HSV: Der Klassenerhalt wäre ein Erfolg

Von Daniel Börlein
Der Hamburger SV legte einen Fehlstart in die Saison hin
© Imago

Aus im Pokal, Fehlstart in der Liga - schon jetzt ist klar: Der Hamburger SV steht vor einer ganz schweren Saison. Das Schlimme: Es gibt kaum Aussicht auf Besserung.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Franz Beckenbauer wird da sein, und Uwe Seeler. Günter Netzer natürlich auch. Kevin Keegan kommt von der Insel. Auf der Bühne wird Olli Dittrich den "Dittsche" geben und Johannes B. Kerner durchs Programm führen. Es soll ein unvergesslicher Abend werden, dieser 29. September 2012, schließlich wird der Hamburger SV stolze 125 Jahre alt.

Für die große Jubiläumsgala hat man extra die o2 World angemietet. Neben etlichen Legenden, Stars und Prominenten werden auch 13.000 Fans dabei sein. Seit Monaten laufen die Planungen auf Hochtouren. Der Ablauf der Feierlichkeiten ist längst minutiös durchorganisiert. Es soll doch alles perfekt sein.

Auf einen Programm-Punkt haben die Organisatoren allerdings keinen Einfluss. Und der könnte die Stimmung des Abends doch in erheblichem Maße beeinflussen: Unmittelbar bevor in der o2 World auf den ruhmreichen Hamburger SV angestoßen wird, spielen die Profis in der Bundesliga gegen Hannover 96.

Niederlage im Pokal, Niederlage in der Liga

An die ruhmreichen Zeiten vergangener Tage wird die aktuelle HSV-Elf dabei allerdings nicht anknüpfen können. Eher sogar im Gegenteil. Denn schon nach dem ersten Spieltag dieser neuen Saison muss man sich größte Sorgen machen um diesen HSV.

Nach dem peinlichen wie verdienten Pokal-Aus beim Drittligisten Karlsruher SC ging auch der Bundesliga-Auftakt gegen den 1. FC Nürnberg mit 0:1 in die Hose. Von einer Krise wollen die Verantwortlichen aber noch nichts wissen. Natürlich sei man enttäuscht, sagt etwa Trainer Thorsten Fink. Noch allerdings habe man 33 Bundesliga-Spieltage vor sich.

Nach nur einem Spieltag, da hat Fink Recht, ist noch niemand abgestiegen. Nach nur einem Spieltag lässt sich allerdings schon sagen, worum es für den HSV in dieser Saison geht: Um nichts anderes als den Klassenerhalt. Denn aktuell ist diese Mannschaft, ja dieser Verein, nicht erstligareif. Dafür gibt es genügend Beispiele.

Mannschaft ist allenfalls Durchschnitt

Da wäre zum einen die fehlende sportliche Qualität. Mit Rene Adler, Dennis Aogo, Heiko Westermann und Marcell Jansen gibt es im aktuellen Kader nur vier Spieler, die höheren Ansprüchen genügen. Der Rest ist allenfalls Durchschnitt.

Marcus Berg und Heung Min Son, aktuell das Offensiv-Duo Nummer eins, gab gegen Nürnberg keinen Torschuss ab. Per Skjelbred hatte als zentraler Mittelfeldspieler in 70 Minuten gerade mal 33 Ballkontakte, dafür aber eine verheerende Zweikampf-Bilanz von 31 Prozent. Und hinten leistete sich Michael Mancienne einen Schnitzer nach dem anderen.

Keine Spielidee erkennbar

"Es ist ähnlich wie im letzten Jahr. Das Spiel zeigt, dass wir keine Entwicklung gemacht haben", sagt Jansen. Eine Tatsache, die sich vor allem auch Fink ankreiden muss. Körperlich schien der HSV gegen Club schon Mitte der zweiten Halbzeit am Ende, spielerisch war der Auftritt gar durchweg ein Offenbarungseid.

Eine Spielidee ist derzeit nicht erkennbar. Auf die Spieleröffnung mit weit aufrückenden Außenverteidigern und einem defensiven Mittelfeldspieler, der sich zwischen die beiden Innenverteidiger zurückfallen lässt, haben sich die Gegner längst eingestellt. Einen Plan B gibt es nicht.

Finks Analysen, zumindest die öffentlichen, klingen schon jetzt - nach nur einem Spieltag - nach Durchhalteparolen. "Die Mannschaft hat das Zeug, nicht im Abstiegskampf zu stecken", sagt er, und: "Ich werde nicht müde, an meine Mannschaft zu glauben."

"Die Stimmung ist nicht gut"

Doch glaubt die Mannschaft selbst überhaupt an sich? Gegen Nürnberg legten viele Spieler eine erschreckende Körpersprache an den Tag. Kurz vor der Pause hatten Westermann und Berg eine heftige Auseinandersetzung. Schon in Karlsruhe war Jansen mit Artjoms Rudnevs und Berg aneinander geraten. Eine Einheit sieht anders aus.

Das merken auch Fans und neutrale Beobachter. "Die Stimmung im Umfeld ist nicht gut", sagt Westermann. "Das war sie schon vor dem Spiel nicht und das ist jetzt natürlich nicht besser geworden. Die einen oder anderen haben uns schon abgeschrieben."

Momentan ist da allerdings auch wenig, das Hoffnung auf Besserung macht. Im vergangenen Jahr konnte man durch den Trainerwechsel von Michael Oenning hin zu Fink zumindest für ein paar Wochen Aufbruchstimmung erzeugen. Doch ob ein neuerlicher Trainerwechsel einen ähnlichen Effekt hätte? Wohl eher nicht.

Jiracek und Badelj als Hoffnungsträger

Es sind elementare Dinge und die sportliche Klasse, die dem HSV derzeit abgehen. Mit Petr Jiracek (VfL Wolfsburg) und Milan Badelj (Dinamo Zagreb) kommen kurz vor Transferschluss noch zwei Neue fürs Mittelfeld, die daran etwas ändern sollen. Dass beide für Fink schon fürs Bremen-Spiel am Wochenende Startelf-Kandidaten sind, ist letztlich eine Bankrotterklärung für den Rest der Mannschaft.

Noch immer träumt man in Hamburg von einer Rückkehr von Rafael van der Vaart. Der Niederländer könnte für die erhoffte Aufbruchstimmung sorgen und würde gleichzeitig die Qualität der Mannschaft erheblich steigern. Momentan sieht es allerdings nicht danach aus, dass van der Vaart an die Elbe zurückkehrt, auch wenn Frank Arnesen sagt: "Ich schließe nichts aus."

Arnesen unter Druck

Für den Sportdirektor wäre die Verpflichtung van der Vaarts freilich ein Befreiungsschlag, schließlich ist in erster Linie er für die Zusammenstellung des Kaders verantwortlich. Der Däne verweist dabei gerne auf die fehlenden finanziellen Mittel und damit einen begrenzten Handlungsspielraum.

Allerdings: Noch immer hat der HSV den siebthöchsten Etat der Liga. Und: Inklusive der Transfers von Badelj und Jiracek hat man im Sommer rund 15 Millionen Euro für Neuverpflichtungen ausgeben - mehr als Top-Klubs wie Schalke oder Leverkusen und vor allem deutlich mehr als jeder andere Abstiegskandidat. Nichts anderes ist der HSV allerdings in dieser Saison

In drei der nächsten vier Partien muss der HSV auswärts ran (Bremen, Frankfurt, Gladbach). Dazwischen kommt Borussia Dortmund nach Hamburg. "Wenn wir nach vier oder fünf Spielen immer noch ohne Punkte dastehen, dann wird es ganz eng", sagt Jansen. Und dann wird die Jubiläumsgala zum 125-jährigen Geburtstag womöglich zur letzten HSV-Feier für sehr lange Zeit.

Alle HSV-Spiele im Überblick

Artikel und Videos zum Thema