Von SPOX-Redakteur Haruka Gruber
Warum sollte das Ende der Saison 2011/12 einhergehen mit dem Ende der Willkür? Beim Jahresabschlussinterview in der "Bild" vor einer Woche bilanzierte Hoffenheim-Gönner Dietmar Hopp die turbulenten Monate - und kam zu einem Schluss: Die Verantwortung für das erneut enttäuschende Abschneiden tragen andere.
Holger Stanislawski sei genau wie dessen profillosem und gleichfalls erfolgslosem Vorgänger Marco Pezzaiuoli nur auf Anraten von Manager Ernst Tanner als Cheftrainer eingestellt worden ("Glücklich war ich mit dieser Entwicklung nicht").
Außerdem habe er, Dietmar Hopp, vehement für den Verbleib von Vedad Ibisevic gekämpft: "Ich habe noch gesagt, dass wir alles versuchen sollten, um ihn zum Bleiben zu bewegen." Dass dieser nach dem Wechsel nach Stuttgart in der Rückrunde 15 Scorer-Punkte verbuchte, sei entsprechend ein weiterer Beweis von Hopps Weitsicht und Tanners Kurzsicht.
Im Zuge dessen disqualifizierte Hopp en passant drei Spieler, die Tanner geholt hatte. "Ich will nicht auf Tanner herumhacken. Aber es war so, dass Spieler gekommen sind wie Gregoritsch, Thesker oder Wieser - um nur einige zu nennen", sagte Hopp - beflissentlich ignorierend, dass diese drei weiterhin Spieler von Hoffenheim sind und deren Marktwert im Falle eines Verkaufs durch die Aussagen deutlich sinken.
Markus Babbel mit großer Machtfülle
All die Fälle zeigen: Dass Hoffenheim auch im dritten Bundesliga-Jahr die nötige Kontinuität vermissen lässt, hängt wesentlich mit dem Wirken Hopps zusammen. Wenn er Verantwortungen gemäß der 50+1-Regelung delegiert, schwächt er die Entscheidungsträger wie nun Tanner mit gezielten oder unbeabsichtigten Indiskretionen. Wenn diese scheitern, sieht sich Hopp in seiner Meinung bestätigt.
Zuletzt äußerte er sich auch kritisch über die Nachwuchsarbeit: "Das Ergebnis ist sicher nicht zufriedenstellend. Das erste Jugendförderzentrum haben wir schon 2000 eingeweiht. In dieser Zeit hätte ich mir schon gewünscht, dass es mal einer schafft", sagt Hopp.
Seine Reaktion: Trotz einer mittelmäßigen Bilanz von 17 Punkten aus 14 Spielen soll Stanislawski-Nachfolger Markus Babbel im Sommer nicht nur als Trainer/Manager die Mannschaft betreuen und zusammenstellen, sondern auch den Übergang zwischen der Jugend und dem Profibereich mitverantworten. Eine enorme Machtfülle, die selbst Ralf Rangnick nicht anvertraut wurde.
Dietmar Hopps Widersprüche
Noch vor zwei Jahren äußerte sich Hopp folgendermaßen: "Eine Doppel-Funktion, wie sie Felix Magath in Schalke hatte, halte ich nicht für sinnvoll. Die Machfülle wäre zu groß. Es braucht ein Regulativ." Derlei Widerspruch bei Hopp ist auch bei der Finanzstrategie des Klubs (sparen oder nicht?) und der sportlichen Zielsetzung (mit aller Macht nach Europa oder nicht?) ein widerkehrendes Phänomen. Dabei ist Hopp gefragter denn je, mit Solidität voranzugehen und so der Mannschaft Halt zu geben.
Denn: Mit Hopps Zustimmung versucht sich Babbel an einem Neuanfang. Mit einer neuen Hierarchie, mit neuen Spielern und einem neuen Kapitän. Ein riskanter, womöglich aber notweniger Einschnitt - der nur gelingen kann, wenn Hopp die nötige Geduld aufbringt.
Von mySPOX-User MarcelPutz
2011/2012 war bereits das zweite Fußballjahr in Folge, in dem es der TSG nicht gelang, personell ein wenig Konstanz in den Verein zu bringen, so wie es viele Jahre zumindest auf Trainer- und Managerposition ein kleines Markenzeichen des Vereins gewesen war. Waren es letztes Jahr Ralf Rangnick und Marco Pezzaiuoli, die den Verein verließen, entließ Hoffenheim dieses Jahr entgegen dem Wunsch der meisten Fans Holger Stanislawski. Hinzu kamen zwei Spieler aus der Herbstmeistersaison 2008, die in der Winterpause den Verein wechselten (nach Luiz Gustavo und Demba Ba letzte Saison Vedad Ibisevic und Chinedu Obasi diese Saison).
Darüber hinaus wurde auch noch Gylfi Sigurdsson nach Swansea verliehen, wo er groß aufspielte (genauso wie Ibisevic bei Stuttgart). Der Personalrochade nicht genug, gesellte sich auch noch Manager Ernst Tanner auf die Liste der Abgänge.
Hoffenheim stagniert
Die logische Folge der personellen Wechsel: Sportlich lief es alles andere als gut. Der starke Start ließ vom internationalen Geschäft träumen, doch er konnte nicht bestätigt werden. Zunehmend verflachten die Leistungen und Hoffenheim purzelte in der Tabelle nach unten, zwischenzeitlich ging sogar die Abstiegsangst um.
Auch wenn Hoffenheim letztendlich doch nie richtig abstiegsgefährdet war und zum Ende der Saison hin kurz sogar die Europa League wieder möglich zu sein schien: Es war schon ein wenig enttäuschend zu sehen, wie Hoffenheim zum dritten Mal in Folge exakt auf Rang 11 landete.
Im Pokal gab es ebenfalls eine Parallele zur letzten Saison: Man scheiterte erneut im Viertelfinale gegen einen Zweitligisten mit 0:1.
Richtige Transferpolitik
Wichtig wäre also, dass man nächstes Jahr nicht wieder unter der Saison große Teile des Personals austauscht. Es muss stattdessen gelingen, Konstanz in den Verein zu bringen. Zumindest Babbel scheint eine solche zu versprechen.
Außerdem wäre es wichtig, dass junge Spieler wie Sebastian Rudy, Roberto Firmino, Jannik Vestergaard oder der eigentlich doch so talentierte Peniel Mlapa den nächsten Entwicklungsschritt machen. Mlapa und vor allem Ryan Babel sind Beispiele für das Problem der Mannschaft: Das vorhandene Potenzial wird zu wenig ausgeschöpft.
Ein weiteres Problem scheint Babbel allerdings schon behoben zu haben. Hatten besonders in der Rückrunde nach dem Abgang Ibisevics noch torgefährliche Spieler gefehlt, verpflichtete Hoffenheim Eren Derdiyok aus Leverkusen, dazu kommt endlich Kevin Volland von 1860 München und mit Rückkehrer Sigurdsson zählt - zumindest Stand heute - ein Spieler zum Kader, der extrem viel Torgefahr ausstrahlt.
Nimmt man die Transfers von Tim Wiese, Stephan Schröck, Mathieu Delpierre und mögliche weitere Einkäufe hinzu, steht einer erfolgreichen Saison eigentlich nichts mehr im Wege.
Alles zu 1899 Hoffenheim