"Meine Herren, wir sind schön. Wir tragen schöne Trainingsanzüge und haben schöne Haare. Wenn wir jetzt ins Stadion gehen, werden uns alle, die uns sehen, bewundern. Meine Herren, dann kommt der Moment, in dem wir unsere schönen, weißen Geigenkästen auspacken. Daraus holen wir dann unsere Maschinengewehre! Und machen mit unseren Gegnern Rattattatta."
Es ist mittlerweile fast 16 Jahren her, dass Otto Rehhagel Trainer des FC Bayern war. Von seinen legendären Kabinenansprachen erzählt man sich in München allerdings noch heute. Auch in Bremen und Kaiserslautern weiß man noch viele nette Anekdoten aus der Zeit zu berichten, in der Rehhagel als Chefcoach das Sagen hatte.
Michael Preetz: "Brauchen erfahrenen Trainer"
Ab sofort produziert der mittlerweile 73-Jährige wieder neue Geschichten. Rehhagel ist zurück in der Bundesliga. Der dreimalige Meistercoach ist neuer Trainer bei Hertha BSC. Dieses Mal allerdings geht es nicht um Titel. Rehhagel soll Berlin vor dem Abstieg retten, nichts anderes.
"Wir sind aktuell in eine schwierige Situation gekommen. Insofern sind wir überzeugt, dass wir in dieser Situation einen erfahrenen Trainer wie Otto Rehhagel brauchen, um unsere Ziele am Ende der Saison zu erreichen", sagte Michael Preetz.
Tipp von Calmund
Herthas Manager ist mit Rehhagels Verpflichtung ein echter Coup gelungen. Nach der Entlassung von Michael Skibbe waren viele Namen in Berlin gehandelt worden: Krassimir Balakow, Holger Stanislawski, Ralf Rangnick, Thomas Doll oder Andries Jonker. Mit Rehhagel hatte niemand gerechnet.
Den Tipp hatte Preetz von Reiner Calmund bekommen und Rehhagel daraufhin kontaktiert. Der sagte nach kurzer Bedenkzeit am Freitag zu. "Wir sind sehr froh, dass wir diese Lösung mit Otto Rehhagel bis zum Saisonende gefunden haben", sagte Preetz.
Preetz verschafft sich Luft
Der Manager hat sich dadurch auch erstmal selbst Luft verschafft. In den letzten Monaten war der 44-Jährige gehörig unter Druck geraten. Zunächst die Posse und anschließende Trennung von Markus Babbel, anschließend der völlig verkorkste Rückrundenstart samt Blitz-Entlassung von Michael Skibbe.
Bei alledem hatte Preetz keine gut Figur abgegeben. Nun allerdings ist er erstmal aus der Schusslinie. Dank Rehhagel. Der Bundesliga-Rekordtrainer (820 Spiele) zieht die Aufmerksamkeit auf sich, steht gerne in der ersten Reihe und dient damit als Schutzschild für Mannschaft und Manager.
Bei Rehhagels Vorstellung funktionierte das schon gut: kein einziger Journalist stellte Preetz eine Frage, alle fokussierten sich auf "König Ötto". So kann Preetz in den kommenden Wochen auch in aller Ruhe nach einem Nachfolger suchen. Denn fest steht: Rehhagel wird seinen Posten nach der Saison wieder räumen.
Liga freut sich auf Rehhagel
Zwölf Spiele hat er nun noch Zeit, den Abstieg zu verhindern. Die große Frage allerdings: Schafft Rehhagel das? Ein 73-Jähriger, der letztmals vor zwölf Jahren in der Bundesliga auf Trainerbank saß. Einer, der nach eigener Aussage nur ein Hertha-Spiel in dieser Saison gesehen hat und Berlins "junge Spieler nicht alle" kennt.
"Er ist ein absoluter Fachmann. Ich habe keine Bedenken", sagt Thomas Schaaf, der Rehhagel in Bremen 14 Jahre lang erlebt hat. "Ich halte ihn für einen fantastischen Trainer. Ich habe das große Vergnügen gehabt, unter ihm trainieren zu dürfen", so Markus Babbel, einst Rehhagel-Schützling in dessen Bayern-Zeit.
In der Liga freut man sich, Rehhagel zurück zu haben. Doch es gibt auch kritische Stimmen. Und ausgerechnet einer, der mit Rehhagel lange ganz eng zusammengearbeitet hat, äußert Bedenken.
"Das Geschäft hat sich dramatisch verändert. Und zwar nicht nur das Fußballspiel an sich. Ich meine das ganze Drumherum mit den vielen Menschen, die heute mitreden wollen. Oder nehmen Sie nur die Macht, die die Spielerberater heute teils haben. Das ist etwas, was ihm garantiert nicht gefallen wird", sagt der ehemalige Werder-Manager Willi Lemke.
Wie nah dran ist Rehhagel noch?
Rehhagel selbst will vom Drumherum allerdings gar nichts wissen. "Ich rede nur noch über Fußball. Sie brauchen ab morgen keine Frage mehr zu stellen, die nichts mit dem Fußball zu tun hat", sagte er in Richtung der Journalisten.
Doch wie nah ist Rehhagel eigentlich noch dran am Fußball? 2010 endete sein Engagement als Nationaltrainer in Griechenland. Tagtäglichen Trainingsbetrieb hatte Rehhagel seit über einem Jahrzehnt nicht mehr. Seitdem hat sich viel getan, vor allem spieltaktisch.
Mit Rene Tretschok und Ante Covic bekommt er in Berlin deshalb zwei junge Trainer zur Seite gestellt, die näher dran sind an Dingen wie Matchplan, Gegenpressing oder Umschaltspiel.
Anfangen kann Rehhagel mit den im heutigen Fußball häufig gebrauchten Begrifflichkeiten ohnehin nicht viel, daraus macht er keinen Hehl. "Die Frage ist doch: Willst du modern absteigen oder modern in der Liga bleiben?", sagte Rehhagel in der "BamS".
Rehhagel: "Bin der Spiritus Rector"
Verschließen will er sich dem Fortschritt aber nicht. "Ich habe noch nicht ausgelernt. Ich werde mich intensiv mit Tretschok und Covic austauschen", sagt er. Der Chef allerdings, das betont er, ist er. "Die Jungs machen die Arbeit. Ich werde aber immer dabei sein und eingreifen. Ich bin der Spiritus Rector."
Die Bühne, so war es bei Rehhagel schon immer, soll auch in Berlin nur ihm gehören. Darin allerdings liegt auch Herthas Hoffnung. Rehhagel ist der neue Frontmann, er wird als Blitzableiter dienen und in der Öffentlichkeit das Gesicht der Hertha sein.
Klappt es mit dem Klassenerhalt, wird auch er es sein, der den großen Ruhm erntet. Das weiß man in Berlin. Und wenn es schief geht? Dann werden sie sich in der Hauptstadt zumindest wohl auch in ein paar Jahren noch Geschichten erzählen. Von Geigenkästen und Rattattatta.
Otto Rehhagels Karriere