"Habe den Bayern zweimal abgesagt"

Von Interview: Haruka Gruber
Jörg Heinrich wurde mit Dortmund zweimal Meister und gewann die Champions League
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SPOX: Wie lief es in Florenz?

Heinrich: Eine wunderschöne Zeit, im Grunde gibt es nur positive Erinnerungen. Ich stand in einer Mannschaft mit Weltstars: Gabriel Batistuta, Edmundo, Predrag Mijatovic, Enrico Chiesa, Rui Costa, Francesco Toldo. Als ich mit solchen Legenden auf dem Platz stand, wusste ich, dass ich alles richtig gemacht habe.

SPOX: Es gibt die Geschichte, wonach ein wütender Fan-Mob Sie und Ihren Sohn angegriffen haben soll.

Heinrich: Wir bekamen einen Schreck, dabei war es halb so wild. Wir waren auch nicht die einzigen Spieler, die etwas angegangen wurden. Nach einer sehr unglücklichen Pokal-Niederlage gegen Venedig waren einige Fans sehr aufgebracht und sahen mich und meinen Sohn im Auto sitzen. Da kamen sie auf uns zu und regten sich kurz ab. Als ich die Scheibe runtermachte und mit ihnen das Gespräch suchte, beruhigte sich die Situation gleich. Das gehört eben dazu: Wenn man bejubelt wird, muss man den Kopf hinhalten, wenn es nicht so läuft.

SPOX: 2000, zwei Jahre nach dem Wechsel nach Florenz, kehrten Sie schon wieder zu Dortmund zurück. Warum?

Heinrich: Leider lag Florenz finanziell am Boden und musste mich und den noch zwei Jahre gültigen Vertrag abgeben. Daher passte es gut, dass in Dortmund mein ehemaliger Mitspieler Matthias Sammer Trainer wurde, der von der Situation hörte und mich anrief. Damals fragten parallel erneut die Bayern an, weil Markus Babbbel nach Liverpool ging. Weil sie mich fest als Rechtsverteidiger einplanten, ich das aber nur übergangsweise gemacht hätte und mittelfristig lieber links hinten bleiben wollte, gab ich Dortmund die Zusage.

SPOX: Die Bayern fragten damals "erneut" an?

Heinrich: Ich habe den Bayern insgesamt zweimal abgesagt. Bei ersten Mal in der Winterpause 1995/96: Ich war damals noch in Freiburg und hatte zwei Angebote - von Dortmund und von München. Natürlich hatten die Bayern einen Reiz, andererseits denke ich, dass Dortmund mehr meiner Art des Fußballs entspricht. Arbeiter passen eben in den Ruhrpott. Außerdem bewegte sich Dortmund als amtierender Meister und UEFA-Cup-Halbfinalist zu der Zeit auf Augenhöhe mit den Bayern. Wie sich herausstellen sollte, war es die absolut richtige Entscheidung. Ich gewann mit BVB erst die Meisterschaft, ein Jahr darauf die Champions League.

SPOX: Woran erinnern Sie sich aus der Nacht des Champions-League-Triumphs?

Heinrich: Ich weiß leider nicht mehr viel. (lacht) Mit dem Spiel in den Knochen brauchte ich nicht mehr viel. Ich glaube, ich nahm mir noch in der Kabine ein Bier und konnte danach schon nicht mehr singen, so kaputt war ich. Danach bin ich halb in Trance durch die Nacht geglitten.

SPOX: Fast schon unglaublich: Sie bestritten Ihr erstes Bundesliga-Spiel erst mit 24 Jahren, nachdem Sie von Freiburgs Volker Finke beim Drittligisten Emden entdeckt wurden. Dachten Sie jemals daran, so erfolgreich zu sein?

Heinrich: Witzig, dass es angesprochen wird. Ich traf mich vor einigen Wochen erst mit meinem damaligen Trainer aus Emden, Bernhard Janssen. Er arbeitet als Scout für Wolfsburg und lebt wie ich in Berlin. Wir sprachen also über die alten Zeiten und wie ich in den ersten Wochen in Emden bei ihm in der Wohnung untergekommen bin. Da meinte Bernhard: "Jörg, weißt du noch, wie wir damals zusammen Eurogoals auf Eurosport geguckt haben? Du hast zu mir gesagt: 'Irgendwann bin ich in der Sendung zu sehen!'" Nur: Ich konnte mich nach den Jahren überhaupt nicht mehr an das Gespräch erinnern. Ich fand es sehr aufschlussreich, wie ich damals offenbar gedacht habe.

SPOX: Wie konnten Sie so lange unentdeckt bleiben?

Heinrich: Ich kann den Scouts keinen Vorwurf machen. Einige Zweitligisten hatte hier und da Interesse, dennoch klappte es nie, weil interessierte Klubs abgestiegen waren oder neue Trainer bekamen. Für ganz oben war ich damals nicht so weit, dass muss ich ehrlich sagen. Erst mit 23, 24 machte ich einen großen Schritt nach vorne - und Volker Finke erkannte als Erster in mir einen Spätentwickler.

SPOX: Trotz des späten Durchbruchs gewannen Sie fast alle wichtigen Klub-Titel, stellten einen Ablöserekord auf und bestritten 37 Länderspiele für Deutschland. Gibt es einen Wunsch, der nicht in Erfüllung ging?

Heinrich: Es ist kein Wunsch in dem Sinne. Aber ich hätte es schön gefunden, wenn ich irgendwann David Beckham richtig kennengelernt hätte. In seiner Biografie stand ja drin, dass ich sein unangenehmster Gegenspieler war. Umgekehrt ging es mir genauso. Wir haben uns auf dem Fußball-Platz immer richtg gefetzt und super Duelle abgeliefert - doch alles lief fair ab. Ein sehr angenehmer Mensch mit Niveau. Ich glaube, wir hätten uns privat sehr gut verstanden.

Mr. Alleskönner: Jörg Heinrich im Steckbrief

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