Fink: Wie Labbadia - und doch ganz anders

Von Stefan Moser
Thorsten Fink ist mit dem FC Basel zweimal Schweizer Meister geworden
© Imago

Ab Montag übernimmt Thorsten Fink das Training beim Hamburger SV. Wie tickt der 43-Jährige: Wie lässt er spielen? Wie führt er eine Mannschaft? Was macht er auf dem Trainingsplatz? SPOX fragte Spieler und Kollegen von Fink. Sie entwerfen ein Bild zwischen Bruno Labbadia, Ottmar Hitzfeld und Giovanni Trapattoni.

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Trainertyp: Auf den ersten Blick passt er genau ins Schema der neuen, jungen Trainergarde: Smart, modern, eloquent, hipp. Stefan Leitl, der bei den Bayern noch mit Fink zusammenspielte und später in Ingolstadt unter ihm als Trainer in die 2. Liga aufgestiegen ist, vergleicht ihn - zum Teil - mit Bruno Labbadia: "In Sachen Auftreten, Ehrgeiz, Persönlichkeit und Spielphilosophie sind sich beide sehr ähnlich."

Allerdings: "In Trainingsarbeit und Mannschaftsführung sind beide grundverschieden." Esoterische Theorien oder ausschweifende Vorträge sind nicht die Sache von Thorsten Fink. Er ist eher ein Praktiker. Denn neben dem gut angezogenen Mann von Welt steckt in dem gebürtigen Dortmunder eben auch noch der geradlinige Ruhrpott-Malocher.

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Mannschaftsführung: "Wichtig ist, dass ich mich in der Kabine so gebe, wie ich bin. Es bringt nichts, vor der Mannschaft Theater zu spielen, denn die Spieler spüren das", sagt Fink. "Authentizität" ist entsprechend auch eines der häufigsten Schlagworte - egal, ob der 43-Jährige über sich selbst spricht oder seine Weggefährten ihn beschreiben.

Stefan Wessels, der als Torhüter des FC Basel unter Fink 2010 Schweizer Meister und Pokalsieger wurde, sagt: "Er ist sehr frisch, sehr authentisch, hat ein Händchen für verschiedene Spieler und Situationen und kann gut kommunizieren - die Chemie stimmte. Er respektiert die Spieler, legt Wert auf das Miteinander und fragt auch mal die Mannschaft nach ihrer Meinung. Eine seiner größten Stärken ist, dass er ein gutes Gespür dafür hat, wann er locker sein kann und wann er die Zügel etwas anziehen muss. In Sachen Mannschaftsführung gab es viele Parallelen mit Ottmar Hitzfeld, von dem er sicher einiges mitgenommen hat."

Für den Umgang mit den Spielern nennt Fink tatsächlich seinen ehemaligen Trainer beim FC Bayern als Vorbild. Und Hitzfeld gab schon früh das Kompliment zurück: "Thorsten dachte als Spieler schon wie ein Stratege und war mit hoher Sozialkompetenz ausgestattet. Wer so ehrlich ist, hat bei der Führung von Menschen keine Probleme."

Autorität: Kumpel oder distanzierter Feldherr? Fink sagt: beides. Er sei ein "situativer" Trainer. Grundsätzlich dürfe "das Verhältnis nicht zu eng sein. Trotzdem muss man wissen, wie man auf die Mannschaft eingeht. Für mich als Trainer ist es mit das Wichtigste, ein guter Psychologe zu sein. Man muss von jedem einzelnen Spieler wissen, was er für eine Jugend gehabt hat. Und muss wissen, ob ein Spieler eine auf den Deckel braucht oder ob man ihn streicheln muss."

Leitl attestiert Fink in seiner unprätentiösen Art eine natürliche Autorität: locker und nahbar, aber auch unumstrittener Chef und Vorbild für die Spieler: "Speziell zwischenmenschlich war das zwischen Mannschaft und Trainer immer bestens. Ich kenne wirklich niemanden, der etwas Schlechtes über ihn sagen würde. Er hat uns immer gepusht, viel mit uns gesprochen und hatte zu allen Spielern ein gutes Verhältnis."

Spielphilosophie: Sowohl in Ingolstadt als auch in Basel verfolgte Fink eine klare eigene Idee: Agieren statt reagieren, dominant auftreten, mit gutem Passspiel und Ballkontrolle, mutig und offensiv Druck aufbauen. "Wir wollten immer unser eigenes Spiel durchziehen, mit allen taktischen Mitteln, die wir unter ihm eingeübt haben. Nur bei den Standardsituationen haben wir uns speziell auf den Gegner eingestellt", sagt Leitl.

Auch bei seiner zweiten Station hatte Fink mit seiner offensiven Ausrichtung Erfolg: 90 Treffer in 36 Spielen brachten ihm 2010 nicht nur die Meisterschaft mit dem FC Basel, sondern auch den Schweizer Rekord der meisten Tore in einer Saison.

Spielsystem: Bei beiden Stationen ließ Fink ein klassisches 4-4-2 spielen. Zwei echte Spitzen, betontes Flügelspiel und sehr offensive Außenverteidiger. Beim FC Basel spielte Alex Frei im Sturm bisweilen leicht hängend hinter Marco Streller. Ein System, dass sich auch beim HSV anbietet.

Trainingsmethodik: Fink ist kein Wissenschaftler, der ständig die Laktatwerte seiner Spieler vor Augen hat. Auch auf dem Trainingsplatz ist er eher ein Praktiker. Er lässt fast ausschließlich mit Ball trainieren, auch in der Konditionsarbeit, und bemüht sich um variantenreiche Einheiten. "Wir haben durchaus intensiv gearbeitet, aber er ist sicher kein Schleifer. Bei aller Ernsthaftigkeit war auch immer Spaß und Abwechslung dabei", sagt Wessels.

In der taktischen Arbeit legt er Wert auf Details. Er unterbricht entsprechend auch die Trainingseinheiten, gibt dann aber eher kurze und präzise Anweisungen oder sucht hinterher das Einzelgespräch.

Talentförderung: Vor allem beim FC Basel gehört es zur Vereinsphilosophie, Spieler aus der intensiven Nachwuchsarbeit in den Profikader zu integrieren. Eine Tatsache, die Fink sicher auch zusätzlich attraktiv für den HSV machte. Seine größte Entdeckung in der Schweiz ist Xherdan Shaqiri, den er zu einem der begehrtesten Nachwuchsspieler in Europa formte.

Auch dabei zeigte Fink sein "situatives" Gespür. Als der Hype um Shaqiri ihm den Kopf verdrehte, wurde er vom Trainer öffentlich eingenordet: "Es gibt zu viele Schulterklopfer. Er ist noch nicht so gut wie er glaubt!". Und setzte den Youngster auf die Bank. Shaqiri dankte es ihm im nächsten Spiel mit einem Tor und einer Vorlage. Ein Spielchen, das sich später noch einige Male wiederholen sollte.

Mentalität: Fink ist ein Teamplayer, der Aufgaben auch delegiert. Seine herausragende Eigenschaft ist aber wohl sein Selbstbewusstsein. "Ich habe das Bayern-Gen", sagt er selbst, um zu unterstreichen: Er will immer gewinnen. Mit seiner optimistischen Herangehensweise schockte er zum Teil fast die eher bescheidenen Schweizer. Zuletzt etwa, als er in der Champions League bei Manchester United forsch auf Sieg spielen ließ - auch als die Mannschaft zur Halbzeit 0:2 zurücklag. Am Ende stand ein 3:3 in einer Partie, die der FC Basel auch gut und gerne mit 4:2 hätte gewinnen können.

Oliver Reck, der mit Fink zusammen den Fußballlehrer machte, traut ihm gerade auf Grund dieser Mentalität einiges zu: "Er hat diese Mia-san-Mia-Einstellung des FC Bayern in sich: Seine großen Erfolge mit dem FC Basel waren alles andere als Zufall. Thorsten ist definitiv ein Trainer für die Bundesliga! Er fährt eine klare Linie, arbeitet systematisch und mit Struktur."

Werdegang als Trainer: Seine komplette Ausbildung machte Fink, als er noch als Spieler bei den Bayern aktiv war, den Fußballlehrer bestand er mit Auszeichnung. Seine erste Trainerstation war das Juniorteam von Red Bull Salzburg: Er gewann 17 Spiele in Folge und stieg in die zweite österreichische Liga auf.

In Salzburg wurde er schließlich in der Profimannschaft Co-Trainer von Giovanni Trapattoni, den Fink in Sachen "Strategie" noch heute als Vorbild nennt. Es folgte der Wechsel als Cheftrainer nach Ingolstadt, der Aufstieg in die 2. Liga - und die Entlassung im Abstiegskampf.

Die größte Schritt - und die größte Überraschung - war dann aber die Anstellung in Basel. Der Schweizer Vorzeigeklub suchte einen Erben für den "Übervater" Christian Gross, der zuvor zehn Jahre lang eine Ära prägte.

Die Verantwortlichen entwarfen ein ausgeklügeltes Punktesystem für potentielle Kandidaten - und waren selbst überrascht, als plötzlich Fink ganz oben stand. Schon um ihr eigenes Vorgehen nicht ad absurdum zu führen, gingen sie das Risiko ein, schenkten dem in der Schweiz noch völlig unbeleckten Fink das Vertrauen. Und wurden belohnt: Zwei Meisterschaften in zwei Jahren, zwei Champions-League-Teilnahmen und ein Pokalsieg. Dazu noch ein junger, lächelnder Fußball - als willkommene Abwechslung zum ewigen Hoch-und-Weit von Gross.

Umgang mit den Medien: Nur am Anfang eckte Fink in der Öffentlichkeit bisweilen an. Der Schatten von Gross war stattlich, die Kritiker des jungen Neuen lauerten. Dass Fink darauf etwas dünnhäutig reagierte, sieht er heute als Erfahrung: "Ich dachte, ich müsse meine Spieler damit schützen. Das war nicht so clever. Aber auch da habe ich dazugelernt." Mittlerweile ist der charmante und beredte Trainer auch bei Schweizer Journalisten sehr beliebt.

Seine Ziele beim HSV: Fink redet nicht lange um den heißen Brei herum. "Das primäre Ziel ist ja ganz klar: Der Dino muss der Dino bleiben! Also Klassenerhalt. Das kann es auf Dauer aber nicht sein. Nicht für den HSV, nicht für die Fans und nicht für diese Stadt. Ich habe zuletzt als Spieler beim FC Bayern München und zuletzt als Trainer beim FC Basel immer international gespielt. Das muss als Antwort genügen. Das Team ist jung, hat in meinen Augen viel Potenzial und ist mit vielen Talenten ausgestattet, hat aber auch den einen oder anderen erfahrenen Spieler. Ziel eins ist der Klassenerhalt, und am Saisonende sollten wir es bis ins Mittelfeld packen - ins obere Mittelfeld aber, bitteschön!"

Thorsten Fink im Steckbrief

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