Köln: Das FC-Erdbeben und seine Folgen

Von Christian Bernhard
Köln-Präsident Wolfgang Overath verkündete am Sonntag völlig überraschend seinen Rücktritt
© Imago

Köln-Präsident Wolfgang Overath ist am Sonntag zusammen mit seinen zwei Vorstandsmitgliedern Jürgen Glowacz und Friedrich Neukirch völlig überraschend zurückgetreten. Wie geht es jetzt im Verein weiter und was bedeutet das für die Mannschaft? Vier Fragen und die wichtigsten Antworten.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Was ist passiert? Völlig überraschend hat der komplette FC-Vorstand um Präsident Wolfgang Overath auf der Jahreshauptversammlung am Sonntag seinen Rücktritt erklärt. "Mit Ende der heutigen Mitgliederversammlung treten wir von unseren Ämtern als Präsident und Vizepräsidenten des 1. FC Köln zurück", sagte Overath. Neben Overath, der den Verein sieben Jahre anführte, treten auch seine zwei Vize-Präsidenten Jürgen Glowacz und Friedrich Neukirch zurück. Das Trio bildete den Vorstand.

Rolf Martin Schmitz, der Vorsitzende des Verwaltungsrats, hatte bereits zuvor verkündet, sich aus beruflichen Gründen nicht mehr zur Wahl des Verwaltungsratsvorsitzenden zu stellen.

Im Zuge der äußerst turbulenten Versammlung, die erstmals in der "Lanxess Arena" stattfand, kam es zu Handgreiflichkeiten und Tumulten. Mehrere Personen mussten von den Ordnern abgeführt werden.

Warum ist Overath zurückgetreten? Offizielle Version: "Die Belastung in den letzten Monaten war für uns alle, die wir beruflich noch stark engagiert sind, sehr hoch." So steht es in der Pressemitteilung des FC-Vorstands. Zwischen den Zeilen ließ Overath aber erkennen, was der Hauptgrund für den Rückzug war: die ständigen Kritiken und teilweise auch Anfeindungen von einigen Fan-Gruppierungen.

"Wir sind letztes Jahr auf der Versammlung verunglimpft und beleidigt worden. So etwas hatte ich vorher nicht erlebt. Ich weiß, dass es nur eine kleine Gruppe war - die anderen sind nicht so. So etwas nervt. Es hat mich geärgert, wie die Menschen bösartige und nie konstruktive Kritik geäußert haben", sagte Overath in seiner Rede. "Die persönliche Belastung war in den letzten Jahren zu groß."

Erst vier Tage vor der Mitgliederversammlung veröffentlichten 30 FC-Fangruppierungen einen Brief, in dem sie den Vorstand "verantwortlich für die finanziellen, strukturellen und öffentlichen Verfehlungen der letzten Jahre" machten und ihn aufforderten, den Hut zu nehmen.

Overath äußerte sich am Ende der Versammlung nicht weiter zu seinen Beweggründen. Ex-Vizepräsident Neukirch erklärte, die Entscheidung sei abschließend Samstagabend getroffen worden.

Im Zentrum von Overaths Empörung stand und steht die Faninitiative "FC-Reloaded". "Wer genau zugehört hat, weiß, warum und weshalb ich zurücktrete. Nur eins: Der Herr von Reloaded, der mit den Haaren da (Stefan Müller-Römer, Anm. d. Red.), erwartet von uns allen Respekt im Umgang", sagte Overath. "Schauen Sie sich seine Seite im Internet an, dann wissen sie, was Respekt bedeutet."

Die Initiative "FC-Reloaded" strebt "eine Satzungsänderung an, die (interessierte) Mitglieder künftig stärker am Vereinsleben teilhaben lässt, die mehr Transparenz und ein Gleichgewicht der Kräfte schafft, die bei klaren Entscheidungsstrukturen trotzdem für mehr Kontrolle der handelnden Personen sorgt und die im Krisenfall den Mitgliedern mehr Chancen gibt, rechtzeitig einzugreifen."

Müller-Römer sagte am Sonntag: "Mir schmeckt das auch nicht, dass ich hier zum Königs-Mörder gemacht werde. Ich bin Sprecher dieser Initiative. Einer musste ja dazu stehen." Außerdem betonte er während seiner Rede, die von einem gellenden Pfeifkonzert begleitet wurde, dass es der Initiative "nicht um Einflussnahme im sportlichen Bereich" gehe: " Bei uns steht die Änderung der Satzung im Mittelpunkt."

Diese wurde erstmal vertagt (gegen Ende der Jahreshauptversammlung sprachen sich 82,5 Prozent der Mitglieder dafür aus) - Overath ist hingegen jetzt schon weg.

Wie geht es jetzt beim FC weiter? Der neue starke FC-Mann ist vorerst Werner Wolf, der in einer konstituierenden Sitzung, die unmittelbar nach der Mitgliederversammlung stattfand, vom 17-köpfigen Verwaltungsrat zum Vorsitzenden gewählt wurde. Josef Sanktjohanser wurde zum Stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Wolf führt den Verein vorerst als Interimspräsident an. In den kommenden Monaten muss eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen werden und der Verwaltungsrat muss bis dahin einen neuen Vorstand vorschlagen.

Mit Stadionsprecher Michael Trippel, Georg Melcher und Thomas Klein wurden erstmals drei Mitglieder in den Verwaltungsrat gewählt, die von den Mitgliedern vorgeschlagen wurden - ein Vorgriff des Vereins, um den Vereinsmitgliedern mehr Einfluss in der Klubführung zu geben. Neu sind ebenfalls Kölns Oberbürgermeister Jürgen Roters und Franz-Josef Wernze, der dem Klub als Investor bei Transfers hilft.

Der "FC-Reloaded"-Kandidat Jörg Heyer verpasste den Sprung ins Gremium. Der ehemalige Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma, der sich zu Gesprächen mit "FC Reloaded" getroffen hatte, wurde erst im zweiten Anlauf bestätigt. Konstantin Neven DuMont wurde nicht im Amt bestätigt.

Detail am Rande: Im Gegensatz zum Vorjahr, als die Mitglieder dem Vorstand die Entlastung verweigerten, entlasteten sie ihn diesmal. Allerdings verweigerten immer noch 33,6 Prozent der Mitglieder die Entlastung. Der (alte) Verwaltungsrat wurde hingegen mit 87,2 Prozent um einiges deutlicher entlastet.

Was bedeutet der Overath-Rücktritt für das Team? Sportdirektor Volker Finke war vom Overath-Rückzug genau so überrascht, wie alle anderen auch. "Ich habe das Konzept meiner Rede komplett umgeworfen, weil ich betroffen bin vom Start dieser Versammlung", sagt er. Finke erhielt von den Mitgliedern so wie Coach Stale Solbakken viel Applaus.

Abgesehen von der Unruhe, die den Verein wieder einmal getroffen hat, hat der Overath-Rücktritt auf das Team erstmal keinen direkten Einfluss. Finke und Solbakken genießen das volle Vertrauen des Vereins, was auch in der FC-Pressemitteilung klar zum Ausdruck kam: "Der 1. FC Köln ist für die Zukunft gut aufgestellt. Die von uns verpflichtete sportliche Leitung mit Sportdirektor Volker Finke und Trainer Stale Solbakken macht einen tollen Job. Die Mannschaft hat genügend Potenzial."

Es gibt allerdings nicht wenige Fans, die sich jetzt noch größere Sorgen um den Verbleib von FC-Idol Lukas Podolski machen. "Ich habe immer wieder betont, dass mir nicht nur in der Kapitänentscheidung, sondern auch in anderen Dingen der Rückhalt der Verantwortlichen gefehlt hat", sagte Podolski erst Anfang November bei "Sky": "Und dazu stehe ich immer noch."

Overath ist ein Freund von Podolski, zu anderen im Klub hat Podolski ein distanzierteres Verhältnis. Außerdem hat Overath aufgrund seiner guten Kontakte viele Sponsoren zum FC gebracht - ein nicht zu unterschätzender Faktor bei einem Verein, den große finanzielle Probleme plagen.

"Wolfgang Overath ist der 1. FC Köln. Er lebt und leidet für den Klub Tag und Nacht. Er tut alles für den FC. Er besorgt Sponsoren, er redet mit den Spielern. Es gibt keine Alternative zu ihm", sagte Podolski noch im Juni dem "Express".

Reaktionen:

Volker Finke: "Ich muss mich selbst sortieren. Ich habe in extrem wichtigen Situationen neben dem Vorstand gesessen. Ich weiß, was das bedeutet, dass irgendwo eine Grenze erreicht wird, an der man zurücktritt."

Stale Solbakken: "Ich finde es jetzt komisch, über Sport zu sprechen, wenn so etwas passiert."

Vize-Kapitän Sascha Riether: "Für die ganze Mannschaft war es ein Schock. Wir waren sprachlos, hatten nicht mit dieser Entscheidung gerechnet. Es ist sehr verwunderlich, dass diese Entscheidung passiert ist, gerade aufgrund der Situation, die wir jetzt haben. Wir haben gedacht, jetzt gibt es ein wenig Ruhe, dann kommt der nächste Schock. Das müssen wir erst einmal verkraften."

Ein FC-Mitglied auf der Versammlung: "Fritz Schramma und Müller-Römer sind die Schuldigen. Lasst euch doch zum Präsidenten wählen. Aber wehe, ihr schafft es nicht, Lukas Podolski zu halten. Dann ist was los."

"Der FC in seiner Gesamtheit, bestehend aus Mitgliedern und Vorstand, aus Opposition und Führung, pisst sich förmlich ins eigene Blumenbeet, wo Volker Finke und Stale Solbakken gerade ein zartes Pflänzchen züchten. So sieht es aus, das Produkt des sinnlosen Kampfes um Macht und Glorie."

SPOX-User themarsvoltaire in seinem Blog-Beitrag: Die Liebe zur Macht

"Doch stattdessen ging man (die Initiative "FC-Reloaded, Anm. d. Red.) lieber hin und begann einen schmutzigen Krieg mit dem Vorstand, gab sich als Stimme aller Mitglieder aus, obwohl die Zahl der Unterstützer immer weiter sank und setzte Journalisten unter Druck, um Medienpräsenz zu bekommen, die der Sache überhaupt nicht mehr gerecht war. Obwohl sich ein großer Teil der Kölner Fans von der Gruppe und ihren fragwürdigen Methoden distanziert hat, tat man so, als würde man für alle Fans sprechen und im Interesse des Vereins handeln. Man konzentrierte sich darauf, dem Verein den Kopf abzuschlagen, statt darüber nachzudenken, mit welchem Kopf danach noch gedacht werden soll."

SPOX-User Zyrock in seinem Blog-Beitrag: Willkommen im Chaos

Kommentar von SPOX-User DJLukepaul : "Unglaublich und unfassbar. Poldi geht auch...das steht für mich heute fest!"

Alle Infos zum 1. FC Köln