Der Zufall führte die beiden Freunde David Alaba und Christoph Knasmüllner am Mittwochabend wieder zusammen. Die 19-jährigen Österreicher absolvierten 2009/10 in der zweiten Mannschaft des FC Bayern München über 20 Spiele zusammen und galten damals als Shootingstars des österreichischen Fußballs.
Zwei Jahre später sorgt der eine mittlerweile in der ersten Mannschaft des FC Bayern für Furore, während der andere über den Umweg Inter Mailand beim Zweitliga-Letzten FC Ingolstadt gelandet ist. Will sagen: Nicht jedes Sternchen startet so kometenhaft durch, wie es Alaba in den letzten beiden Jahren gelungen ist. Und das, obwohl es Alaba beim FC Bayern alles andere als leicht hat.
"Natürlich wäre es uns lieber, er könnte Woche für Woche für einen der besten Vereine der Welt auflaufen. Aber dort spielen so viele gute Spieler, Franck Ribery noch dazu auf seiner Position", sagt Willi Ruttensteiner, technischer Direktor des österreichischen Fußballbundes ÖFB, gegenüber SPOX.
"In ein, zwei Jahren ein Topspieler"
Nach dem 6:0-Sieg der Münchner über den Zweitligisten, bei dem Alaba als Großchancen-Vorbereiter und Torschütze glänzte, meinte FCB-Coach Jupp Heynckes zwar: "Er wird seinen Weg beim FC Bayern gehen" und prophezeite: "Er wird in ein oder zwei Jahren ein Topspieler."
Momentan ist das von Heynckes geadelte "Juwel" aber eher noch ein Rohdiamant. Nicht abzustreiten ist, dass der 19-Jährige im Kalenderjahr 2011 in Sachen Reife einen riesigen Schritt nach vorne gemacht hat.
Weil seine Entwicklung unter Louis van Gaal stagnierte, absolvierte Alaba in der Rückrunde der vergangenen Saison als Leihspieler 17 Spiele für 1899 Hoffenheim und gewann dabei das Gefühl: Ich kann's in der Bundesliga packen.
"Hoffenheim war gut gewählt, er hat sich dort wohl gefühlt und auch gut gespielt", resümiert Ruttensteiner. Jetzt steht der nächste Schritt an: "Sich beim FC Bayern, diesem absoluten Spitzenverein, durchzusetzen, wäre doppelt wertvoll. Damit hätte er es ganz nach oben geschafft."
Alaba sammelt Argumente
Heynckes ist sich mittlerweile sogar sicher, das Alaba "in jeder Bundesliga-Mannschaft Stammspieler" wäre. Nur eben nicht beim FC Bayern. Noch nicht.
Auch, wenn der Linksfuß als Linksverteidiger und auf allen Mittelfeldpositionen spielen kann - für die Stammelf zieht Heynckes momentan noch andere vor.
Alaba ist derzeit in erster Linie als Backup von Franck Ribery fürs linke Mittelfeld vorgesehen, mehr als Kurzeinsätze sind so nicht drin. "Natürlich könnte auch Alaba spielen", sagte Heynckes am Dienstag, "aber wir haben vorne eine Offensivriege mit lauter Stammnationalspielern aus Deutschland, Frankreich, Holland..."
Nur in beiden Pokalspielen und beim Auswärtsspiel in Kaiserslautern, bei dem Arjen Robben fehlte und Toni Kroos geschont wurde, stand der Österreicher bislang in der Startelf. Ansonsten ist er immerhin Joker Nummer eins.
Mit zwei Toren gegen Hannover und Ingolstadt bestätigte Alaba seinen Aufwärtstrend, wird aber gegen Nürnberg wohl wieder auf der Bank sitzen.
Ruttensteiner überzeugt: "Er setzt sich durch"
Ein erneutes Ausleihgeschäft, wie nach Hoffenheim, steht nicht zur Debatte. Heynckes braucht Alaba als Option, als Backup. Ruttensteiner ist dennoch guter Dinge: "Ich bin mittlerweile überzeugt davon, dass er sich beim FC Bayern, einem der besten Klubs der Welt, durchsetzen wird."
In Österreich ist der 19-Jährige nach 15 A-Länderspielen jedenfalls schon ein Publikumsliebling. "Wir haben beim ÖFB eine Riesenfreude mit ihm", berichtet Ruttensteiner. "Aufgrund seiner Leistungen hat er sich schon Verdienste erworben, die ihn in ganz Österreich sehr beliebt gemacht haben." Alaba sei wegen seiner sympathischen Wiener Art auch innerhalb des Teams gern gesehen.
Natürlich ist das alles nur ein Anfang. "Das ist erst der Beginn seiner Karriere. Er wird für Österreich noch viele gute Spiele absolvieren und vielleicht auch das ein oder andere entscheidende Tor erzielen", ist sich der Technische Direktor sicher. Eine besondere Auszeichnung für den jungen Mann ist die Tatsache, dass er auch ohne Stammplatz beim FC Bayern stets zur Nationalmannschaft eingeladen wird.
"Normalerweise ist es für einen Spieler, der im Verein kein Stammspieler ist, schwierig, in der Nationalmannschaft zu spielen. Doch wenn er aufläuft, zeigt er immer tolle Leistungen. Wenn er irgendwann mal Stammspieler ist, wird er noch wertvoller sein", ist sich Ruttensteiner sicher.
Wiener Schmäh macht gelassen
Alaba ist derweil die Ruhe selbst. So abgeklärt, wie er Bälle abschirmt, so ruhig ist er auch im Umgang mit den Medien. Sein Wiener Schmäh kommt ihm dabei zweifelsohne zu Gute. Wurde Alaba vor zwei Jahren stets noch von einem Mitarbeiter der FCB-Presseabteilung flankiert, streift der 19-Jährige von Spiel zu Spiel gelassener durchs Pressespalier.
"Ich fühle mich in München sehr wohl und sehr gut aufgehoben", sagt er immer wieder. Und: "Als junger Spieler habe ich noch massig Luft nach oben." Was soll er auch sonst sagen? Mehr Spielzeit einfordern wird Alaba bestimmt nicht. Lieber will er seine Leistungen für sich sprechen lassen. Unter Heynckes fühlt sich der 19-Jährige jedenfalls mehr dem Team zugehörig denn je.
"Das Entscheidende ist, dass er viel mit der Mannschaft spricht, und das ist vor allem für junge Spieler wie mich von großer Bedeutung. Er tut uns allen sehr gut", sagte Alaba vor kurzem. Auch beim ÖFB sieht man Alabas Entwicklung durch den Konkurrenzdruck beim FCB nicht blockiert, im Gegenteil.
"Die Bayern haben bei seiner Entwicklung bisher nichts falsch gemacht, da kann man nur gratulieren. Sie gehen sehr behutsam mit ihm um. Er nimmt das dankbar an, bringt sich aber auch sehr gut ein. Es passt gut zusammen. Er schwärmt auch selbst in den höchsten Tönen vom Verein und den Personen, die dort involviert sind", berichtet Ruttensteiner.
"Engagement, Ehrgeiz und Herz"
Alaba sei eben ein "sympathischer Bursche, der seinen Beruf sehr ernst nimmt", sagt der 48-Jährige und schwärmt: "Über sein Talent brauchen wir nicht diskutieren. Er hat großartige Fähigkeiten, in allen Bereichen. Nicht nur physisch, technisch, taktisch, sondern auch von seiner Persönlichkeit her." Heynckes ergänzt: "Er ist ein außergewöhnliches Talent, hat dazu Engagement, Ehrgeiz und Herz."
Ruttensteiner ertappt sich selbst nur hin und wieder beim Gedanken: "Hoffentlich bleibt er so und hoffentlich bleibt auch seine Entwicklung so. Er ist für mich eine große Hoffnung für den österreichischen Fußball."
Eine Hoffnung, die in Ruttensteiner schon einen glühenden Fan gefunden hat. Der Technische Direktor sagte zum Schluss des Gesprächs mit SPOX nämlich auch: "Wenn Sie mich fragen würden, was mich an ihm stört - ich könnte gar nichts sagen." Nicht die schlechtesten Voraussetzungen für den Rohdiamant im Wartestand.
Viel Konkurrenz: Der Kader des FC Bayern München 2011/12