Ein sanfter Schuss vor den Bug

Daniel Reimann
19. Januar 201414:09
Beim Testspiel in Salzburg machten Thiago und Co. keine gute Figurgetty
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Trotz der empfindlichen 0:3-Klatsche im Testspiel in Salzburg bleibt der Aufschrei beim FC Bayern aus. Die Niederlage liefert wertvolle Erkenntnisse - und dient zugleich als Warnschuss zur rechten Zeit.

Eigentlich wollte Toni Kroos gar nichts sagen. Schnellen Schrittes und mit müdem Gesichtsausdruck spazierte er nach der 0:3-Pleite in Salzburg an der Journalisten-Horde vorbei Richtung Mannschaftsbus. Doch auf die mehrfache Nachfrage eines Reporters hielt er noch kurz an und gab sich gesprächsbereit.

Als jedoch in der Frage das Schlagwort "Blamage" fiel, war das "Gespräch" schon wieder vorbei. Kroos lächelte süffisant, schüttelte den Kopf und ging wortlos dahin. Diese Dramatisierung des Spielausgangs war ihm dann doch zu viel.

Wie Kroos dürfte es vielen Bayern-Stars ergangen sein. Das anfängliche Staunen über Bayerns hilflosen Auftritt wich bei den meisten Medienvertretern schnell einem alarmierenden Aufschrei. Das beste Team der Welt habe sich blamiert - und das so kurz vor dem Rückrundenstart.

Während ein Franz Beckenbauer bereits zur Halbzeit empört drauflos polterte, blieb Trainer Pep Guardiola hingegen nüchtern: "Es war heute eine gute Lehre für uns", brachte es der Spanier auf den Punkt. Denn tatsächlich förderte die Partie einige wichtige Erkenntnisse zu Tage.

Mittelfeld-Trio auf Rollensuche

Am offensichtlichsten war das (vorerst) eindrucksvoll gescheiterte Experiment Dreierkette. Ein System, auf das Pep schon zu Barcelona-Zeiten oft zurückgegriffen hatte, meist mit Erfolg. "Wir haben das am Freitag trainiert. Ich wollte das testen, um einen Spieler mehr im Mittelfeld zu haben", erläuterte Guardiola seine Beweggründe. Doch gegen Salzburg entpuppte sich sein taktisches Wagnis als größte Schwachstelle des Münchner Spiels.

Die zusätzliche Manpower im Mittelfeld machte sich kaum bemerkbar, weil gerade das Defensiv-Dreieck Thiago/Kroos/Höjbjerg die meiste Zeit des Spiels auf Rollensuche war. Thiago schaltete sich zwar häufig ins Angriffsspiel ein und sorgte dort hin und wieder für Impulse. Doch in der Rückwärtsbewegung wurde die mangelnde Abstimmung mit Pendant Kroos offensichtlich. Die Zuständigkeiten verschwommen, die sonst intuitive und harmonische Organisation im Bayern-Mittelfeld hatte empfindliche Mängel.

Und Höjbjerg? Der junge Däne wusste nicht so recht, wie ihm geschieht. Als Bindeglied zwischen Abwehr und Mittelfeld zeigte sich der Däne oft indisponiert, offenbarte folgenreiche Stellungsfehler und schaltete auch gedanklich zu langsam um. Allerdings war die Bürde für den 18-Jährigen, als Herzstück eines neuen Systems zu fungieren, auch denkbar groß.

Salzburgs Pressing überfordert die Dreierkette

Somit hatte die Dreierkette selbst schon mit schweren Rahmenbedingungen zu kämpfen. Erschwerend kamen eigene Unzulänglichkeiten hinzu, die ein Funktionieren des neuen Systems schier unmöglich machten. Rechtsverteidiger Javi Martinez wurde regelmäßig vom wieselflinken Sadio Mane überlaufen, der die Schnelligkeitsdefizite des Spaniers gnadenlos offenlegte und dessen Tauglichkeit als Außenverteidiger infrage stellte.

Dante war aufgrund der zu behäbigen Umschaltbewegung des Bayern-Mittelfeldes häufig überfordert. Und dann war da noch Jerome Boateng, der durch haarsträubende Unkonzentriertheiten auffiel. In ihrer Addition machten es diese Schwächen den Salzburgern leichter als erwartet.

Die chaotisch agierenden Münchner waren ein gefundenes Fressen für die Gastgeber, die mit ihrem denkwürdig penetranten Pressing den FC Bayern regelmäßig zu Fehlern zwangen. Selbst Guardiola war überwältigt und gestand hinterher, in seiner "Karriere als Trainer" noch nie ein solch intensives Pressing erlebt zu haben.

System "kann keine Ausrede sein"

"Salzburg war aggressiv, wir eher schläfrig unterwegs", gestand auch Thomas Müller. Auch sein Teamkollege Boateng zeigte sich im Gespräch mit SPOX selbstkritisch: "Wir haben heute einfach nicht gut gespielt", stellte er klar. Das neue System aber "kann keine Ausrede sein", so der Verteidiger.

Doch auch Boateng sah keinen Bedarf für Alarmstimmung: "Wir müssen die Lehren daraus ziehen und vieles besser machen", analysierte er besonnen, ganz im Ductus seines Trainers. Guardiola hatte das letzte Testspiel als Gelegenheit für ein kleines taktisches Abenteuer genutzt, das ihm wertvolle, wenn auch keine besonders erfreulichen Erkenntnisse bescherte.

Dass er sein Experiment erst im letzten Test vor Rückrundenstart auf den Weg brachte, erscheint dabei nachvollziehbar. Denn - bei allem Respekt: Kaliber wie Merrikh SC (3:0) und Kuwait SC (8:0) hätten der Dreierkette keine wirklich ernstzunehmende Feuertaufe bescheren können.

Erkenntnisgewinn und Warnschuss zugleich

Dass der FC Bayern nun unmittelbar vor Beginn der Rückrunde einen sanften Schuss vor den Bug erhielt, dürfte den Verantwortlichen sogar Recht sein. Allen voran Sport-Vorstand Matthias Sammer, der ohnehin stets bemüht ist, den Druck im Alltag allen Rekorden zum Trotz hochzuhalten.

Die Pleite von Salzburg dient als Erkenntnisgewinn und Warnschuss zugleich. Der Blick des Bayern-Kollektivs richtete sich nach dem Spiel mahnend auf die Partie gegen Gladbach (Fr., 20.15 Uhr im LIVE-TICKER): "Das darf uns in der Liga nicht passieren. Es gibt keine Ausreden. Wir müssen am Freitag ein anderes Gesicht zeigen", forderte Thomas Müller.

Bis dahin können die Erkenntnisse aus dem Salzburg-Spiel in Ruhe analysiert und verarbeitet werden. Auch Manuel Neuer wollte sich deshalb nicht zu alarmierenden Ansagen verleiten lassen. Denn: "Wir haben noch eine Woche Zeit."

Red Bull Salzburg - FC Bayern: Daten zum Spiel