"Ulliiiiiiiii!"
Es begann wie immer. Und - um es vorweg zu nehmen - es endete auch wie immer. Und auch zwischendurch schien es so, dass es genauso wird, wie in den Jahreshauptversammlungen beim FC Bayern München zuvor. Aber es kam anders. Ganz anders und doch vielleicht so wie erwartet.
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Uli Hoeneß war in den vergangenen Jahren immer der Hauptprotagonist, wenn der FC Bayern seine Mitglieder zur Versammlung bat. Er sorgte sehr oft für Heiterkeit, für echte Lacher und für Hoffnung, aber auch mal für Unmut. Die Sieben-Euro-Attacke ist bis heute unvergessen.
Wenn es aber nie etwas in all den Jahreshauptversammlungen gab, dann waren es Tränen des Präsidenten. Zunächst versuchte er sie zu unterdrücken, doch dann kannten sie keine Grenzen. Der Kampf war verloren. Uli Hoeneß weinte und weinte und wollte nicht mehr damit aufhören.
Rummenigges Worte und Tränen
Karl-Heinz Rummenigge wandte sich nach unendlichen Minuten voller positiver Nachrichten über die Erfolge des FC Bayern in der abgelaufenen Saison seinem Freund Uli Hoeneß zu und sprach Worte, die eine der bewegendsten Momente in der Geschichte des Klubs nach sich zogen:
"Uli erlebt eine schwierige Zeit. Ich kenne ihn seit 40 Jahren. Er ist ohne Übertreibung der Spiritus Rector des FC Bayern. Ohne sein Zutun wäre der FC Bayern nicht das, was er heute ist."
Rummenigge sprach noch nicht einmal die letzte Silbe aus, da explodierten im Audi Dome die Emotionen. Minutenlang stehende Ovationen für Hoeneß - Mitglieder, der gesamte Vorstand, das Präsidium, der anwesende Josep Guardiola - sie alle standen und sendeten Hoeneß ihren Beifall, ihre Unterstützung. Sie sangen inbrünstig "Uli Hoeneß, du bist der Mann."
Auf der Seite des Präsidenten
Aber auch der beste Mann weint mal. Und er tat es weiter, bis Rummenigge zur Umarmung bei ihm Halt machte. "Ich bin überwältigt", sagte Hoeneß kurze Zeit später. "Nicht nur von deiner Rede, sondern auch von der Reaktion unserer Mitglieder."
Die Zusammenkunft zwischen Mitglieder und Hoeneß war im Vorfeld mit Spannung erwartet worden. Es war die erste Zusammenkunft nach der Steuer-Affäre des Bayern-Präsidenten, der sich im neuen Jahr vor Gericht verantworten muss. Aber jeder Erwartung zum Trotz stand das manchmal auch kritische Mitglieder-Publikum gänzlich auf der Seite des Präsidenten.
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Schon bevor die Veranstaltung begann, war Hoeneß in der Halle. Von der Seite beobachtete er das Treiben der fast 3.500 anwesenden Mitglieder, ließ sich mit den Fans ablichten. Als er um Punkt 19 Uhr seinen Platz auf dem Podium einnahm, hallte es aus jeder Ecke: "Uliiii!"
Hoeneß gesteht Fehler ein
Früh kündigte er an, nicht - wie gewohnt - als Präsident das erste Wort zu ergreifen, sondern hinten heraus zu den Mitgliedern sprechen zu wollen. Ein Fingerzeig für etwas Großes? Als Hoeneß um 21 Uhr das Wort ergriff, war es erneut nicht so, wie es immer war.
Hoeneß gestand Fehler ein, die er begangen habe und ging ins Detail: "Ich habe Kapitalerträge im Ausland nicht deklariert und eine Selbstanzeige über drei Spezialisten anfertigen lassen. Meine Anwälte und ich sind bis heute der Meinung, dass meine Selbstanzeige wirksam ist. Das würde Straffreiheit bedeuten. Die Behörden sehen das nicht so."
Im Audi Dome war es nie so ruhig wie in diesen Minuten. Die Mitglieder hörten gespannt ihrem Präsidenten zu und warteten darauf, was noch kommen sollte. Im Vorfeld wurde über einen Rücktritt Hoeneß' spekuliert. Einen Rückzug, bis es Klarheit um seine Zukunft gibt. Sollte es so kommen?
Kein Rücktritt, aber Vertrauensfrage
Ohne Umschweife kam Hoeneß auf den Punkt: "Es wurden von außen Rufe nach meinem Rücktritt laut", sagte er nun mit lauter und bestimmter Stimmlage, "aber nie aus dem Verein und nur die sind für mich wichtig - und nicht das Handelsblatt."
Rücktritt? Nein. Aber: "Ich habe beschlossen, nach dem Prozess eine außerordentliche Hauptversammlung einzuberufen", kündigte Hoeneß an: "Ich möchte ihnen die Vertrauensfrage stellen, ob ich noch der richtige Präsident für diesen Verein bin."
Und wieder stehende Ovationen für Hoeneß. Wieder schwappten die Emotionen über. Das Votum der Mitglieder war deutlich und vielleicht war es genau die Bestätigung, die Hoeneß brauchte, bevor er den schweren Gang vor Gericht antreten muss. Auch wenn Hoeneß vorher nicht unsicher war, so gefestigt wirkte er hinterher. Als der Abend zu Ende ging, war es dann so, wie es immer war.
"Ulliiiiiiiii!"
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