Es kann nicht viele Gemeinsamkeiten zwischen Bayer Leverkusen und dem 1. FC Köln geben. Wenn dann beide nach einem Bundesliga-Spieltag in einem Atemzug genannt werden, muss Außergewöhnliches passiert sein.
So wie am Abend nach den Samstagspartien des 28. Spieltags. Leverkusen und Köln haben ein Bundesligaspiel verloren, für den FC war es dazu die 500. Niederlage seiner Geschichte. Das allein taugt aber noch nicht für ein gemeinsames Schicksal.
"Prokura in der Trainerfrage"
Unterm Bayer-Kreuz stimmt schon lange nichts mehr. Letzte Woche, nach der Niederlage auf Schalke, hatte Sportdirektor Rudi Völler vordergründig die Mannschaft in die Pflicht genommen und unterschwellig damit auch seinem Trainer Robin Dutt klargemacht: Die Mannschaft ist unverzüglich wieder auf Kurs zu bringen.
Angeblich hätten sich Völler und Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser vor dem Spiel gegen Freiburg vom Gesellschafterausschuss aber "Prokura in der Trainerfrage eingeholt", wie der Sportinformationsdienst schreibt.
Bayer-Bosse demonstrieren Ablehnung
Was sich dann in der BayArena 90 Minuten lang abgespielt hat, ward in der Art in Leverkusen in nunmehr über 30 Jahren Bundesliga nur selten gesehen. Die Fans hatten zuerst noch Mitleid mit ihrer Mannschaft, was an und für sich schon eine schlimme Form der Ablehnung ist. Später wurde daraus beißender Spott.
Völler und Holzhäuser hatte ihre Plätze neben Bundestrainer Joachim Löw da schon längst verlassen. Aus der Halbzeitpause kamen beide nicht mehr zurück, blieben im Bauch der Arena. Man kann kaum ein offensichtlicheres Zeichen setzen.
Dutts Rauswurf "sei wohl schon während des Spiels beschlossene Sache" gewesen, schreibt der Sportinformationsdienst weiter. Andere Insider verweisen auf ein Gespräch, das die beiden Granden am Sonntagvormittag mit dem Übungsleiter führen wollten.
System und Mannschaft? Nicht kompatibel
Der scheint auch schon abgeschlossen zu haben mit dem Kapitel Bayer. Dutt kann ein aggressiver Gesprächspartner sein, wenn er sich ungerecht behandelt fühlt. Nach dem Freiburg-Spiel ließ er die Fragen aber einfach so über sich ergehen.
"Zieht die Mannschaft noch mit?" Dutt: "Es gibt ja keine Argumente momentan, die dafür sprechen." "Was sagen Sie zur Reaktion der Fans?" Dutt: "Die kann ich verstehen. Denn für unsere Leistung gibt es einen Verantwortlichen, und der bin ich. Ich werde mich deshalb mal wieder hinterfragen müssen, was da schief läuft, warum sich meine Mannschaft so präsentiert."
Die Mannschaft spiele "nie gegen den Trainer", versicherte Michal Kadlec. Die Nichtleistung des Teams hatte den Verdacht durchaus nahe gelegt. Wirklich alles, das Dutt im Sommer als Plan oder Spielidee im Gepäck hatte, ist wie vom Erdboden verschluckt.
Das System ist nicht kompatibel mit der Mannschaft - oder eben andersrum. Vielleicht ist es auch Dutts Art, mit der einige Spieler nicht zurecht kommen. Ein paar Kilometer auf der anderen Rheinseite sind die Probleme im Prinzip identisch.
Kölns Auftritt eine Katastrophe
Wie sich der FC eine Woche nach dem 1:6 zu Hause gegen Borussia Dortmund beim FC Augsburg präsentierte, war schlicht eine einzige Katastrophe.
Nachdem der Mannschaft die Passivität der Vorwoche vorgehalten wurde, reagierte sie quasi mit einer Übersprunghandlung in Sachen sinnloser Fouls. Im Schnitt lag alle drei Minuten ein Augsburger Spieler am Boden, am Ende gab es 34 Kölner Fouls zu zählen. Der Ligaschnitt liegt bei 17 pro Partie.
Die weiteren Zahlen des Grauens: Drei lächerliche Torschüsse in 90 Minuten, darunter der Elfmeter zum zwischenzeitlichen Ausgleich. 41 Prozent Fehlpassquote in der ersten Halbzeit. Ein Torhüter, der mehr Ballkontakte (50) hatte als die Hälfte der Feldspieler.
"Man kann ja 1:2 in Augsburg verlieren, die haben einen guten Lauf", sagte Lukas Podolski. "Aber wir haben keine Zweikämpfe gewonnen, wir spielen keinen Fußball, wir haben keine Tormöglichkeiten."
"Kann das Gelaber der Spieler nicht mehr hören"
Der 1. FC Köln bringt derzeit keine Mannschaft im besten Sinn des Wortes auf den Platz. Was sich da versucht, ist eine völlig verunsicherte Ansammlung von Profis, die scheinbar ohne erkennbaren Plan nebeneinanderherlaufen. Ohne einen wieder einmal sehr starken Michael Rensing hätte es in Augsburg das nächste Debakel gegeben.
"Ich kann das Gelaber der Spieler nicht mehr hören. Sie hatten heute die Möglichkeit, 90 Minuten auf dem Platz zu zeigen, dass sie alles tun, hier einen Punkt oder mehr zu holen. Aber das habe ich von überhaupt keinem Spieler gesehen, nur Michael Rensing hat ein paar hervorragende Paraden gezeigt. Ansonsten war das ein Totalausfall der gesamten Mannschaft", war Geschäftsführer Claus Horstmann erbost.
Da weder das Präsidium noch Sportdirektor Volker Finke noch im Amt sind und selbst ein eigenwilliger Klub wie der FC nicht von heute auf morgen große Teile seiner Mannschaft entlassen kann, steht wie üblich der Trainer im Blickpunkt.
Solbakken angeschossen
Solbakken wurde in den letzten Tagen scharf attackiert und wirkte erstmals auch angeschossen. Bei den Fans im Block war der Kredit zu großen Teilen dahin. Die, die den Kopf des Trainers in Augsburg nicht forderten, schwiegen apathisch vor sich hin.
Nach der Partie beim Aufsteiger blieb der Norweger aber bei seiner Überzeugung. "Ich bin enttäuscht, ich trage die Verantwortung für diese Leistung, die für mich nicht akzeptabel war. Aber ich denke, dass ich der richtige Mann bin."
Allerdings räumte Solbakken auch ein: "Mein Gefühl ist, dass ich jeden Tag zur Arbeit gehe und mein Bestes gebe. Wenn andere sagen, dass ich das nicht mehr machen soll, dann ist es ein anderer." Früher als ihm lieb sein dürfte, könnte das der Fall sein.
Nach der Rückkehr nach Köln empfingen rund 50 Anhänger die Mannschaft am Geißbockheim, die ihrem Ärger Luft veschaffen wollten.
Entscheidung am Sonntag
Horstmann und Interimspräsident Werner Wolf kündigten einige Unterredungen für Sonntag an.
"Wir werden erst eine Nacht darüber schlafen und uns dann überlegen, wie wir vorgehen. Zunächst werden wir ein paar Gespräche führen und uns morgen Nachmittag überlegen, was unsere Entscheidung ist. Nicht jetzt in dieser hoch emotionsgeladenen Situation", sagte Wolf.
Am Sonntag fallen die Entscheidungen in Leverkusen und Köln. Ein Trainerrauswurf an ein und demselben Tag wäre ein Novum. Verwundern würde es mittlerweile aber niemanden mehr.
Der 28. Spieltag im Überblick