SPOX: Haben Sie so viel gearbeitet, weil Sie auf eigenen Beinen stehen wollten?
Simons: Nein, bis ich 23 war, wohnte ich bei meinen Eltern. Mit dem Wechsel nach Brügge nahm ich mir meine erste eigene Wohnung. Ich habe so viel gearbeitet, weil ich früh ein Ziel hatte: Ich wollte investieren. Mein Vater gab mir den Tipp, dass es Sinn macht, eine Immobilie zu erwerben und weiter zu vermieten. Das würde sich spätestens nach 10, 15 Jahren rentieren. Deswegen habe ich mit 15 das Sparen angefangen und mit 19 meine eigene Eigentumswohnung in der Nähe meines Heimatdorfs gekauft. Das war mein erstes Investment. Ich besitze sie immer noch und sie wird fleißig weitervermietet. (lacht)
SPOX: Wie denken Sie jetzt, als privilegierter Fußball-Millionär, über Ihre Vergangenheit?
Simons: Dass sich im Grunde nicht viel verändert hat. Ich war damals nicht unglücklicher als heute. Im Trainingslager residierten wir neun Tage in einem Hotel, in den es uns an nichts gefehlt hat, und mussten uns um nichts anderes kümmern außer trainieren, essen und schlafen. Das ist sehr nett - aber manchmal vermisse ich das Leben als Arbeiter. Um 6 Uhr aufstehen, um 7 Uhr zur Arbeit, um 17 Uhr weiter zum Training, das hatte was.
SPOX: Erst mit 21 Jahren setzten Sie auf die Karte Fußball und gingen zum damaligen Erstligisten Lommel, wo Sie erstmals modernes Taktiktraining erhielten. Bis dahin spielten Sie in der althergebrachten Manndeckung mit Libero. Waren Sie überfordert?
Simons: Überfordert war gar kein Ausdruck. Ich habe vorher als Libero zwar nicht 10, 20 Meter hinter der Abwehr gespielt und teilweise schon im Raum verteidigt, trotzdem war alles neu für mich. Vom Trainer wurde ich häufig ausgeschimpft. Zum Glück ging es einigen Mitspielern nicht viel besser, weil in Belgien flächendeckend erst langsam auf die Viererkette umgestellt wurde. Wir hatten keine Ahnung, was es sollte, auf einen Libero zu verzichten. Überraschenderweise lernte ich recht schnell, worauf es in der Raumdeckung ankommt.
SPOX: Hatten Sie ein Vorbild?
Simons: Franky van der Elst. Er war immer mein Lieblingsspieler, weil er ein so modernes Verständnis von Fußball hatte. Sein Auge, sein Positionsspiel, seine strategischen Fähigkeiten, außerdem wurde seine Laufarbeit immer unterschätzt. Ich habe mir so viel wie möglich von ihm abgeschaut.
SPOX: Sie gehörten in Brügge zu jenen Spielern, die den zurückgetretenen van der Elst ersetzen sollten. Nach fünf erfolgreichen Jahren wechselten Sie nach Eindhoven.
Simons: Ich war bereits 28, dennoch fiel mir die Umstellung nicht leicht. In Belgien stand damals die Physis im Vordergrund, in Eindhoven hingegen ging es vor allem um das Fußballerische. Zack, Zack, Zack, der Ball ist selbst im Training so schnell gelaufen, dass ich zu Beginn kaum hinterherkam. Ich höre immer wieder, dass meine ehemaligen Mitspieler Ilkay Gündogan und Mehmet Ekici in Dortmund und Bremen enttäuschen würden. Ich hingegen habe Verständnis, weil ich genau weiß, wie schwierig es ist, sich plötzlich in einem neuen Umfeld wiederzufinden. Und damals war ich fast 30, während Gündogan und Ekici erst am Anfang ihrer Karriere stehen. So ein Wechsel ist komplizierter, als viele glauben.
SPOX: Sie sind nicht nur in Nürnberg als Mentor für die jungen Spieler von großer Bedeutung. Sie sollen zudem die belgische Nationalmannschaft anführen. Warum gelang ihr erneut nicht die Qualifikation für ein Großturnier, obwohl das Team gespickt ist mit großen Talenten?
Simons: Ich weiß nicht, ob man überhaupt einen Schuldigen suchen sollte. Die Spieler, die Trainer, der Verband, alles spielte in der Vergangenheit mit rein. Vor allem hat es zu lange gedauert, bis alle das Einsehen hatten, dass Teamgeist die wichtigste Eigenschaft ist. Dass man nur als Mannschaft und nicht als Einzelspieler erfolgreich sein kann. In den letzten ein, zwei Jahren gelang uns aber ein wichtiger Schritt: Hut ab vor den jungen Spielern, die verstanden haben, dass man neben Lockerheit ebenso Ernsthaftigkeit benötigt. Von daher glaube ich, dass wir bei der WM 2014 dabei sein werden. Es ist mein großes Ziel zum Ende meiner Karriere. Die Mannschaft hätte dann eine perfekte Struktur mit Routiniers wie mir und Daniel van Buyten, den Spielern zwischen 24 und 28 wie Vincent Kompany, Thomas Vermaelen oder Marouane Fellaini und den ganz Jungen wie Romelu Lukaku und Eden Hazard.
SPOX: Hazard wird von fast jedem europäischen Spitzenklub gejagt. Was ist so besonders an ihm?
Simons: Er ist einfach gut, richtig gut. Ein geiler Spieler.
SPOX: Der nächste Zinedine Zidane, wie es häufig heißt?
Simons: Er ist kein Zidane, er ist Eden Hazard. Er spielt ganz anders, von daher kann man sie gar nicht vergleichen. In zehn Jahren kann es gut sein, dass zu einem neues Talent gesagt wird: "Hey, das ist der neue Eden Hazard." So gut ist der Junge. Es ist der Wahnsinn, wenn ich mir vorstelle, wie unreif ich als 18-, 19-Jähriger war und wie weit jemand wie Hazard ist. Im Gegensatz zu ihm war ich nie ein Genie.
SPOX: Neben Hazard soll zukünftig Dries Mertens eine wichtige Rolle in Belgien zukommen. Mit 13 Toren und 11 Assists in 17 Erstliga-Spielen ist er die Sensation bei Ihrem Ex-Klub Eindhoven. Was kann er?
Simons: Er ist sehr schnell, hat ein gutes Auge, schießt entscheidende Tore und hat die nötige Giftigkeit im Spiel gegen den Ball. Am auffälligsten an ihm ist jedoch seine Intuition: Er weiß immer genau, ob er den Ball mit einem Kontakt weiterzuspielen hat oder ob er die Eins-gegen-Eins-Situation suchen soll. Wenn er so weitermacht, ist Eindhoven nur eine Zwischenstation.
SPOX: Die Bayern sollen ihn beobachten. Würde ein Wechsel nach München Sinn machen, nachdem Marco Reus lieber nach Dortmund geht?
Simons: Ich traue Dries den Sprung zu. Er ist mit dem Ball am Fuß nicht ganz so schnell wie Reus, ansonsten bewegt er sich auf dem gleichen hohen Niveau. Dries hat mich schon gefragt, was ich von den Bayern halte und wie mir die Bundesliga gefällt. Ich habe ihm gesagt, dass es eine geile Liga ist!
Timmy Simons im Steckbrief