Uli Hoeneß: "Grenzwertig, aber nie unmenschlich"

Von Interview: Fatih Demireli
Uli Hoeneß ist seit über 40 Jahren beim FC Bayern München
© Imago

Franz Beckenbauer ist die Lichtgestalt des deutschen Fußballs, Uli Hoeneß der Macher schlechthin. Am 5. Januar wird Hoeneß 60 Jahre alt. Bei SPOX spricht der Präsident des FC Bayern München über sein Lebenswerk, Arbeitsethos und familiäre Prägung, die deutsche Streitkultur und ein Leben als Sechziger - pardon! - Sechzigjähriger. Am Anfang steht ein Rückblick auf 1982 und einen Flugzeugabsturz, der ihn fast das Leben gekostet hätte.
 

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SPOX: Herr Hoeneß, wenn Sie auf Ihr bisheriges Leben zurückschauen: Sind Sie ein Glückskind?

Uli Hoeneß: Jeder von uns hat irgendwann mal Glück. Man nimmt ein Flugzeug früher oder später oder einen Zug oder kommt nicht in einen Crash auf der Autobahn, weil man noch zehn Minuten Kaffee getrunken hat. Wenn ich zum Beispiel am Ende meiner Karriere nach Hamburg und nicht nach Nürnberg gegangen wäre - wer weiß, ob ich dann Manager geworden wäre. Die Wurstfabrik in Nürnberg hätte ich auf keinen Fall. Das war nur möglich, weil ich dort Werner Weiß kennengelernt habe. (Weiß wurde Hoeneß' Geschäftspartner der Wurstfabrik HoWe, d. Red.). Dann hatte ich natürlich großes Glück bei meinem Flugzeugabsturz 1982. Ansonsten bin ich nicht der Meinung, dass ich so ein großes Glückskind bin. Hinter dem Erreichten steckt sehr viel Arbeit.

SPOX: Haben Sie Erinnerungen an Ihren Flugzeugabsturz?

Hoeneß: Nein. Ich hatte einfach nur Glück. Ich war auf dem Weg nach Hannover zum Länderspiel zwischen Deutschland und Portugal. Ich wollte vorher noch einen Manager von Langnese treffen und hatte einen meiner besten Freunde mitgenommen. Er hatte Flugangst, er war vorher noch nie in einem kleinen Flugzeug gesessen. Er ist mitgekommen, ich saß rechts, er saß links. Kurz bevor ich von der Säbener Straße wegfuhr, rief der HSV an und fragte an, ob Schatzmeister Naumann mit uns mitfliegen könne. Eine halbe Stunde vor Abflug hieß es, Naumann schafft es nicht. Die große Frage ist: Wo wäre ich gesessen, wenn er mitgeflogen wäre? Nur einer hat den Absturz überlebt. Ich, weil ich hinten rechts saß.

SPOX: Ihr Stammpilot fiel für diesen Flug aus.

Hoeneß: Ja, es ist verrückt. Ich hatte immer einen professionellen Piloten der Bundeswehr, der in seiner Freizeit für die Chartergesellschaft geflogen ist. An diesem Tag konnte er nicht, weil er auf Kreta war. Ich fahre zum Flughafen und da kam mir der Wolfgang Junginger entgegen und sagt: 'Uli, ich bin heute dein Pilot.' Wir kannten uns vom Skifahren, aber ich wusste nicht, dass der ein Flugzeug fliegen kann. Es war ein ganz ruhiger Flug, wir flogen über Nürnberg und dann war ich weg. Von Nürnberg bis zum nächsten Morgen im Hannoveraner Krankenhaus, als meine Frau und Paul Breitner am Bett saßen, weiß ich nichts mehr.

SPOX: Wieso ist die Maschine abgestürzt?

Hoeneß: Sie wollten landen. Offenbar haben sie dabei vergessen, den Hebel reinzuschieben, der das Gemisch ändert, wenn man die Höhe ändert. Die letzten Worte in der Box waren: 'We have engine troubles!' Es waren noch 200 Liter Sprit im Tank. Das Flugzeug hat Bäume gestreift und ist in der Mitte auseinandergebrochen. Ich war nicht angeschnallt. Die Suchmannschaften haben uns erst nach einer Stunde gefunden. Ein Jäger, der den Polizeifunk abgehört hatte, hat das Flugzeug gesucht und mich gefunden.

SPOX: Wann sind Sie wieder in ein Flugzeug gestiegen?

Hoeneß: Eine Woche später, als ich von Hannover nach München zurück musste. Gott sei Dank kommt das auch beim größten Nachdenken nicht mehr zurück. Ich bin heute im Flugzeug unruhig, aber nicht panisch.

SPOX: Ist der FC Bayern ein Glücksfall für Sie?

Hoeneß: Ich hatte das Glück, nach meinem Karriereende mit 27 vom damaligen Präsidenten Wilhelm Neudecker angerufen zu werden. Es war mein Traum, als Manager zu arbeiten. Ich wollte nie Trainer werden, ich wollte Fußball-Manager werden und am liebsten bei Bayern München. Ich hatte eine Vision. Ich wollte einen Fußballverein machen, der viele Zuschauer hat, die den Verein aber nicht refinanzieren. Es sollten andere Einnahmequellen erschlossen werden.

SPOX: Das ist Ihnen ja ganz gut gelungen.

Hoeneß: Dafür haben wir hart gearbeitet. Die Säbener Straße war keine Parklandschaft wie heute. Unser Gelände sieht ja mittlerweile wie ein Stück Englischer Garten aus, mit Bäumen, Kunstrasen und Rasenplätzen, die im Winter noch alle grün sind. Man könnte hier Golf spielen. In den 70er Jahren war zwischen November und Mai kein Grashalm drauf, und umgezogen hat man sich in der Holzhütte beim Opa Remm, der mit seinem Stumpen die Schuhe geputzt hat. Wir haben die Lederbälle selbst geflickt, wenn sie kaputt waren.

Teil 2: Hoeneß über den Bundespräsidenten und seinen Ruhestand