Viele Egos, ein Ziel: Raus aus der Nische!

Florian Bogner
02. Januar 201220:43
David Alaba stand in dieser Saison bislang in jedem Pflichtspiel im 18er-Kader des FC BayernGetty
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Der FC Bayern München wird das DFB-Pokal-Spiel gegen den FC Ingolstadt (20.15 Uhr im LIVE-TICKER und bei Sky) dazu nutzen, den Reservisten Matchpraxis zu verschaffen. Unter Trainer Jupp Heynckes hat sich ein Grundgerüst aus 14 Spielern herauskristallisiert. Der Rest muss sehen, wo er bleibt. Dabei hat Heynckes echte Lieblinge in der Hinterhand, die er nicht hergeben will.

Wenn der Bundesliga-Spitzenreiter und Champions-League-Teilnehmer in der 2. Hauptrunde des DFB-Pokals zuhause gegen den Tabellenletzten der zweiten Liga spielt, können sich normalerweise arrivierte Kräfte über eine kleine Verschnaufpause freuen. Stichwort: Rotation.

So ist auch beim FC Bayern München davon auszugehen, dass der ein oder andere Stammspieler gegen den FC Ingolstadt geschont wird - auch, wenn Trainer Jupp Heynckes am Dienstag lediglich bestätigte, dass Ersatzkeeper Jörg Butt anstelle von Manuel Neuer das Tor der Bayern hüten wird.

Diego Contento, David Alaba und Nils Petersen gelten als weitere Kandidaten aus der zweiten Reihe für einen Startelfeinsatz. Heynckes sagt aber: "Beim FC Bayern muss man jedes Spiel gewinnen. Man darf als Trainer nie ein Risiko eingehen. Man muss immer die vermeintlich Besten aufstellen. Deswegen muss der ein oder andere Spieler zurückstehen."

Erst 19 Spieler eingesetzt

Es passt ins Bild, dass der eigentliche Rotationsfreund Heynckes in dieser Saison erst 19 Spieler in der Bundesliga eingesetzt hat. Er hat schlichtweg nicht viel mehr. Der VfL Wolfsburg hat zum Vergleich schon 27 verschiedene Spieler eingesetzt, der 1. FC Nürnberg derer 24.

Der Konkurrenzdruck im Bayern-Kader ist von der reinen Anzahl an Spielern her überschaubar, auf dem Platz stehen oft dieselben. Im Tor und im Angriff sind Manuel Neuer und Mario Gomez freilich gesetzt.

In der Abwehr balgen sich neben den gesetzten Philipp Lahm und Holger Badstuber in Jerome Boateng, Daniel van Buyten und Rafinha drei Mann um zwei Plätze. Meist ändert sich hier also nur eine Position.

Wenig Spielraum im Mittelfeld

Dasselbe gilt fürs defensive Mittelfeld, wo Heynckes in allen drei Wettbewerben auf ein Wechselspiel zwischen Anatolij Tymoschtschuk (sieben Startelfeinsätze) und Luiz Gustavo (neun Mal Startelf) setzt.

Im offensiven Mittelfeld ist dagegen die Dreierreihe Thomas Müller, Toni Kroos und Franck Ribery derzeit in Stein gemeißelt. Wenn Arjen Robben wieder fit ist, streiten sich Müller und Kroos um einen Platz.

Im Umkehrschluss heißt das für alle anderen: Die Chancen auf Startelfeinsätze sind gleich null, sie müssen sich im Training und in Kurzeinsätzen beweisen. Heynckes lobt seine Reservisten zwar fleißig ("bin insgesamt von allen Spielern sehr angetan"), kann aber niemandem Einsatzzeiten garantieren.

Bislang auffällig: Heynckes wechselt mitunter sehr spät, auch wenn das Spiel schon entschieden ist. Lässt man Wechsel aufgrund von Verletzungen außer acht, bringt der FCB-Coach im Schnitt erst nach 70 Minuten den ersten Einwechselspieler und den zweiten erst in der 81. Minute.

Heynckes: Keine Leihgeschäfte

Nicht leicht ist diese Situation für Talente wie Diego Contento, David Alaba, Takashi Usami oder Nils Petersen - sie bräuchten für ihre Entwicklung eigentlich so viel Matchpraxis wie möglich, kommen aber nur sporadisch bis gar nicht zum Zug.

Uli Hoeneß dachte deshalb in der letzten Woche schon laut über mögliche Ausleihgeschäfte nach dem Modell Ekici nach und fasste dafür konkret den FC Augsburg ins Auge, der prompt positiv auf das Angebot reagierte.

"Wir sind über Nachbarschaftshilfe hoch erfreut. Und wenn Uli Hoeneß den richtigen Spieler nach Augsburg schickt, dann werden wir ihn nicht zurückschicken", sagte FCA-Manager Andreas Rettig.

Bei Heynckes kam das allerdings gar nicht gut an, er möchte im Winter keinen seiner Spieler abgeben. "Schauen Sie sich unseren Spielerkader an: Wir können uns nicht den Luxus erlauben, Spieler auszuleihen. Man muss beachten, dass wir bislang relativ wenig Verletzte hatten. Deswegen sind solche Gedankengänge bei mir nicht vorhanden", sagte er am Dienstag auf SPOX-Nachfrage.

Wie stehen also die Chancen der Reservisten auf Einsatzzeiten? Wer hat welche Perspektiven? Der Überblick auf der nächsten Seite.

Alaba, Breno, Butt, Contento: Der Musterschüler und der Lahm-Verlierer

Olic, Petersen, Pranjic, Usami: Aus Zwei mach Eins und Jupps Liebling

David Alaba: Hat von allen hier aufgelisteten Reservisten noch die meiste Einsatzzeit. Der Österreicher gehörte bislang immer zum 18er-Kader, stand bereits zweimal in der Startelf (im Pokal in Braunschweig und in der Liga in Kaiserslautern) und wurde neun Mal eingewechselt, sechs Mal davon als erste taktische Option.

Gegen Hannover erzielte der 19-Jährige zudem sein erstes Tor im 13. Bundesliga-Spiel für den FC Bayern. Dennoch ist für Alaba, den Heynckes am liebsten im linken oder offensiven Mittelfeld sieht, derzeit kein Vorbeikommen an Ribery, Kroos und Co.

"Natürlich könnte auch Alaba spielen", sagt Heynckes. "Aber wir haben vorne eine Offensivriege mit lauter Stammnationalspielern aus Deutschland, Frankreich, Holland..." Das heißt: Alaba ist und bleibt erster Backup von Franck Ribery, außer Robben ist fit und Müller wechselt auf links.

Breno: In der letzten Woche feierte Breno seinen 22. Geburtstag, in aller Stille. Verständlich: Es gibt für ihn derzeit Wichtigeres als Fußball. Aufgrund seiner Verletzungsgeschichte und der Sache mit dem abgebrannten Mietshaus ist Breno natürlich ein spezieller Fall. Wegen einer Knieverletzung stand der Brasilianer in dieser Saison noch nicht im Kader.

Breno absolviert derzeit zwar wieder Reha-Maßnahmen und lernt Deutsch, um sich besser integrieren zu können. Der Haftbefehl der Staatsanwaltschaft München gegen ihn ist aber immer noch gültig und zunächst nur gegen Kaution außer Vollzug gesetzt.

Ob er überhaupt irgendwann noch mal für den FC Bayern aufläuft, steht angesichts des Gerichtsverfahrens und seines Gesundheitszustands in den Sternen - sein Vertrag läuft zum Saisonende aus. Immerhin sagt Boss Karl-Heinz Rummenigge: "Wir lassen Breno sicher nicht fallen. Er ist ein Teil des FC Bayern, wir können ihm vertrauen. Ein Abschied im Winter ist überhaupt kein Thema."

Jörg Butt: Der 37-Jährige ist bekanntlich ein sehr guter Backup für Manuel Neuer, wäre im Notfall jederzeit zur Stelle und saß bislang auch in allen 16 Pflichtspielen auf der Bank. Sein Wort hat in der Kabine nach wie vor Gewicht.

Gegen Ingolstadt darf er nun auch mal wieder spielen. "Er hat es verdient", sagt Heynckes. "Jörg verhält sich absolut professionell. Er hält sich nicht nur fit, sondern trainiert sehr ehrgeizig." Butts Vertrag läuft im Sommer aus, er wird danach Nachwuchskoordinator beim FCB. Dann werden sich die Bayern nach einer neuen Nummer zwei umsehen.

Diego Contento: Der Linksverteidiger leidet sehr unter dem Seitenwechsel von Philipp Lahm, wurde in dieser Spielzeit erst drei Mal für insgesamt knapp 45 Minuten eingewechselt, stand aber immerhin 13 Mal im 18er-Kader.

Gegen seinen Lieblingsklub SSC Neapel erfüllte sich sein Wunsch auf einen Einsatz im Sao Paolo jedoch nicht. Dafür versprach Heynckes: "Im Pokal darf Diego wieder ran. Da kann er zeigen, was er drauf hat."

Mehr als Kurzeinsätze werden für den 21-Jährigen angesichts der Robustheit von Lahm jedoch ansonsten nicht herausspringen. Contento sagt trotzdem: "Ich bin total glücklich beim FC Bayern." Ein Wechselangebot aus der Serie A (Sampdoria Genua) schlug er im letzten Winter aus. Sein Vertrag läuft bis 2013.

Olic, Petersen, Pranjic, Usami: Aus Zwei mach Eins und Jupps Liebling

Ivica Olic: Hat seine Knie-OP und die Hüftverletzung hinter sich gelassen und gehört nun wieder regelmäßig zum Kader. Mehr als vier Kurzeinsätze in der Liga (ein Tor) waren aber bislang nicht drin, Olic spielte nie länger als 20 Minuten.

An Gomez ist für Olic kein Vorbeikommen, die offensiven Außen sind ebenfalls besetzt und ein Wechsel auf 4-4-2 ist auch nicht angedacht. Bleibt also nur die Joker-Rolle für den 32-Jährigen, auch wenn Heynckes dessen Trainingseifer und Einsatzwillen zuletzt überschwänglich lobte.

Olic selbst gab zumindest schon mal ein Versprechen ab: "Der alte Ivi ist wieder da. Wenn ich verletzungsfrei bleibe, sollte ich wieder auf dem Niveau sein, das ich vor der Verletzung hatte."

Nils Petersen: Sagte vor der Saison, er wolle sich in jedem Training "den Arsch aufreißen". Stand 13 Mal im Kader, davon einmal in der Startelf (auf Schalke). Wurde zudem acht Mal eingewechselt. Erzielte gegen Freiburg sein erstes Saisontor, legte auf Schalke sein zweites nach.

In der Champions League mit einer Handvoll Chancen gegen Zürich und Villarreal, aber noch nicht mit dem rechten Killerinstinkt vor dem Tor. Das Problem des Zweitliga-Torschützenkönigs: Da Olic nun wieder fit ist, werden seine Einsatzzeiten in nächster Zeit eher schrumpfen.

Mit Olic stand er sogar nur zweimal gemeinsam im Kader. Will sagen: Ist Robben fit, sitzt meist nur ein Stürmer auf der Bank. Außerdem scheute Heynckes auch schon ein paar Mal nicht davor zurück, gegen Ende des Spiels ohne nominelle Spitze spielen zu lassen - auch das spricht gegen Petersen und Olic.

Danijel Pranjic: Der Kroate ist der große Verlierer unter Heynckes, spielte nur mickrige zwei Minuten im ersten Pflichtspiel in Braunschweig und stand überhaupt nur sieben Mal im Kader. Im defensiven Mittelfeld haben Bastian Schweinsteiger, Tymoschtschuk und Gustavo die Nase vorne, links hinten stehen Lahm und Contento in der Hierarchie vor Pranjic.

Auf den offensiven Außen ist der FC Bayern ebenfalls doppelt besetzt. "Wenn ich das Mittelfeld sehe, dann ist es schwierig für Danijel. Er hat das bisher aber sehr professionell aufgenommen, wir haben sehr viel miteinander gesprochen", sagt Heynckes.

Was man Pranjic zugute halten muss: Er mault nicht öffentlich, haut sich im Training wie eh und je rein, akzeptiert seine Rolle. Zuletzt bat er Heynckes sogar darum, in der Zweiten zu spielen und stand beim kleinen Derby gegen 1860 München II (1:2) 90 Minuten auf dem Feld.

Insgesamt stehen die Zeichen aber auf Abschied, zumal Pranjic ohne Spielpraxis auch in der kroatischen Nationalmannschaft außen vor ist und man für den 29-Jährigen nur noch im Winter eine Ablöse erzielen kann - sein Vertrag läuft im Sommer aus.

Takashi Usami: Heynckes' zweiter Lieblingsschüler neben Alaba. "Ich persönlich habe eine sehr hohe Meinung von Takashi, das ist ein hochtalentierter Spieler. Er ist ein intelligenter Spieler, sehr kreativ, fußballerisch sehr gut. Nur: Beim FC Bayern hat er Robben, Müller, Kroos und Ribery vor sich. Da ist es schwierig für ihn", sagt der Coach.

Usami kam deshalb nur am zweiten Spieltag in Wolfsburg zum Einsatz. Kurios: Dort wurde der Japaner in der 69. Minute ein-, und nach dem Führungstor in der Nachspielzeit wieder ausgewechselt, um Zeit von der Uhr zu nehmen. Usami stand bislang erst sieben Mal im Kader, kickte dafür aber schon sieben Mal unter Andries Jonker für die Regionalliga-Mannschaft und traf dort zwei Mal.

Um für die Bundesliga öfter in Frage zu kommen, muss der 19-Jährige, der von Gamba Osaka nur ausgeliehen ist (mit Kaufoption), aber körperlich zulegen. "Er muss erlernen, robuster zu spielen und sich durchzusetzen", sagt Heynckes.

Der Coach meint aber auch, dass Usami sich das erarbeiten könne: "Ich bin nach wie vor überzeugt, dass er ein wichtiger Spieler für den FC Bayern werden kann." Da Usami am ehesten noch abkömmlich ist, könnte bei ihm ein Leihgeschäft sinnvoll sein.

Alaba, Breno, Butt, Contento: Der Musterschüler und der Lahm-Verlierer