Die ganze Geschichte begann im Spätsommer 1998. Weil der etatmäßige Elfmeterschütze Anthony Yeboah zuletzt vom Punkt versagte hatte, fasste Frank Pagelsdorf einen ungewöhnlichen Entschluss. Den nächsten Strafstoß, so entschied der damalige HSV-Coach, schießt Jörg Butt, Hamburgs Torwart.
Der HSV-Keeper war zuvor auch schon beim VfB Oldenburg zum Elfmeter angetreten. Nun also war er auch in der Bundesliga gefordert. Seine Premiere hatte Butt schließlich gegen VfL Wolfsburg. Er verwandelte sicher.
Fortan war der damals 24-Jährige Hamburgs Strafstoßschütze Nummer eins - und das lautstarke Intonieren von "Butt! Butt! Butt!" das Ritual der Anhänger nach jedem Elfmeterpfiff. Erst in Hamburg, später auch in Leverkusen.
Butt wird Leiter des Junior Teams
Beim FC Bayern ließ Butt dann anderen brav den Vortritt, wenngleich auch die Fans des Rekordmeisters vor Strafstößen immer wieder nach ihm riefen. Ab der kommenden Saison ist allerdings endgültig Schluss mit "Butt! Butt! Butt!" - weil Butt Schluss macht.
Nach 16 Jahren Profi-Fußball beendet der dann 38-Jährige seine Karriere und übernimmt bei den Münchnern, das steht seit langem fest, die Leitung des "Junior Teams". Offen ist hingegen noch, wer Butts Nachfolger und damit die neue Nummer zwei hinter Manuel Neuer wird.
Sattelmaier und Riedmüller chancenlos
Bislang halten sich die Bayern bedeckt. Offizielle Aussagen gibt es zu diesem Thema kaum. Der neue Keeper müsse, das stellte Christian Nerlinger vor einigen Wochen in der "tz" klar, "von vornherein die Rolle hinter Manuel Neuer akzeptieren". Und immerhin verriet Bayerns Sportdirektor: "Es sollte schon ein gestandener Torwart sein, den man immer reinwerfen kann, also kein blutjunges Talent."
Zwei Torhüter aus den eigenen Reihen fallen damit schon mal durchs Raster: Maximilian Riedmüller und Rouven Sattelmaier, die beiden Keeper der zweiten Mannschaft, zählen mit 24 bzw. 25 Jahren zwar nicht mehr zur Kategorie "blutjung", sind aber noch ohne Einsatz in der ersten oder zweiten Liga und damit quasi ungeeignet.
Weder Sattelmaier noch Riedmüller, da ist man sich intern einig, traut man es zu, Neuer bei einem Ausfall adäquat ersetzen zu können. "Es sind beides ganz ordentliche Torhüter mit unterschiedlichen Stärken", sagte U-23-Coach Andries Jonker der "Süddeutschen Zeitung". Nur: Ganz ordentlich ist eben zu wenig für die Ansprüche des FC Bayern.
Jean-Marie Pfaff: Kein junger Keeper
"Bayern kann sich keine Spieler erlauben, die man noch drei Jahre aufbauen muss", sagt Jean-Marie Pfaff, von 1982 bis 1988 Torhüter in München, im Gespräch mit SPOX. "Bayern München braucht immer Spieler, die von heute auf morgen einsetzbar sind und sich schon bewiesen haben."
Von der Idee, einen jungen Schlussmann mit Perspektive zu verpflichten, hält der Belgier nichts. Denn weil Neuer unumstritten ist, bleibt dem neuen Mann im Normalfall nur der Platz auf der Bank. "Aber ein junger Torhüter will spielen", sagt Pfaff. "Und wenn der zweite Mann spielen will, kriegt man Probleme."
Oliver Kahns Aufstieg zum weltbesten Torhüter
Pfaff hat diese Erfahrung beim FC Bayern selbst schon gemacht. Mit Raimond Aumann lieferte sich er einen erbitterten Konkurrenzkampf, bei dem sich beide Kontrahenten nichts schenkten.
"Bei Torhütern brauchst du eine Hierarchie und Kollegen, die gut zusammenarbeiten und sich gut verstehen", weiß Pfaff seit seiner Zeit in München. Auch Bayerns Verantwortliche zogen aus der damaligen Situation ihre Lehren.
Nach Pfaffs Abgang wurde Aumann zur unumstrittenen Nummer eins erklärt. Auf ihn folgte Oliver Kahn, der mit Sven Scheuer, Bernd Dreher und Stefan Wessels ebenfalls Torhüter hinter sich hatte, die wussten, dass der Platz zwischen der Pfosten an einen anderen vergeben ist, Kahn aber dennoch bedingungslos unterstützen.
Eine Konstellation, die überaus erfolgreich war: Kahn stieg zur deutschen Nummer eins und zum besten Torwart der Welt auf.
Gesucht: Kopie von Butt
Seit vergangenem Sommer knüpft man beim FC Bayern an dieses Beispiel wieder an. Nachdem das Experiment mit Michael Rensing scheiterte und anschließend Jörg Butt und Thomas Kraft das Bayern-Tor hüteten, sind die Fronten nun wieder klar abgesteckt: Mit Neuer gibt es eine klare Nummer eins, mit Butt eine perfekte Nummer zwei.
Nach einer Kopie von Butt fahndet man jetzt in München. Nach einem, der da ist, wenn man ihn braucht, ruhig ist, wenn man ihn nicht braucht und sich uneingeschränkt loyal zu Neuer verhält.
Drobny, Giefer, Trapp, Tremmel?
Einer, auf den diese Beschreibung durchaus zutreffen könnte, ist Jaroslav Drobny. Die Verpflichtung des aktuellen HSV-Keepers, dem in Hamburg ab Sommer Rene Adler vorgesetzt wird, wurde zuletzt schon von mehreren Medien als perfekt vermeldet. Der FC Bayern dementierte allerdings umgehend.
Neben Drobny wurden in der Vergangenheit die Namen Fabian Giefer (Leverkusen), Heinz Müller (Mainz) und Kevin Trapp (Kaiserslautern) mit dem Rekordmeister in Verbindung gebracht.
Auch Gerhard Tremmel (derzeit Nummer zwei bei Swansea City) und Timo Hildebrand (Zukunft auf Schalke noch nicht geklärt) könnten ins Anforderungsprofil passen. Einen "Makel" bringen allerdings alle Kandidaten mit: Zum Elfmeterschützen taugt keiner von ihnen.
Der Kader des FC Bayern im Überblick