Bierhoff: "Philipp hat die Grenzen überschritten"

SID
Philipp Lahm steht nach Vorab-Veröffentlichungen aus seinem Buch im Kreuzfeuer der Kritik
© Getty

Mit seinem Buch "Der feine Unterschied" hat Philipp Lahm für Entrüstung in der Bundesliga gesorgt. Zahlreiche Kritiker gehen hart mit dem DFB-Kapitän ins Gericht. Auch der DFB hat sich eingeschaltet. Vor dem Länderspiel kommende Woche gegen Österreich soll es ein Gespräch mit der sportlichen Leitung, Lahm und dem Spielerrat geben.

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Geldgier, Profilierungssucht, schlechter Stil: Philipp Lahm hat mit seinem Buch "Der feine Unterschied" einen Sturm der Entrüstung losgetreten und zudem sein Amt als DFB-Kapitän beschädigt. Zwar ging Lahm am Donnerstag auf Schmusekurs zu Bundestrainer Joachim Löw, doch der 27-Jährige verspürt heftigen Gegenwind.

Nach Bayer-Sportchef Rudi Völler kritisierten auch Wolfsburgs Trainer Felix Magath, Bremens Sportdirektor Klaus Allofs, Stuttgarts Manager Fredi Bobic, Hoffenheims Coach Holger Stanislawski und Leverkusens Trainer Robin Dutt das brisante Enthüllungs-Buch von Lahm und warfen dem Außenverteidiger unlautere Methoden vor.

Zudem hat sich der DFB mit dem Thema beschäftigt. Bundestrainer Joachim Löw: "Es gibt einige Passagen in dem Buch, die mir nicht gefallen, weil hier ein Spieler einige Trainer, die lange und erfolgreich gearbeitet haben, öffentlich beurteilt."

Lahm bleibt DFB-Kapitän

In der kommenden Woche soll es vor dem Länderspiel gegen Österreich am Freitag ein Gespräch der sportlichen Leitung mit Lahm und dem Spielerrat geben. Dabei soll unter anderem das Thema Sensibilität im Umgang mit Interna aus dem Mannschaftskreis zur Sprache kommen, heißt es vom DFB.

Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff: "Wir wollen zwar mündige Spieler, die auch mal klar ihre Meinung sagen. Im konkreten Fall hat Philipp allerdings die Grenzen überschritten." Konsequenzen für das Kapitänsamt Lahms habe das allerdings nicht: "Es war nach Bewertung des gesamten Buches für uns zu keinem Zeitpunkt ein Thema, Philipp als Kapitän abzusetzen, wie das schon von einigen spekuliert wurde."

DFB-Präsident Theo Zwanziger wirft Lahm ebenfalls Fehlverhalten vor: "Philipp hat für mich den Fehler gemacht, dass er die durch die Vorab-Veröffentlichung seines Buches entstehende Eigendynamik und mögliche Interpretationen nicht richtig eingeschätzt hat."

Magath wirft Lahm Geldgier vor

Doch nicht nur von Seiten des DFB, auch aus der Bundesliga mehren sich die kritischen Stimmen am Lahm-Buch. Wolfsburgs Trainer Felix Magath sagte in der "Welt": "Ich kann dazu nur eins sagen: So wird man keine Persönlichkeit! Jeder, der ein Buch schreibt, will dieses Buch ja auch verkaufen; sprich: Geld damit verdienen. Darum muss halt etwas drinstehen, was die Leute interessiert."

Bremens Sportchef Klaus Allofs kann Lahms Motivation ebenfalls nicht verstehen. "Ich bin schon lange in diesem Geschäft, aber ich habe noch nie den Drang verspürt, ein Buch darüber zu schreiben. Es gibt einfach gewisse Regeln, die man einhalten sollte."

Fredi Bobic bewertet das Buch derweil als Vertrauensbruch. "Ich würde ihm nie mehr was erzählen. Es wird ihm schaden, Gratulation dazu! Ich verstehe das nicht und kann die Aussagen von Rudi Völler nur bestätigen. Muss er als aktueller Spieler ein Buch schreiben? Welchen Nutzen hat das? Es ist das Schlechteste, was Du als Spieler machen kannst!", sagte Bobic.

Reichlich Kritik aus der Bundesliga

Hoffenheims Trainer Holger Stanislawski warf Lahm "schlechten Stil" vor. "Zu erzählen, was der oder jener nachts im Hotel macht. Das macht man nicht. Diese Leute haben in meinen Augen viel zu viel Zeit, sich über andere Menschen Gedanken zu machen. Das ist unfassbar und spricht auch dafür, wie uninteressant das eigene Leben ist. Zu meiner Zeit wäre das innerhalb unserer Mannschaft problematisch geworden", sagte Stanislawski.

Auch Leverkusen-Trainer Robin Dutt kritisiert den Kapitän: "Es entzieht sich jedem Verständnis, dass er mit Jürgen Klinsmann und Rudi Völler ausgerechnet zwei Menschen angeht, die ihr ganzes Leben alles für die Nationalmannschaft gegeben und sich auch als Menschen in der Glitzerwelt des Fußballs vorbildlich verhalten haben."

Zuvor hatte Lahm neben seinen Ex-Trainern Jürgen Klinsmann, Rudi Völler und Louis van Gaal auch Magath attackiert. "Seine Tricks greifen nicht mehr, man kennt sie schon", schrieb Lahm in seinem Buch, das bereits vor der offiziellen Veröffentlichung am Montag als Vorabdruck in der "Bild"-Zeitung für reichlich Wirbel sorgt. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) kündigte für Donnerstagabend eine offizielle Erklärung an.

Gegen Ehrenkodex verstoßen

In der DFB-Auswahl besteht bereits seit Jahren der Ehrenkodex, dass Interna aus der Kabine nicht in die Öffentlichkeit getragen werden dürfen.

Mit seinen Aussagen über die Abläufe bei der EURO 2008 hat Lahm diesen Kodex gebrochen. Helfen könnte Lahm das vertrauensvolle Verhältnis zum Bundestrainer. Denn nach der harschen Kritik an fast allen Trainern seiner bisherigen Karriere lobte Lahm zumindest Löw.

"Jogi Löw erweist sich schon bei den ersten Trainingseinheiten als gewiefter Taktiker. Es ist interessant, was er über jede einzelne Position zu sagen weiß, vor allem für einen Spieler, dem bisher kein Trainer Anregungen gegeben hat, wie er die Position des linken Verteidigers vielleicht interpretieren könnte", schreibt Lahm, der erst seit dem Länderspiel gegen Brasilien und der zuvor erfolgten Ausbootung von Michael Ballack offiziell DFB-Kapitän ist.

Neue Kritik an Völler

Dagegen legte Lahm noch einmal gegen Rudi Völler nach. Laut Lahm war die deutsche Nationalmannschaft unter dem damaligen DFB-Teamchef Völler im Jahr 2004 nicht mehr als ein zusammengewürfelter Haufen von Freizeitkickern.

"Ich glaube, dass damals viele Playstations geglüht haben. Das Training läuft erstaunlich locker ab. Mir kommt das so vor, als würden ein paar Kumpels miteinander in die Ferien fahren, um Fußball zu spielen", schrieb der DFB- und Bayern-Kapitän in seinem Buch, das auch Verband bereits für helle Aufregung sorgt.

Ex-Nationaltorhüter Toni Schumacher (damals 1. FC Köln) wurde nach seinem Buch "Anpfiff" 1987 aus dem DFB-Team verbannt. Auch beim 1. FC Köln musste er gehen. Direkte Reaktionen von Lahms Klub Bayern München sind in den kommenden Tagen zu erwarten.

Begeistert über die neuerliche Unruhe dürften Ehrenpräsident Franz Beckenbauer, Präsident Uli Honeß und Vorstandschef Karl-Heinz-Rummenigge gewiss nicht sein.

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