Als Folge der krassen Abseits-Fehlentscheidungen der vergangenen Tage in der Bundesliga (Hannover 96 - 1. FC Nürnberg) und in der Champions League (Schalke 04 - FC Basel) mehren sich die Stimmen, die nicht nur die Frage Tor oder kein Tor technisch geklärt haben möchten.
Lucien Favre und Thomas Tuchel sowie FCA-Manager Stefan Reuter wollen nach dem Vorbild des American Football einen Oberschiedsrichter installieren. Die Verbände halten davon zwar nichts - dasselbe galt aber auch vor wenigen Jahren noch für die Torlinientechnik.
"Derzeit steht der vierte Schiedsrichter an der Seitenlinie. Es würde mehr Sinn machen, wenn er in einer Kanzel sitzt und das Spiel auf einem Laptop anschaut. Er könnte dann bei Fehlern ein Signal an den Schiedsrichter schicken, die sind doch ohnehin über Funk verbunden", sagte Augsburgs Geschäftsführer Reuter dem "ZDF".
"Nicht jeden Pfiff überprüfen"
Nach Ansicht Favres sollte bei Fällen wie in Gelsenkirchen und Hannover "die Kamera kommen, sonst wird es unfair". Favres Kollege Tuchel möchte zwar "nicht jeden Pfiff überprüfen, sonst wird es inflationär", allerdings sollen nach Ansicht des 40-Jährigen mögliche Fehler bei der Entstehung eines Treffers überprüft werden. Denn anders als in anderen Sportarten "wird im Fußball das Spiel teilweise schon mit einem Tor entschieden".
Die Äußerungen von Tuchel und Co. sind Wasser auf die Mühlen von Ex-Schiedsrichtern wie Markus Merk und dem Schweizer Urs Meier. "Die Schiedsrichter müssen entlastet werden bei den Dingen, die die ganze Welt sieht, nur der Schiedsrichter sieht sie nicht", sagte Meier.Ähnlich argumentiert Merk, der seit Jahren die Einführung einer "Trainer-Challenge" wie im Football fordert. Demnach hätte jeder Coach während einer Partie eine Anzahl von Einsprüchen gegen Schiedsrichter-Entscheidungen zur Verfügung. Diese Einsprüche würden dann anhand der TV-Bilder überprüft.
Schiedsrichter beharren auf Tatsachenentscheidung
Die deutschen Schiedsrichter-Verantwortlichen halten von diesem Vorschlag nichts. Nach Ansicht von Herbert Fandel und Co. würde dieser Eingriff das Spiel zu sehr verändern und die Autorität des Referees untergraben. Wie der Weltverband FIFA beharren auch die deutschen Schiedsrichter-Bosse auf die Tatsachenentscheidung, die nur bei der Frage Tor oder kein Tor gelockert werden soll.
"Ich habe immer gesagt, dass wir für eine Torlinien-Technologie sind, weil sie unsere Arbeit unterstützt. Sie muss aber hundertprozentig funktionieren", sagte Fandel.
Funktioniert haben die Unparteiischen in der laufenden Saison allerdings nicht wie gewünscht. Statistik-Dienste wie Impire beziffern die groben Fehler mittlerweile auf 50. Daran werden die Schiedsrichter bei ihrem Winter-Trainingslager, das vom 13. bis 19. Januar erstmals auf Mallorca und zum ersten Mal in dieser Länge stattfinden wird, ganz sicher arbeiten. Für Nürnbergs Manager Martin Bader ist die interne Behandlung von Fehlern aber nicht mehr genug.
Hecking gegen technische Hilfsmittel
"Was sind die Konsequenzen? Spieler, Trainer und Verantwortliche werden in der Öffentlichkeit ständig beurteilt, Konsequenzen sind sichtbar. Wie aber beurteilen die Verantwortlichen des DFB Fehlleistungen von Schiedsrichtern?", fragte Bader bei "Sport Bild Plus".
Sichtbare Konsequenzen hatte ganz sicher das Phantomtor von Stefan Kießling, das den Verbänden mit Blick auf die Torlinientechnik Beine gemacht hat. Sollten die Profiklubs im März zustimmen, wird die Technologie bereits zu Beginn der kommenden Saison eingeführt - ein Jahr früher als geplant.
Doch auch die Torlinientechnik ist Traditionalisten wie Trainer Dieter Hecking vom VfL Wolfsburg ein Dorn im Auge: "Ich bleibe dabei, ich bin ein Gegner der Technik. Gerade die Diskussionen gehören zum Fußball dazu. Wenn wir mehr Technik zulassen, wird es nicht der Fußball bleiben, den wir lieben."