Die Leichtigkeit ist zurück

Von Andreas Lehner
Im Fokus der Menge: Bastian Schweinsteiger
© Getty

Bastian Schweinsteiger wurde vor der Saison an den Scheideweg seiner Karriere gestellt. Vor dem Auswärtsspiel in Düsseldorf (Sa., 15.30 Uhr im LIVE-TICKER) und nach einem Fünftel der Spielzeit lässt sich sagen: Er hat die richtige Abzweigung genommen.

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Am Dienstagabend waren sie wieder zu sehen, Diese Bilder von Bastian Schweinsteiger. Nach dem 4:4 gegen Schweden hockte er am Boden, verzweifelt und deprimiert, sein Blick ging ins Nichts.

Es waren Bilder, die einem irgendwie bekannt vorkamen aus dem Sommer dieses Jahres, als der FC Bayern zuerst das DFB-Pokalfinale in Berlin verlor, dann das Champions-League-Finale im heimischen Stadion und dann die deutsche Nationalmannschaft im EM-Halbfinale an Italien scheiterte.

Immer hielt die Kamera auf Schweinsteiger, seine Mimik bildete die dramatischen Momente eindrucksvoll ab. Er wurde so zum "Symbol des Scheiterns im deutschen Fußball", wie "sueddeutsche.de" schrieb.

Keine psychischen Probleme

Die Bilder vom Dienstag waren stark und gaben dem historischen Einbruch der DFB-Elf auch ein Gesicht, vielleicht relativierten sie aber auch einige Einschätzungen, die Schweinsteiger während des Sommers über sich ergehen lassen musste.

Ein Psycho-Knacks wurde ihm attestiert und eine große Lebenskrise daraus gestrickt. Es wurde sogar berichtet, dass er die Hilfe eines Psychologen in Anspruch genommen hätte. "Völliger Schwachsinn", sagt Schweinsteiger. "Ein verlorenes Finale macht dich doch nicht krank."

Etwas unglücklich war in dieser Diskussion sicherlich auch die Zustandsbeschreibung von Trainer Jupp Heynckes, der Schweinsteiger als "psychisch down, demoralisiert" bezeichnete. Schweinsteiger selbst sagte etwas vorsichtiger, er sei "enttäuscht und niedergeschlagen" gewesen. Verständlich nach einer Saison voller Tiefschläge.

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Zu früh zu viel gewollt

Los ging seine Leidenszeit mit dem Schlüsselbeinbruch im November 2011 im Heimspiel gegen den SSC Neapel. Nachdem er sich davon erholt hatte, verletzte er sich beim DFB-Pokalspiel gegen den VfB Stuttgart am rechten Sprunggelenk. Als es beim FC Bayern nach dem 0:1 im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League beim FC Basel kriselte, kehrte er zu früh wieder auf den Platz zurück.

Ein Fehler, von dem er sich lange nicht mehr erholen sollte. Die Verletzung konnte nie richtig verheilen, das Sprunggelenk machte immer wieder Probleme. Wichtige Spiele wie die gegen Real Madrid und Borussia Dortmund wollte er sich nicht entgehen lassen. Er schleppte sich zum Wohle der Mannschaft und angetrieben von dem großen Ziel Champions-League-Sieg durch.

Während der EM kam dann aber auch Schweinsteiger an seine Grenzen. Vor dem Halbfinale gegen Italien bat er Bundestrainer Joachim Löw indirekt, ihn doch bitte auf die Bank zu setzen. Er spielte und wurde einmal mehr zum Gesicht der Niederlage.

Körperlicher Neuaufbau

Es war aber kein mentales Problem, das Schweinsteigers Leistungen beeinträchtigte. Es war schlicht und ergreifend ein körperliches Problem. Es brodele in ihm, meinte Schweinsteiger. "Weil ich gern so spielen würde, wie mein Kopf es mir sagt. Aber mein Körper lässt es nicht zu."

Selbstzweifel hatte er aber nicht. Er wusste, dass er nach dem Urlaub und einer intensiven Saisonvorbereitung "stark zurückkehren kann. Wenn ich körperlich völlig gesund bin, dann bin ich gut, diese Erkenntnis gab mir die nötige Ruhe."

Entscheidend für seinen körperlichen Neuaufbau waren der Verzicht auf die China-Reise des FC Bayern und Nicht-Nominierung für die ersten Länderspiele der Saison.

"Ich kann mich noch gut an den Moment im August erinnern, vor dem Pokalspiel in Regensburg, als ich morgens plötzlich gemerkt habe, dass irgendwas fehlt. Dann ist es mir aufgefallen: Ich hatte keine Schmerzen! An dem Tag hab' ich auf dem Weg zum Trainingsgelände jeden umarmt", sagte Schweinsteiger der "SZ".

Die wiedergekehrte Zufriedenheit spiegelt sich auch in seinem Spiel. Schweinsteiger ist wieder unumstrittener Chef auf dem Platz, die Leichtigkeit ist zurück. "Seine Ausstrahlung und seine Präsenz tun uns einfach gut. Er hat unglaublich feine Antennen, um ein Spiel zu lesen", lobte Sportvorstand Matthias Sammer.

Auf einer Stufe mit Xavi und Iniesta

Sein Trainer hat aber noch nicht damit aufgehört, ihn behutsam aufzubauen. Nachdem er am ersten Spieltag in Fürth nur eingewechselt wurde, stand er in den restlichen sechs Partien in der Startelf, Heynckes wechselte ihn dabei aber dreimal aus. In der vergangenen Saison holte er seinen Taktgeber in 22 Ligapartien nur zweimal vorzeitig vom Platz.

Heynckes weiß, "dass der FC Bayern nur mit Bastian Schweinsteiger erfolgreich sein kann". Der Trainer zählt Schweinsteiger zu den "besten Mittelfeldspielern der Welt" und stellt ihn regelmäßig auf eine Stufe mit Xavi und Andres Iniesta.

Aber auch mit ehemaligen Größen wie Fernando Redondo, Clarence Seedorf und Stefan Effenberg: "Weil er ein Stratege ist, mit überragendem fußballerischen Vermögen und Charakter."

Sammer fordert mehr verbale Führung

Keine Frage: Schweinsteiger ist am Scheideweg seiner Karriere, an den er vor der Saison gestellt wurde, richtig abgebogen. Er ist nicht an den Momenten der Niederlage zebrochen, sondern hat aus den Enttäuschungen neue Motivation gezogen. Er hat das Gerede über psychische Probleme, Traumata und Krisen mit guten Leistungen verstummen lassen.

Schweinsteiger ist auf dem Platz der Kopf der Mannschaft. Er hat wieder regelmäßig über 80 Ballkontakte pro Spiel (zuletzt gegen Hoffenheim sogar 111) und läuft durchschnittlich elf Kilometer in 90 Minuten. Dazu kommen drei Treffer in der Liga, zwei davon per Kopf. Sein persönlicher Saisonrekord steht bei fünf Treffern in der Saison 2008/09.

Nicht schlecht, meint Sammer, der die sportlichen Werte und Leistungen richtig einzuschätzen weiß. "Aber das reicht auf Dauer nicht. Er muss weiter Verantwortung übernehmen, verbal auftreten. Das muss seine nächste Aufgabe sein." Schweinsteiger müsse auch verbal eine Führungsrolle im Verein übernehmen. Der will sich aber weiterhin lieber rarmachen und vor allem auf dem Platz als Führungsfigur wirken.

In ihrer Vorstellung vom Führungsstil liegen beide noch ein Stück auseinander, im Ziel sind sie aber vereint. Schweinsteiger und Sammer wollen mit dem FC Bayern wieder Titel gewinnen. Am besten gleich alle drei. Schweinsteiger und sein Minenspiel wären dann sicher auch die Symbole des Sieges.

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