SPOX: Sind Sie ein Einzelgänger?
Mavraj: Schon als Kind machte ich viel mit mir selbst aus und sprach selten mit anderen über Probleme. Wenn ich als Zehnjähriger Ärger vom Trainer bekommen hatte und mein Vater fragte, was passiert sei, blieb ich stumm. Ich wollte für mich selbst Entscheidungen treffen, um nach einem Fehler mit reinem Gewissen sagen zu können, dass ich selbst daran schuld war und nicht jemand anders. So lernte ich schnell, Selbstverantwortung zu übernehmen.
SPOX: Ist es als Kapitän nicht wichtig, sich den Mitspielern zu öffnen?
Mavraj: Ich weiß - und seit ich in Fürth spiele, entwickelte ich mich in dem Bereich weiter. Anfangs hatte ich noch nicht jeden an mich herangelassen, aber schnell wurde mir bewusst, wie wichtig es ist, auf andere einzugehen und über den eigenen Tellerrand hinauszublicken. Ich möchte mit meiner Erfahrung den Jungen im Team helfen und in die Gruppe integrieren.
SPOX: Wie ist beispielsweise Ihr Verhältnis zu Lasse Sobiech? Er ist wie Sie früher deutscher U-21-Nationalspieler und wurde im Sommer als Alternative zu Ihnen und Kleine aus Dortmund ausgeliehen.
Mavraj: Wir haben schnell einen Draht zueinandergefunden. Wir beide stehen nicht so auf oberflächliche Fußball-Gespräche und er erinnert an mich als Jugendspieler: ein bisschen in sich gekehrt und zurückhaltend. Ich rede viel mit ihm und möchte ihm den Einstieg erleichtern. Auf der anderen Seite sind wir gar nicht zu vergleichen, daher kann ich mich nur bedingt in ihn hineinversetzen.
SPOX: Warum? Sie galten ebenfalls früh als ziemlich kompletter Innenverteidiger.
Mavraj: Ich meine eher im mentalen Bereich. Ich hatte mich als Jungprofi falsch eingeschätzt. Im letzten SPOX-Interview sagte ich bereits, dass ich dachte, ich wäre selbstbewusst. Obwohl ich es letztendlich nicht war. Das erkenne ich jetzt. Lasse hingegen ist reifer und in sich ruhender. Er weiß, worauf es ankommt, und besitzt ein ungeheures Potenzial.
SPOX: Sie hatten vor einigen Monaten noch leichte Zweifel, ob die Talente im Kader darauf gefasst sind, sich wöchentlich in der Bundesliga zu behaupten. Sind Sie nach dem Pokal-Aus beim Drittligisten Offenbach erst recht skeptisch?
Mavraj: Zunächst einmal: Die Bundesliga wird für jeden im Verein die wohl größte Herausforderung aller Zeiten, das gilt nicht nur für die Profis, sondern genauso für den Physiotherapeuten und den Platzwart. Wir traten letztes Jahr aber den Beweis an, was für eine Dynamik entsteht, wenn man als Kollektiv zusammenhält. Der einzelne Spieler darf schwächeln. Solange wir als Team eine Einheit bilden, fangen wir alle auf. Und diesen Spirit verkörpern alle Talente. Eddy Prib oder Sercan Sararer sind überragende Individualisten mit einer besonderen Klasse - und leben zugleich diesen Mannschaftsgeist vor. Um auf die Frage zurückzukommen: Wenn wir Teamwork und Winnermentalität aus der zweiten Liga gleichzeitig einbringen, werden wir schwer zu schlagen sein. Aber auch nur dann.
SPOX: Greuther Fürth wurde dank der Spielstärke zugetraut, die Sensation der kommenden Saison zu sein.
Mavraj: Es geht nur darum, wie die Eichhörnchen das Überleben zu sichern, das hat das Pokal-Spiel gezeigt. Alles andere ist Utopie.
SPOX: Als wie nachteilig erweist sich Olivier Occeans Weggang?
Mavraj: Es ist verständlich, dass er angesichts seines Alters und der Verdienstmöglichkeiten nach Frankfurt wollte. Auch wenn es für uns schade ist: Er passte perfekt zu uns und vollendete unser Offensivspiel. Einer wie er hatte Fürth lange gefehlt. Dennoch war Olli nur ein Mosaiksteinchen. Ein Heinrich Schmidtgal, der aus Oberhausen verpflichtet wurde, schlug genauso sensationell ein. Genauso ein Sercan Sararer, der letzte Saison auftrumpfte. Oder ein Bernd Nehrig hinten rechts oder ein Thomas Kleine, der für die Medien zu alt war und dennoch grandios spielte. Fürth ist mehr als der Einzelne.
SPOX: Ist es dennoch das richtige Signal, dass Fürth mit Djiby Fall, vor drei Jahren noch fünf Millionen Euro teuer, und dem dänischen EM-Teilnehmer Tobias Mikkelsen zwei namhafte Offensivspieler verpflichtet wurden?
Mavraj: Es soll für keinen Spieler abwertend klingen - aber in diesem Sommer ging es darum, Erstliga-Spieler zu holen. Wir brauchen Jungs, die wissen, wie der Hase läuft. Jungs, die sich wehren. Und Jungs, die sich selbst aus dem Loch ziehen können.
SPOX: Reicht es dennoch für eine Überraschung zum Bundesliga-Auftakt gegen den FC Bayern?
Mavraj: Die Bayern werden nach den Erlebnissen zuletzt geil auf die neue Saison sein, trotzdem sollten wir uns nicht zu viele Gedanken um sie machen. Stattdessen müssen wir uns auf uns fokussieren. Im letztjährigen Pokalwettbewerb haben wir Nürnberg und Hoffenheim geschlagen und gegen Dortmund mitgehalten. Daher wissen wir, dass wir konkurrenzfähig sind, solange wir unsere Stärken einbringen. Das Entscheidende in der Saison wird es sein, diese Stärke nicht nur im Pokal alle paar Wochen abzurufen, sondern Woche für Woche. Dann werden wir unsere Punkte holen, egal ob gegen die Bayern oder gegen Freiburg und Augsburg.
Mergim Mavraj im Steckbrief