Türöffner sucht Türspalt

Von Benjamin Wahlen
Adrian Ramos hat in der Hinrunde der laufenden Saison bereits elf Tore für Hertha BSC erzielt
© getty

Adrian Ramos ist die unumstrittene Nummer eins im Sturm von Hertha BSC und führt die Torjäger-Liste der Bundesliga gemeinsam mit Robert Lewandowski an. Trotz der tollen Hinrunde der Berliner, die auf Platz sechs beendet wurde, scheint ein Traum des Kolumbianers in aussichtsloser Ferne zu liegen.

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Es ist bekannt, dass die Bedeutung eines Stürmers für eine Mannschaft nicht nur an seinen Treffern, sondern auch an der Wichtigkeit seiner Tore gemessen wird. Ein Torjäger, der seine Mannschaft in vielen Spielen in Führung bringt, ist deutlich wertvoller, als jener, der beim Stande von 3:0 noch zweimal zuschlägt.

So ein "Türöffner" ist Adrian Ramos. Nachdem er Hertha im Aufstiegsjahr in zehn Spielen in Führung brachte, ist er auch in dieser Saison auf dem besten Wege, seinen First-Strike-Effekt zu bestätigen. Fünf Spiele, in denen er Berlin mit 1:0 in Front schoss, kann der Kolumbianer 2013/14 bereits verbuchen. Dazu kommt sein irrer Auftritt gegen Werder Bremen am 16. Spieltag, als er die Partie nach Rückstand fast im Alleingang drehte.

Den Teilnehmern eines Votings auf "Bundesliga.de" war Ramos' beeindruckende Form sogar den Titel "Spieler der Hinrunde" wert. "Ehrlich gesagt, kann ich mir das auch nicht erklären. Ich nehme mir das nicht extra vor. Ich gehe einfach raus und tue alles dafür, dass der Ball im Netz ist", erklärte der 27-Jährige seinen Lauf gegenüber der "Berliner Morgenpost".

Vertrauen: Ein Geben und Nehmen

Selten verfügte ein Bundesliga-Aufsteiger über einen ähnlich starken Sturm wie Hertha zu Beginn dieser Saison. Neben Ramos, der seine Erstligatauglichkeit in zwei Spielzeiten bereits unter Beweis gestellt hatte, konnte Trainer Jos Luhukay in der Spitze auch auf Pierre-Michel Lasogga zurückgreifen.

Der deutsche U-21-Nationalspieler verletzte sich nach seinem Kreuzbandriss allerdings erneut und konnte nur zusehen, wie sich Ramos mit etlichen Treffern und starken Leistungen in der Sturm-Zentrale festbiss. Lasoggas einzige Möglichkeit, wieder zu Spielpraxis zu gelangen, war der Wechsel zum Hamburger SV. "Zwei gute Spieler auf einer Position geht eben nicht", begründete Luhukay die Entscheidung, Lasogga nach Hamburg zu verleihen und künftig auf Ramos zu setzen.

Dieses Vertrauen zahlt Ramos seinem Coach zurück - Spiel für Spiel, Tor für Tor. Aber Luhukay schätzt nicht bloß seine Abschluss-Qualitäten. Nur wenige Mittelstürmer in der Bundesliga spulen ein ähnliches Laufpensum ab, wie Ramos. "Ich möchte keinen Spieler hervorheben, aber Adrian ist mit seinen Toren und seinem Einsatz schon sehr wichtig", bestätigte der Niederländer.

Ist Ramos der Lewy 2.0?

Immer wieder wird Ramos auch mit anderen Vereinen in Verbindung gebracht - vor allem im Zusammenhang mit der Nachfolge Robert Lewandowskis bei Borussia Dortmund. Der Vertrag des 27-Jährigen, der nie einen Hehl daraus machte, in seiner Karriere bei einem großen Verein spielen zu wollen, läuft im Sommer 2015 aus, weshalb Manager Michael Preetz bereits mit Hochdruck an einer Verlängerung des Arbeitspapiers arbeitet.

Borussia Dortmund: 1a und 1b für Lewandowski?

Klar ist aber auch: Verlängert Ramos nicht, muss Berlin den Stürmer im Sommer verkaufen, um noch eine stattliche Ablösesumme kassieren zu können.

"Es gibt immer Träume und Illusionen, aber ich muss in der Gegenwart leben. Die Gegenwart ist Hertha, und uns geht es gerade wieder richtig gut. Wir sind toll in die Saison gestartet, und wir hoffen, dass es so weitergeht. Dann bin auch ich glücklich", sagte Ramos über seine Zukunfts-Gedanken und ließ sich damit nicht in die Karten schauen.

Konkret angesprochen auf das vermeintliche Interesse von Jürgen Klopp, entgegnete Ramos in der "Berliner Zeitung" allerdings: "Das hat mich sehr stolz gemacht, weil es die Bestätigung meiner Arbeit ist. Und weil Klopp ein großer Trainer ist. Ich kann sagen, dass ich mich in Berlin und mit Jos Luhukay sehr wohl fühle. Wo ich aber in Zukunft spielen werde, weiß ich nicht."

Adrian Ramos und Robert Lewandowski im Opta-Vergleich

Genau wie Lewandowski, ist auch Ramos kein reiner Strafraum-Stürmer, sondern stets unterwegs. Zudem ist er auch auf den Außen einsetzbar. Sogar wesentlich ausgeprägter und erfolgreicher ist die Defensivarbeit des Kolumbianers, wie der Opta-Vergleich zeigt.

Während der zukünftige Spieler des FC Bayern erst drei abgefangene Bälle vorweisen kann, schnappte sich Ramos gleich zwölf Pässe des Gegners. Gleiches gilt für erfolgreiche Tacklings, Blocks und klärende Aktionen. Allerdings könnte sein zeitweise schludriges Umgehen mit Großchancen den BVB von einer Verpflichtung abbringen - zumal Dortmund in dieser Saison schon einige Punkte aufgrund mangelnder Effizienz vor dem Tor liegen lies.

Bekannt ist ein offizielles Angebot der TSG Hoffenheim aus dem Jahr 2011. Der Klub aus Sinsheim bat damals vier Millionen Euro für Ramos - Hertha reagierte mit einer Forderung von zehn Millionen und bereitete den Verhandlungen so ein jähes Ende. Eine ähnliche Coolness können sich die Verantwortlichen im kommenden Sommer nicht erlauben, zu groß ist die Gefahr, einen unglücklichen Ramos für ein Jahr zum Verbleib zu "zwingen" und anschließend ablösefrei zu verlieren.

Keine Chance gegen Falcao und Martinez

Ein weiterer Kandidat in Dortmund soll Ramos' Landsmann Jackson Martinez sein, der derzeit beim FC Porto spielt. Martinez und Superstar Radamel Falcao sind ein Grund, warum der Hertha-Stürmer schon seit einigen Jahren keine Rolle mehr in der kolumbianischen Nationalmannschaft spielt.

Obwohl er seit November 2011 vergeblich auf eine Einladung für die Auswahl seines Landes wartet und es bisher "leider keinen Kontakt" zu Nationaltrainer Jose Pekerman gab, hofft Ramos weiter auf die Chance, an der WM 2014 in Brasilien teilzunehmen. "Dafür werde ich alles tun. Und wenn ich weiter so für Hertha treffe, bin ich hoffentlich dabei."

Dass Ramos, der das Trikot der Cafeteros bisher 22 Mal trug, schon so lange nicht mehr berufen wurde, ist auch seiner Treue zur Hertha geschuldet.

Ein Stürmer, der in der zweiten Spielklasse fernab der Heimat sein Geld verdient, erregt zu wenig Aufmerksamkeit bei den Verantwortlichen eines Verbandes, der im eigenen Land aus einem großen Fundus junger, talentierter Spieler wählen kann.

Dennoch scheint der Zug für den beidfüßigen Herthaner, der sein Bundesliga-Debut unter Mönchengladbach-Coach Lucien Favre feierte, noch nicht abgefahren. Bestätigt Ramos seine ausgezeichneten Leistungen der Hinrunde in der zweiten Hälfte der Saison, wird sich auch Pekerman zumindest Gedanken über den Deutschland-Legionär mit den herausragenden Erstschlag-Qualitäten machen müssen.

Adrian Ramos im Steckbrief

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