"Wann holst du mich nach Dortmund?" Jürgen Klopp musste grinsen: "Dafür müsste ich erst die ganze Mannschaft verkaufen." "Nein, nein, ich komme umsonst!", beteuerte Zlatan Ibrahimovic. Da musste Klopp laut los lachen und suchte die nächste Kamera: "Haben Sie das gehört?"
So schön die Vorstellung für viele Dortmund-Anhänger sein dürfte, Ibrahimovic im schwarz-gelben Trikot spielen zu sehen, so war die Unterhaltung zwischen dem schwedischen Stürmerstar und dem BVB-Coach im Rahmen der Ballon d'Or-Gala nur ein scherzhafter Plausch unter Kollegen.
Die Realität in Sachen Transfers heißt beim Vizemeister nicht Ibrahimovic, sondern Dong-Won Ji. Die Westfalen sicherten sich die Dienste des Südkoreaners zur nächsten Saison, bis dahin wird der Nationalspieler seine Zelte ein zweites Mal in Augsburg aufschlagen. Bei einigen löste der Wechsel Skepsis aus, dabei ist der Transfer bei genauerem Hinsehen für alle Parteien eine Win-Situation - für Ji, den BVB und Augsburg.
Auf der Insel gescheitert
Für Ji selbst war der endgültige Schritt nach Deutschland eine Erleichterung. "Ich wollte im Winter unbedingt den Verein wechseln, um mehr Spielpraxis zu bekommen", so der 22-Jährige, bei dem die WM in Brasilien genauso im Hinterkopf schwirrt wie das gescheiterte Kapitel Premier League.
Zwei Jahre war Ji nur noch Bankdrücker bei den Black Cats. Vier Einsätze in der U 21 in der Saison 2011/12 und sieben Pflichtspiele (dreimal ein-, viermal ausgewechselt) in der laufenden Spielzeit - so lautet die ernüchternde Bilanz des Südkoreaners. Als die Nordengländer vor der Saison noch kräftig in die Offensive investierten und unter anderem Jozy Altidore, Fabio Borini und Emanuele Giaccherini holten, war für Ji der Abschied klar.
Genauso wie der Klub, zu dem es gehen sollte. "Ich hatte in der letzten Saison eine super Zeit beim FCA und daher stand für mich fest, dass ich für den Rest der Saison zum FCA wechseln möchte", sagte der laut "Kicker" auch von Freiburg, Frankfurt und Hamburg umworbene Offensivallrounder.
Europa League statt Klassenerhalt
Dort gelangen Ji letztes Jahr fünf Tore in 17 überzeugenden Spielen. Doch wo er letztes Jahr noch tatkräftig am Klassenerhalt beteiligt war, kommt der Südkoreaner jetzt in die Überraschungsmannschaft der Liga und hat - Stand jetzt - mehr mit dem Kampf um die internationalen Plätze als dem Abstieg zu tun.
Auch Augsburg-Manager Stefan Reuter musste nicht zweimal überlegen. "Er war in der letzten Saison ein ganz wichtiger Spieler. Ji kennt Augsburg, die Mannschaft und das Umfeld", schwärmte der Weltmeister von 1990. Die Qualität im Kader der Fuggerstädter werde er nochmal anheben.
Schon vier Jahre auf dem Zettel
Eine feste Verpflichtung war aber bereits im Vorfeld vom Tisch. "Wir wussten, dass wir keine Chance haben, ihn länger zu verpflichten", so Reuter, der selbstverständlich vom Interesse des BVB gewusst hatte. Bereits im Sommer waren entsprechende Gerüchte aufgekommen. Wie Sportdirektor Michael Zorc dem "Kicker" bestätigte, hatten die Schwarz-Gelben Ji sogar schon 2011 auf dem Zettel.
Als es dann konkret wurde, scheiterte der Wechsel am Finanziellen. "Damals rief Sunderland Zahlen auf, die jeder Grundlage entbehrten", erinnert sich Zorc. Es sollen wohl um die fünf Millionen gewesen sein, die Sunderland als Ablöse forderte.
So agierte der BVB schon wie bei Robert Lewandowski. Warten, den Vertrag aussitzen und den Spieler ablösefrei holen. Wirtschaftlich haben die Borussen smart gehandelt und alles richtig gemacht. Auch sonst ist Ji ein BVB-Transfer, wie er klassischer nicht sein könnte: Keine enorme Summe für einen fertigen Star ausgeben, sondern junge Spieler mit Potential und Perspektive holen.
Ähnliche Stile - perfekte Voraussetzungen
Dass Ji die Bundesliga bereits kennt und sich bei Augsburg noch einmal "einleben" kann, dürfte dem BVB genauso entgegenkommen wie die Tatsache, dass sich die pressing- und konterorientierten Spielstile von Augsburg und Dortmund durchaus ähneln. Die Voraussetzungen vor dem Wechsel könnten besser nicht sein.
Dem Kader der Borussen, dem es in der Breite an Qualität fehlt, wird der Transfer ebenso gut tun. Zumal Ji als flexibler Spieler nahezu überall in der Offensive eingesetzt werden kann und somit perfektes Rotationsmaterial darstellt. In seinen fünf Premier-League-Spielen diese Saison wurde er auf vier verschiedenen Positionen eingesetzt: Als Mittelstürmer, hängende Spitze, Links- sowie Rechtsaußen.
Umstrukturierung der Offensive
Zorc lobte die Vielseitigkeit Jis bereits ausdrücklich. Mit dem Transfer könnte auch die von BVB-Boss Hans-Joachim Watzke angedeutete Umgestaltung der Sturmreihe begonnen haben. Robert Lewandowski wird den Verein Richtung Bayern München verlassen. Und ob Julian Schieber mit seiner stagnierenden Entwicklung eine Zukunft beim BVB hat, ist alles andere als sicher.
Die Dortmunder werden zur nächsten Saison noch eine 1-A-Lösung für den Sturm präsentieren, dahinter wäre man mit dem schnellen und spielstarken Ji und dem 19-Jährigen Eigengewächs Marvin Duksch mehr als ordentlich aufgestellt.
"Kelly Osbourne mitnehmen"
In Anbetracht all dessen scheinen die mit der Verpflichtung einhergehenden Zweifel überzogen. Viele Anhänger bemängelten die fehlende Signalwirkung des Transfers. Rafael Buschmann vom "Spiegel" twitterte scherzhaft: "Mit Ibrahimovic flirten und Ji bekommen, fühlt sich an wie Kate Upton angraben und Kelly Osbourne mitnehmen."
Es steht außer Frage, dass Ji einen Sprung machen muss, um im Kader des Champions-League-Finalisten eine ernsthafte Rolle zu spielen. Die Voraussetzungen sind dafür aber gegeben. Und im Endeffekt profitieren alle davon.
Ji selbst, der endlich spielt und sich für die WM empfehlen kann. Die Augsburger, die für einen läppischen Preis von angeblich 500.000 Euro eine Topverstärkung für ein halbes Jahr bekommen. Und schließlich der BVB, der einen jungen, talentierten und "entwicklungsfähigen" (Zorc) Spieler für umsonst bekommt, der - zumindest in der Breite des Kaders - dem BVB definitiv weiterhelfen kann.
Dong-Won Ji im Steckbrief