Wenn man auf den Confed Cup zurückblickt, werden viele Fußball-Fans den krassen Außenseiter Tahiti in schöner Erinnerung behalten. Die tapferen Auftritte der Exoten aus dem Südpazifik zauberten vielen Zuschauern ein Lächeln ins Gesicht.
Viele fragten sich, wie sich ein Fußball-Zwerg wie Tahiti überhaupt für ein solches FIFA-Turnier qualifizieren konnte. Australien war längst dem asiatischen Kontinentalverband beigetreten, also war der Weg für Neuseeland quasi frei.
Gescheitert auf den Salomonen
Bei der Ozeanien-Meisterschaft 2012 wurden den Kiwis die Salomonen zum Verhängnis, wo sie im Halbfinale überraschend mit 0:2 an Neukaledonien scheiterten.
Marco Rojas kam an diesem 8. Juni für die All Whites zum Einsatz, die zwei Jahre zuvor immerhin noch WM-Teilnehmer waren und sich aus Südafrika mit drei Remis in der Vorrunde äußerst ehrenhaft verabschiedet hatten.
Angreifer Rojas war damals noch nicht dabei, für ihn wäre der Confed Cup die Möglichkeit gewesen, sich erstmals auf der großen Bühne des Welt-Fußballs zu präsentieren. So wurde der Trip auf die Salomonen zur ersten großen Enttäuschung seiner noch jungen Karriere.
Ausbildung in Rufers Schule
Marco Rodrigo Rojas hat sich in den vergangenen Jahren den Ruf als eines der größten Talente der australischen A-League erarbeitet. Der in Hamilton geborene Rojas ist chilenischer Abstammung, hat sich aber schon in jungen Jahren für Neuseeland entschieden.
Für eine Nation, die eher für große, stämmige Fußballer und dementsprechend rustikalen Fußball bekannt ist, ist der nur 1,68 Meter kleine Rojas ein Synonym einer neuen spielerischen Ausrichtung.
Seine geringe Körpergröße war ihm in seiner Kindheit auch schon mal hinderlich: "Als ich noch im U-11- und U-12-Juniorenbereich gespielt habe, wurde ich nicht für die Auswahlteams ausgewählt, weil ich zu klein war. Ich habe mich davon aber nicht unterkriegen lassen, weil ich ihnen beweisen wollte, dass es ein Fehler war. Das hat mich in der Jugend zusätzlich motiviert, Profi-Fußballer zu werden. Probleme hätte ich vielleicht bekommen, wenn ich Rugby gespielt hätte", erinnert sich Rojas.
In seiner Jugend genoss er die Ausbildung an der "Wynton Rufer Soccer School of Excellence" des ehemaligen Werder-Profis. Ein Stipendium bescherte ihm die Möglichkeit, eine Woche mit dem Profiteam der Wellington Phoenix zu trainieren. Dabei nutzte er seine Chance und überzeugte den Trainerstab um Ricki Herbert, ein Treffer in einem Saisonvorbereitungsspiel verstärkte den Eindruck noch.
A-League-Debüt bei Wellington
Dann ging alles recht schnell: Der erste Profivertrag war nur noch Formsache, im zarten Alter von 17 Jahren gab er sein A-League-Debüt für Wellington gegen Melbourne Victory. Sein erstes Tor erzielte er ein Jahr später, kurz darauf wurde er zum besten Nachwuchskicker des Jahres gewählt.
Der nächste Karriereschritt folgte im Sommer 2011, als er seine Heimat verließ und bei Melbourne Victory anheuerte. Nach einer eher durchwachsenen ersten Saison steigerte sich Rojas in der Folgesaison deutlich, erzielte 15 Tore, bereitete neun weitere vor und erreichte mit Victory das Halbfinale der Playoffs.
Dem 21-Jährigen wurde in diesem Jahr die große Ehre zuteil, als erster Spieler seit Mark Viduka vor fast 20 Jahren die Auszeichnungen zum U-21-Spieler des Jahres und - mit großem Vorsprung vor Altmeister Alessandro Del Piero - auch zum besten Spieler der A-League-Saison (Johnny Warren Medal) in einem Jahr zu erhalten.
Kewell als Mentor in Melbourne
Melbourne spielte ein überwiegend auf Konter angelegtes System ohne echten Stoßstürmer. Rojas verdingte sich zumeist auf dem rechten Flügel, seine beidfüßige Ausbildung ermöglichte aber auch Einsatzzeiten links oder im Zentrum.
Seine Schnelligkeit, die Ballsicherheit in höchstem Tempo und eine erstaunlich ausgereifte Abschlussstärke gelten als seine größten Stärken. Dabei besticht Rojas mit einer feinen, leichtfüßigen Spielweise. Fast so wie sein Mentor Harry Kewell, von dem er sich bei Victory so einiges abschauen konnte.
"Es waren Kleinigkeiten wie die Bewegung zum Ball oder mein Stellungsspiel, die er mir zeigte. Ich habe Schusstraining mit ihm trainiert und er hat mir hier und da Tipps gegeben. Nichts weltbewegendes, aber es hat mir wirklich dabei geholfen, mein Spiel zu verbessern."
Spitzname "Kiwi-Messi"
Der ebenso spezielle wie überzogene Spitzname "Kiwi-Messi" soll dies wohl dokumentieren - zusätzlichen Druck bringt Rojas die virtuelle Verbindung zum besten Fußballer des Planeten aber nicht. "Ich weiß nicht was die Leute denken - dass ich wie Messi spiele oder so? Für mich stellt das keinerlei Bedeutung dar."
Nicht der Spitzname, sondern sein aufregender Spielstil hat den VfB Stuttgart bereits vor über einem Jahr auf den mittlerweile 21-Jährigen aufmerksam gemacht. Vor fünf Jahren absolvierte Rojas in Bremen bereits ein Probetraining, zusammen mit Rufers Sohn Caleb. Werder nahm damals aber Abstand von einer Verpflichtung.
Dass er jetzt bereit ist für den großen Sprung in eine der besten Ligen der Welt, sieht nicht jeder so. Seine schmächtige Erscheinung und der körperlich harte Stil der Bundesliga wollen nicht so recht zusammenpassen - meint zumindest sein väterlicher Freund und Beschützer Wynton Rufer.
Der betrachtet den Wechsel nach Deutschland durchaus kritisch und äußert seine Bedenken. "Marco ist noch nicht reif für die Bundesliga. Die Härte dort ist zu viel für ihn. Es wäre besser, wenn er noch ein Jahr in Melbourne bleiben würde." Rojas sei "klein und dribbelstark wie Marko Marin", aber "von der Mentalität her noch nicht richtig erwachsen", sagte Rufer Anfang Mai. Wenige Tage später wurde der Vertrag in Stuttgart unterzeichnet.
VfB nicht der einzige Interessent
Rojas selbst hat großen Respekt vor der unvermeidlichen Sprachbarriere. Abgesehen davon ist er selbstbewusst genug, sich Deutschlands höchste Spielklasse zuzutrauen. Dass er sich dabei für den VfB entschied, ist keine Selbstverständlichkeit.
Renommiertere und zahlungskräftigere Klubs wie der FC Liverpool und Juventus Turin, RB Salzburg und die Bundesligisten Werder Bremen, Borussia Mönchengladbach und Hannover 96 hatten um das Talent gebuhlt. Den Ausschlag zugunsten der Schwaben hätten die positiven Gespräche mit den Verantwortlichen des VfB gegeben. Rojas zeigte sich erfreut, wie intensiv sich der DFB-Pokal-Finalist um ihn bemühte. Finanziell gehen die Schwaben mit dieser Verpflichtung kein Risiko ein, eine Ablösesumme war nicht fällig, lediglich eine Ausbildungsentschädigung in Höhe von 140.000 Euro musste der VfB nach Melbourne überweisen.
Papa Rodi relativierte ein wenig, als er "die finanziellen Rahmenbedingungen" der Bundesliga erwähnte und dass "diese Liga nicht mit Geldsorgen zu kämpfen hat wie manch andere in Europa".
Seine Rolle beim VfB
Der VfB Stuttgart hatte bis zu Alexandru Maxims Auftritten ein massives Kreativproblem in der Offensive. Der Rumäne konnte in der Zentrale für einige Lichtblicke sorgen. Mit Rojas kann Maxim jetzt einen Bruder im Geiste an seine Seite gestellt bekommen.
Allerdings ist der Konkurrenzkampf auf den Außenpositionen beim VfB in der neuen Saison hart. Die etablierten Ibrahima Traore und Martin Harnik bekommen Druck von Sercan Sararer und Tunay Torun. Johan Audel ist trotz anhaltender Verletzungsprobleme auch noch nicht ganz abgeschrieben. Koka Rausch kann auch im Mittelfeld spielen, Daniel Didavi wird irgendwann zurückkommen.
Nicht unerheblich wird deshalb der Start für Rojas sein. "In der Vorbereitung wird es spannend sein zu sehen, wie schnell er sich unter anderem an das Tempo in Deutschland gewöhnen kann", sagt Bobic. Rojas wird sich an das Tempo und die Härte der Bundesliga erst gewöhnen müssen, hat aber auch den Vorteil, dass er in der Offensive zwischen den Linien eingesetzt werden kann, ähnlich wie Cacau.
Trainer Labbadia hat bereits vorsichtig durchklingen lassen, durchaus auch wieder auf ein Spielsystem mit zwei Angreifern zu setzen. Rojas würde hier den Part der hängenden Spitze übernehmen können hinter einem der beiden Stoßstürmer Vedad Ibisevic oder Mo Abdellaoue.
Sein ehemaliger Melbourne-Trainer Ange Postecoglou prophezeit ihm jetzt schon eine große Karriere in Europa. Marco Rojas sollte aber lieber erst in kleinen Schritten beginnen. Zeigt er dann die Klasse, die ihm von vielen Experten bescheinigt wird, kommt der Rest ganz von allein.
Marco Rojas im Steckbrief