst öffentlichkeitsscheu.
Peter Hermann hat sie alle kommen und gehen sehen.
Jürgen Gelsdorf sprang neben Hermann Ende der 80er wie ein Flummi auf und ab, Dragoslav Stepanovic paffte in den 90ern neben ihm Zigarre, Klaus Toppmöller nahm neben ihm im Champions-League-Finale 2002 in Glasgow Platz, mit Klaus Augenthaler und Rudi Völler hatte er später sogar zwei Weltmeister an seiner Seite sitzen.
Insgesamt elf verschiedenen Cheftrainern assistierte Hermann zwischen 1989 und 2011 bei Bayer Leverkusen. Mit seinem letzten Trainer bei Bayer, Jupp Heynckes, hat es den mittlerweile 59 Jahre alten Hermann nun von Bayer fort zum FC Bayern München gezogen.
"Er hat sich bestimmt auch nicht vorstellen können, dass er noch mal beim FC Bayern landet", flachste Heynckes dieser Tage im Trainingslager am italienischen Gardasee. Und tatsächlich: An Hermann im Outfit der Bayern muss man sich erst mal gewöhnen.
Der Inbegriff des Co-Trainers
Hermann, der 35 Jahre lang mit kleineren Unterbrechungen bei Bayer Leverkusen als Spieler, Trainer und Scout angestellt war, gilt heute gemeinhin als der Inbegriff des Co-Trainers.
"Er ist der beste Co, den ich bisher hatte", lobt Bayern-Spieler Toni Kroos den ruhigen Westerwälder, den er aus eineinhalb gemeinsamen Jahren bei Bayer kennt, gegenüber SPOX. Seine Begründung: "Er hat einen sehr angenehmen Charakter und ist als Trainer jederzeit in der Lage, das Training komplett alleine zu übernehmen."
Heynckes hat in Hermann einen Gleichgesinnten getroffen. In den zwei gemeinsamen Jahren in Leverkusen habe man sich "perfekt ergänzt", sagt der neue Bayern-Cheftrainer über seine rechte Hand: "Wir verstehen uns darüber hinaus menschlich sehr gut, sind befreundet."
Laut Thomas Müller habe man beim FCB schon schnell den Eindruck gewonnen, beide würden schon viel länger als nur zwei Jahre zusammenarbeiten.
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"Ich vermisse den Trainingsplatz"
Dass Hermann mit einem umgänglichen und erfahrenen Coach wie Heynckes gut zurecht kommt, erstaunt freilich nicht. Dass jedoch jeder andere Trainer sofort mit Hermann auf einer Wellenlänge lag, zeigt, welch großes Anpassungspotenzial der Co seit 22 Jahren unter Beweis stellt.
Die einzigen Ausnahmen von der Regel war 2008 Bruno Labbadia, der lieber seinen Intimus Eddy Sözer mit nach Leverkusen brachte und Hermann dadurch in die Scouting-Abteilung drängte sowie Christoph Daum, zu dessen Zeit bei Bayer Herrmann Amateurtrainer war.
"Der Job gefiel mir gut, ich dachte, das ist es", sagte Hermann im Rückblick und war damals eigentlich darauf bedacht, sich langsam aufs Altenteil zurückzuziehen. Doch dann klopfte der 1. FC Nürnberg an und bot ihm an, dem unerfahrenen Michael Oenning unter die Arme zu greifen.
Hermann schlug ein. "Ich vermisse den Trainingsplatz", gab der Co als Grund für den Wechsel an. Er kam eben doch nicht aus seiner Haut. "Nach Nürnberg ließen wir ihn allerdings nur mit der Option gehen, dass wir ihn zurückholen können", erinnert sich Leverkusens Sportmanager Michael Reschke im Gespräch im SPOX noch genau.
Alle wollen Hermann
Bei Bayer war man schließlich von Hermanns "außergewöhnlicher Fachkompetenz, der totalen Loyalität, dem außergewöhnlichen Fleiß und das alles gepaart mit einer hohen sozialen Kompetenz" restlos überzeugt.
Als Labbadia 2009 ging und Heynckes kam, wollte Bayer ihn zurück - nicht ohne Gegenwehr der Nürnberger, die Hermann eigentlich bis 2010 vertraglich gebunden hatten. "Er ist der ideale Partner für mich", schwärmte Oenning seinerzeit von Hermann: "Peter ist genauso ein Verrückter wie ich, geht auch in jedes Stadion."
Der ultimative Beweis seiner Ehrerbietung folgte diesen Sommer: Oenning wollte Hermann gar als Co nach Hamburg lotsen. "Michael Skibbe und Klaus Toppmöller wollten ihn damals auch mitnehmen. Robin Dutt hatte jetzt auch vor, ihn zu behalten. Mehr geht eigentlich nicht. Bei uns im Klub und in der Mannschaft hat er eine außergewöhnliche Lobby", berichtet Reschke beinahe ehrfurchtsvoll.
"Das ist ein Ding, da will ich mit"
Doch Heynckes und Hermann - das passte einfach vom ersten Tag an. Das Verhältnis der beiden ist, so sagen alle, geprägt von tiefem Vertrauen, sowohl menschlich als auch fachlich. Und was für Spieler gilt, gilt auch für Trainer wie Hermann: wenn Bayern München anklopft, muss man nachdenken.
"Der Peter hat gesagt: Das ist jetzt mal ein Ding, da will ich mitgehen. Das muss man verstehen und respektieren", sagt Reschke. Bayer-Klubchef Wolfgang Holzhäuser bedauerte Hermanns Entscheidung dennoch sehr. "Es gibt keinen besseren Co-Trainer als Peter. Da ist bald viel Wehmut dabei. Peter ist ein großes Stück Bayer, und er hängt an dem Laden hier", sagte er zum Abschied.
Nun hat Hermann beim FC Bayern die Möglichkeit, seine Arbeitsmoral unter besten Bedingungen ein weiteres und vielleicht letztes Mal unter Beweis zu stellen. Der 59-Jährige treibt sich gemeinhin von früh morgens bis spät abends am Trainingsgelände herum, beobachtet auch die Reserve- und Jugendmannschaften genau.
Mit Heynckes bespricht er meist am späten Nachmittag bereits alle Übungen des Folgetages. "Wir setzen uns dann aber immer morgens um 9 Uhr zusammen und legen genau fest, wie, was und in welchem Umfang wir trainieren", gibt Heynckes Einblick. Er hat gelernt: "Früher wollten die Trainer, auch ich, alles selbst machen. Heute muss man auch delegieren können."
Die Medien bekommen nur Heynckes
Im Trainingslager erklärt der neue Co den Bayern-Spielern jede Übung wie selbstverständlich, feuert sie während der Übungseinheiten an, führt bereits viele Einzelgespräche. Urgestein Hermann Gerland wird dadurch beinahe schon ins dritte Glied gedrängt.
Nur eins bleibt auch bei Bayern allein Heynckes' Sache: die Öffentlichkeit und der Medienrummel. Hermann scheute in seiner Trainerlaufbahn stets das Rampenlicht, bleibt lieber im Hintergrund. "In München gibt's ja genügend Leute, die sprechen, lenken, leiten", hofft Reschke für seinen alten Weggefährten.
Es sei zwar bei weitem nicht so, dass Hermann "nicht geradeaus sprechen kann". Die Öffentlichkeit sei jedoch ein Feld, "dass er nicht zwingend sucht und das eben nicht seins ist". Vielleicht macht ihn auch gerade das neben all den anderen Vorzügen als Co-Trainer so angenehm. Man könnte ja mal nachfragen bei Jürgen Gelsdorf, Dragoslav Stepanovic, Klaus Toppmöller...
Peter Hermann im Steckbrief