Es gibt da diesen Song der finnischen Rockband "The Left Foot Company", ganz im Glam-Rock-Stil der 80er Jahre gehalten. Mit jeder Menge "ooohhh ooohhh ooohhh yeahs", einem Rhythmus aus der Modern-Talking-Hölle und ziemlich seichten Gitarrenläufen. Ein klassischer Stadionsong eben.
Der Text handelt von den Entbehrungen und Schmerzen, die man als junger Fußballspieler in Finnland erdulden musste, von Wind und Eis und Schnee. Vom "Great Defender", der in halb Europa abgeräumt hat - von Sami Hyypiä.
"Big Sam" heißt die Ode an einen der populärsten Sportler Suomis, der sich aus einem Kaff am Südzipfel Finnlands bis ganz hinauf gearbeitet hat ins Elysium. Der zur Ikone seines Landes und der des großen FC Liverpool wurde.
Sami Hyypiä ist als Fußballprofi in einer anderen Zeit sozialisiert worden. Als er sich 1995 von seinem Klub mit dem mysteriösen Namen Myllykosken Pallo -47 aufmacht in eine bedeutendere Liga, ist das Bosman-Urteil noch nicht gesprochen. In den Niederlanden, in England und am Ende in Deutschland macht Hyypiä in 16 Profijahren dann über 700 Pflichtspiele.
Keine Zeit zum Durchatmen
Er hat alles gesehen und alles erlebt. Und trotzdem hatte er vor dem, was da nach seiner aktiven Karriere auf ihn wartete, allergrößten Respekt. Eigentlich wollte er nicht Trainer werden und schon gar keinen nahtlosen Übergang hinlegen: Nach seinem letzten Spiel sofort einzusteigen als Praktikant bei Bayer Leverkusen, nebenbei nach der Zustimmung der UEFA in der Heimat die A-Lizenz zu machen, weiter voll drinzubleiben in der Maschinerie, die ihn seit über zwei Jahrzehnten nur so durchrüttelt.
Er wollte lieber wieder mehr Eishockey spielen oder Motocross fahren. Als Spieler war ihm besonders Letzteres natürlich strikt untersagt. Oder womöglich seiner Frau Susanna unter die Arme greifen. Die hat einen Start bei den Olympischen Spielen ins Auge gefasst, in der Dressur. Und Sami hätte so gut mithelfen können bei der Aufzucht ihrer Pferde.
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"Harte Arbeit und Mentalität"
Aber Bayer Leverkusen wollte es anders, und am Ende wollte es auch Hyypiä so. Den Zusatz "Vizekusen" hat sich Bayer vor einigen Jahren patentrechtlich sichern lassen, er passte so perfekt zum ewigen Zweiten. Sami Hyypiä passt da eigentlich so gar nicht dazu - aber irgendwie dann doch. Niemand sagt es so laut unterm Bayer-Kreuz: Aber dank Hyypiä soll irgendwann Schluss sein mit dem bittersüßen Kosenamen, soll der erste Titelgewinn seit dem Sieg im DFB-Pokal 1993 her.
Hyypiä ist reichlich dekoriert. Champions-League- und UEFA-Cup-Sieger mit dem FC Liverpool, zweimal FA-Cup- und zweimal Supercup-Sieger und achtmal Finnlands Fußballer des Jahres. Der bald 40-Jährige hat etwas, was man heute Sieger-Gen nennt.
"Ich komme aus einer ganz kleinen Stadt in Finnland. Da herauszukommen, etwas zu erreichen: Das konnte man nur mit harter Arbeit und Mentalität erreichen. Schon als Kind wollte ich immer gewinnen, ob beim Eishockey, Fußball oder nur Kartenspielen", sagt Hyypiä über sich selbst.
Jüngstes Trainerteam in Leverkusen
Die Anlaufphase hat er als Teamchef in der abgelaufenen Saison prächtig gemeistert, hat Bayer im Tandem mit Sascha Lewandowski zurück in die Champions League geführt. Lewandowski hat den geordneten Rückzug angetreten und kümmert sich als Nachwuchs-Cheftrainer wieder um die Ausbildung der Bayer-Jugend. Es gab einige Bedenken, ob Hyypiä ohne den gewieften Lewandowski an seiner Seite funktionieren würde. Er steckt noch mittendrin in der Ausbildung, streng genommen ist er noch bis zum Abschluss im November ein Trainerlehrling.Aber Bayer hat ihm da ein sehr ordentliches Trainerteam aufgestellt mit Jan-Moritz Lichte als Co-Trainer, Holger Broich für den Konditionsbereich und David Thiel für das Torwarttraining. Dazu kam noch Daniel Niedzkowski, zuvor Ausbilder beim Deutschen Fußball-Bund, für die Spielanalyse. Hyypiä ist mit 39 der Älteste, er leitet die jüngste Abordnung der Liga, von der es heißt, sie verknüpfe das Altbewährte mit dem Neuesten der Wissenschaft in ihrer besten Form.
Hält Bayer mit Bayern und BVB mit?
In der Bundesliga tobt der Zweikampf zwischen Bayern München und Borussia Dortmund. Europas Überflieger der abgelaufenen Saison waren schon zu stark für Bayer, als das Finale von Wembley noch gar nicht absehbar war. Wie soll Bayer Leverkusen da also eindringen können in diese Zwei-Klub-Phalanx?
Aber immerhin ist Bayer so etwas wie die Nummer zwei hinter der 1A und der 1B des Landes. Und immerhin hat die Mannschaft den besten Start der Vereinsgeschichte hingelegt mit fünf Siegen aus sechs Spielen. Und immerhin haben sie auch noch Hyypiä.
Gute Mischung im Kader
Der steht eher für die alten Werte. Hyypiä kommt sehr viel über die psychologische Schiene, was insofern schon eine erstaunliche Sache ist, da sein Deutsch zwar sehr ordentlich, für tiefgründige Ansprachen aber doch zu begrenzt ist. "Wir sprechen viel über mentale Sachen, das ist im Fußball ein ganz wichtiger Aspekt", sagt der Trainer. Dafür fällt im Gegenzug schon mal eine geplante Videoanalyse aus. "Das bringt nichts", findet Hyypiä.
Vielmehr versteht er sich als Antreiber. "Zufriedenheit ist schlecht für jede Entwicklung", sagt er. "Ich bin nur zufrieden, wenn man alles aus sich heraus geholt hat - körperlich und mental. Davon hängt meine Laune nach Spielen ab. Wenn man zum Ergebnis kommt, dass man nicht alles gegeben hat, dann kann ich sauer, böse und auch laut werden."
Den Kader hat er etwas modelliert vor der Saison. Neben blutjungen Spielern hat Leverkusen auch reichlich Erfahrung dazugewonnen. Roberto Hilbert ist 28, Emir Spahic 33, Ersatztorhüter Andres Palop wird nur wenige Tage nach Hyypiä im Oktober 40. Die Mischung scheint zu stimmen, Hyypiä versteht es bis jetzt zudem, fast jedem Spieler ein gutes Gefühl zu vermitteln und Einsatzzeiten zu gewähren.
"Wir haben mehr Möglichkeiten als letzte Saison. Ich habe viele Spieler. Alle sollen ihre Chance bekommen", erklärt der Coach. "Ich habe auch gesagt, dass wir jedes Spiel gewinnen wollen. Wenn wir mit unserem Niveau, das wir haben, jedes Spiel spielen, können wir das schaffen. Dann bin ich zufrieden. Wir sind eine starke Mannschaft."
Noch schnelleres Konterspiel
In der Defensive hat Hyypiä am eigenwilligen Stil im 4-3-2-1 kaum etwas verändert. Die Halbräume sind sowohl in der Verteidigungs- als auch in der Angriffsrichtung immer noch die zentralen Spielfelder, mit den hoch stehenden Außenverteidigern soll die Balleroberung an den Seitenlinien gelingen. Das Umkehrspiel ist aber noch eine Spur schneller als in der abgelaufenen Saison.
Heung-Min Son und Sidney Sam lauern auf die fixen Zuspiele aus dem defensiven Dreiermittelfeld, das ebenso spielstark wie robust daherkommt, und jagen geschickt in die Schnittstellen der gegnerischen Abwehr, wenn Stefan Kießling eine kleine Lücke gerissen hat. Hannover 96, das am Samstag in der BayArena beim Spitzenspiel zwischen dem Dritten und dem Vierten der Tabelle zu Gast ist, dürfte davor besonders gewarnt sein (Sa., 15.15 Uhr im LIVE-TICKER).
Irgendwann bei den Reds...
Platz drei soll es auch am Ende der Saison sein für Bayer Leverkusen, die direkte Qualifikation zur Königsklasse ist das ausgerufene Ziel. Zumindest intern, Rudi Völler transportiert nach außen weiter den "internationalen Wettbewerb" als Minimalanforderung. Damit wird sich der Trainer auf Dauer nicht zufrieden geben.
Auch wenn ein Engagement bei einem anderen Klub noch nicht in Sicht ist - Sami Hyypiä weiß genau, wo er einmal landen will. "Es gibt zwei spezielle Plätze, wo ich mir vorstellen könnte, irgendwann als Trainer zu arbeiten: Beim FC Liverpool - und beim finnischen Verband als Nationaltrainer."
Das ist Sami Hyypiä