Mancienne: "Ich musste mutig sein"

Von Interview: Haruka Gruber / Pascal Jochem
Michael Mancienne will sich in Hamburg mit guten Leistungen für die Nationalmannschaft anbieten
© Getty

Er überwand sogar die "Festland-Angst": Michael Mancienne ließ England und den FC Chelsea hinter sich, um beim Hamburger SV zu reifen und von Fabio Capello beachtet zu werden. Ein Interview über große Ambitionen.

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SPOX: Was sagten Ihre Bekannten und Mitspieler in England, als Sie erzählten, dass Sie nach Hamburg wechseln?

Michael Mancienne: Im Grunde waren die Reaktionen immer gleich. Als erstes fragten sie völlig überrascht, warum ich das überhaupt mache und England freiwillig verlasse. Nachdem ich ihnen aber erzählt habe, was mich in Hamburg erwartet, waren alle davon überzeugt, dass es genau der richtige Schritt für meine Karriere ist.

SPOX: Was erwartet Sie denn in Hamburg?

Mancienne: Ich habe anders als bei Chelsea die realistische Chance, in jedem Spiel zum Einsatz zu kommen. Und das bei einem Verein, der eine großartige Geschichte hat und in Zukunft die Erfolge von damals feiern will. Der HSV und ich sind gleichermaßen ambitioniert, das passt!

SPOX: Wie definieren Sie ambitioniert?

Mancienne: Hamburg wurde letzte Saison Achter - aber dieses Jahr glaube ich daran, dass wir unter den Top vier landen können. Deswegen habe ich auch die anderen Angebote abgelehnt und mich auf Hamburg eingelassen. Der Verein hat alles: eine Tradition, eine riesige Fan-Basis und eine tolle Arena. Was jetzt fehlt, ist nur der Erfolg.

SPOX: Was dachten Sie als erstes, als sich HSV-Sportdirektor Frank Arnesen bei Ihnen meldete?

Mancienne: Bei unserem ersten Telefonat bin ich im Kopf so schnell wie möglich durchgegangen, was ich vom HSV und von der Bundesliga weiß. Ich wusste, dass Kevin Keegan in Hamburg sehr erfolgreich war und dass Deutschland eine Liga im Kommen ist. Jedes Spiel ist umkämpft, alle Teams sind konkurrenzfähig und die Stadien sind unglaublich schön, echte Highlights. Daher habe ich sofort Interesse bekundet und nach einigen Tagen Bedenkzeit zugesagt.

SPOX: Konnten Sie Ihrem ehemaligen Teamkollegen Michael Ballack oder einen anderen Spieler mit Bundesliga-Erfahrung nach einem Ratschlag fragen?

Mancienne: Leider nicht. Das Angebot kam erst nach der Saison, als alle schon im Urlaub waren. Aber das war kein Problem. Ich bin sicher, dass es die richtige Entscheidung ist.

SPOX: Sie sind eine Ausnahme, doch warum wechseln so wenige englische Profis ins Ausland?

Mancienne: Für englische Spieler ist es häufig ein schwierigerer Schritt als für andere, das eigene Land zu verlassen. Wahrscheinlich, weil wir keine große Erfahrung darin haben, wie man sich im Ausland durchsetzt. Daher musste ich mutig sein - und mir vor Augen halten, wie begrenzt die Zeit eines Fußball-Profis ist und dass man solche interessanten Möglichkeiten nicht einfach ausschlagen sollte.

SPOX: An was müssen Sie sich in Hamburg noch gewöhnen?

Mancienne: An nicht viel: Das Wetter ist derzeit ja genauso schlecht wie in England. (lacht) Und das Essen passt auch. Ich stehe auf Fisch - von daher bin ich in der richtigen Stadt gelandet. Wozu ich noch etwas Zeit brauche, ist natürlich die Sprache. Aber ich nehme Unterricht und lerne fleißig.

SPOX: Wie unterscheidet sich das Innenleben einer Mannschaft? Letzte Saison gab es in der Kabine Spannungen.

Mancienne: Ich erkenne keinen großen Unterschied zum FC Chelsea. Die Jungs haben mich sofort aufgenommen und es mir sehr einfach gemacht. Von den Spannungen ist überhaupt nichts zu spüren. Der neue Weg, auf junge Spieler zu setzen und einen Neuanfang einzuleiten, ist genau der richtige. Die Mannschaft passt super zusammen.

SPOX: Mit Ihnen wurden von Chelsea drei Talente verpflichtet. Wem trauen Sie am ehesten den Durchbruch zu: Jeffrey Bruma, Jacopo Sala oder Gökhan Töre, der sich in der Vorbereitung anbot?

Mancienne im Trainingslager - Interview auf MANschaftsbus.de

Mancienne: Ich möchte mich von den anderen gar nicht ausschließen: Wir vier sind nach Hamburg gekommen, weil wir überzeugt sind, als Fußballer zu wachsen. Frank Arnesens Anfrage beweist, dass wir das Rüstzeug mitbringen, für den Rest sind wir aber zuständig. Im Training habe ich schon gesehen, dass zum Beispiel Gökhan über unglaublich viel Talent verfügt. Aber jetzt muss von uns allen der nächste Schritt kommen.

SPOX: Waren Sie alle bei Chelsea ohne Perspektive?

Mancienne: Für junge Spieler ist es extrem schwer, auf Dauer ins Profiteam zu kommen. Chelsea verpflichtet die besten Spieler der Welt und selbst von Talenten wird erwartet, dass man eine gewisse internationale Erfahrung mitbringt. Das Gute auf der anderen Seite: So konnte ich im Training meine Vorbilder beobachten und von ihnen lernen: John Terry, Ricardo Carvalho, Frank Leboeuf und Marcel Desailly.

SPOX: Trotz Ihrer Unerfahrenheit wurden Sie von Englands Trainer Fabio Capello vor zweieinhalb Jahren in die Nationalmannschaft berufen. Was sagt er zu Ihrem Wechsel?

Mancienne: Wir haben leider keinen Kontakt. Daher weiß ich auch nicht, wie sich das auf meine Zukunft auswirkt. Aber es wäre ein Traum, wenn ich mich in der Bundesliga wieder für die Nationalmannschaft anbieten könnte.

Michael Mancienne im Steckbrief

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