Molinaro: "Ich wurde sogar in China erkannt"

Von Interview: Haruka Gruber
Cristian Molinaro gelang beim VfB Stuttgart der Sprung in Italiens Nationalteam
© Imago

Mit Fleiß, Flanken und erstaunlichem Sprachtalent hat sich Cristian Molinaro in Stuttgart unersetzlich gemacht. Der 28-Jährige über seinen ungewöhnlichen Weg vom Professoren-Sohn zum italienischen Nationalspieler.

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SPOX: Herr Molinaro, warum geben Sie so wenige Interviews?

Cristian Molinaro: So richtig weiß ich es nicht. Ich gebe gerne Interviews, weil es immer eine Form der Anerkennung ist. Vielleicht denken die meisten Journalisten, dass ich nur italienisch spreche, und fragen deshalb nicht an.

SPOX: Dabei beherrschen Sie die deutsche Sprache für jemanden, der erst seit zwei Jahren in Deutschland lebt, sensationell gut.

Molinaro: So gut ist mein Deutsch auch wieder nicht, dennoch vielen Dank für das Lob. Mir half es in Stuttgart anfangs sehr, dass Zdravko Kuzmanovic und Stefano Celozzi sowie der damalige Trainer Christian Gross fließend italienisch können und mich schrittweise an das Deutsch herangeführt haben. Im Deutsch-Unterricht die Grammatik zu lernen, ist wichtig. Aber erst mit Hilfe der Teamkollegen lernt man die Feinheiten in der Kabine, wo ein ganz anderes Deutsch gesprochen wird.

SPOX: Woher kommt Ihr Fleiß?

Molinaro: Ich muss mich gar nicht überwinden. Sprachen zu lernen war für mich schon immer mehr Spaß denn Pflicht. Wenn ich nicht Fußballer geworden wäre, hätte ich wohl irgendetwas mit Sprachen studiert. Mir war es gleich nach dem Umzug nach Deutschland wichtig, so schnell wie möglich kommunizieren zu können: Sich mit dem Trainer und den Spielern austauschen, selbst im Restaurant etwas bestellen, die Kinofilme verstehen. Es hat zudem etwas mit Respekt zu tun für das Land, in dem man als Gast lebt. Daher gab ich die ersten drei, vier Monate mit meiner Lehrerin richtig Gas und mache jetzt alleine weiter. Ins Trainingslager nach Belek brachte ich wieder Bücher mit Sprachübungen mit. Und durch die Gespräche mit den anderen Spielern merke ich mir jeden Tag mindestens ein neues Wort.

SPOX: Sie wirken so gar nicht wie der typische Fußball-Legionär.

Molinaro: Vielleicht bin ich wirklich etwas anders. Mir ist es wichtig, mich in ein Kollektiv einzubringen. Ich erzähle viele Witze, lache gerne und oft und versuche nie mit schlechter Laune in die Kabine zu gehen. So etwas gehört für mich zur Pflicht für jeden Arbeitnehmer. Mir wurde seit der Kindheit vorgelebt, was es heißt, gut zu arbeiten.

SPOX: Im Ausland gelten Deutsche als besonders fleißig. Fühlen Sie sich deutsch?

Molinaro: Das nicht, ich bin Italiener durch und durch. Aber man passt sich an. Im italienischen Fußball wird mehr lamentiert, und wenn ein Schiedsrichter einen Fehler begeht, springt die gesamte Bank auf. Ich muss zugeben, ich habe früher genauso mitgemacht. In Deutschland hingegen geht eher der Kapitän zum Schiedsrichter und diskutiert, ansonsten bleiben die meisten ruhig und konzentrieren sich auf ihre Arbeit. Das gefällt mir.

SPOX: Wie sind Sie aufgewachsen?

Molinaro: Ich komme aus einem Dorf in der Nähe von Neapel. Im positivsten Sinne geht es dort noch konservativ zu, mit Werten und einem großen Zusammengehörigkeitsgefühl. Beispielsweise bin ich mit meiner heutigen Ehefrau bereits auf die Schule gegangen. Als wir zusammenkamen, war ich 14.

SPOX: Sie haben jedoch erst vergangenen Sommer nach 13 Jahren Beziehung geheiratet. Warum so spät?

Molinaro: Ich habe etwas länger gebraucht. (lacht) Die richtige Situation ergab sich in den letzten Jahren auch nicht, weil ich nach Stuttgart gegangen bin und sie erst in Siena und dann in Madrid gelebt hat, um dort zu arbeiten. Letztes Jahr zog sie zu mir nach Stuttgart - und da gab ich mir einen Ruck und habe die Frage gestellt.

SPOX: Aus was für einem Elternhaus stammen Sie?

Molinaro: Einem akademischen. Mein Vater ist Professor für Sportwissenschaften, meine Mutter Professorin für Grundschulpädagogik. Sie fanden in der Erziehung die richtige Mischung. Sie brachten mir bei, dass hundertprozentige Arbeit, Respekt und die Konzentration auf das Wesentliche das Wichtigste seien, aber dass das Lachen nicht vergessen werden sollte.

SPOX: Was sagt ein Professoren-Paar, wenn der eigene Sohn Fußball-Profi werden will?

Molinaro: Meine Mutter wollte das nicht. Ihr gefiel es nicht, dass ich schon mit 17 Jahren 100 Kilometer entfernt vom Elternhaus bei Salernita unterschrieben habe. Entscheidend war für sie, dass ich mein Abitur mache. Danach bat mich mein Vater abends zu einem Gespräch. Es gehörte zu den Momenten, die das Leben für immer verändern. Mein Vater stellte mir anfangs nur eine Frage: "Was willst du in deinem Leben machen?" Zur Wahl stand eine Universitäts-Karriere, eine Ausbildung oder eben der Fußball. Ich antwortete: Fußball.

SPOX: Kommt nach der Sport-Karriere ein Studium in Betracht?

Molinaro: Eigentlich nicht. Ich möchte wie 90 Prozent aller anderen Profis im Fußball bleiben, daher denke ich eher an eine Trainerausbildung. Das war auch ein Randaspekt, um nach Stuttgart zu kommen. Ich wollte eine neue Fußball-Kultur kennenlernen und mich fortbilden.

SPOX: Mit Ihren Deutsch-Kenntnissen könnten Sie sogar in der Bundesliga als Trainer arbeiten. Giovanni Trapattoni hatte wesentlich schlechtere Voraussetzungen.

Molinaro: Das kann sein. (lacht) Ich habe mir Trapattonis Pressekonferenz im Internet schon häufiger angeschaut und mich amüsiert. Andererseits muss ich Herrn Trapattoni in Schutz nehmen: Er hat als Trainer alles gewonnen und suchte dennoch die Herausforderung mit dem Wechsel nach Deutschland. Wie mir erzählt wurde, hat er sich Deutsch sogar alleine beigebracht - und das in einem Alter, in dem es für jeden schwieriger wird, etwas Neues zu lernen. Sein Deutsch mag nicht so korrekt sein, trotzdem ist er mir sehr sympathisch.

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