"Wir haben gesagt, wir wollen etwas Neues aufbauen. So etwas schnell über den Haufen zu werfen, wäre falsch." Mit diesen Worten rechtfertigte VfB-Präsident Bernd Wahler vergangene Woche die Rückendeckung für Thomas Schneider. Sechs Tage später wurde dann doch alles über den Haufen geworden und Schneider entlassen.
So lange es nur irgendwie ging, hielt Stuttgart am Coach fest. Ob nach der Klatsche von Hoffenheim oder den bitteren Last-Minute-Pleiten gegen Hertha und Frankfurt: Schneider blieb. Denn Schneider war mehr als nur ein Trainer, er war ein Symbol.
Symbol für das Umdenken, das mit Bruno Labbadias Entlassung und Schneiders Beförderung zum Chefcoach kommuniziert wurde. Anstatt einen großen Namen von außerhalb zu verpflichten, wurde der B-Jugendtrainer hochgezogen. Ein junger, akribischer Coach mit Stallgeruch. Einer, der sich seit Jahren mit dem Verein identifiziert und die Jugendabteilung haargenau kennt.
Abrücken von der eigenen Philosophie
Schneider war quasi die Stuttgarter Variante von Thomas Tuchel und Co. Mit ihm sollte der Jugend eine größere Bedeutung beigemessen und Talente stärker gefördert werden. Schneider war das Gesicht dieser Philosophie.
Schneider scheiterte. Aus Gründen, die ebenso zahlreich wie unterschiedlich sind. Mit seiner Entlassung und Stevens' Verpflichtung hat der VfB die im August verkündete Philosophie wieder begraben. An die Stelle des jungen, im Verein verwurzelten Nachwuchstrainers rückt ein erfahrener Feuerwehrmann mit etabliertem Namen. Ein Trainertyp, wie man ihn nach Labbadias Ende bewusst vermeiden wollte.
Doch die aktuelle Tabellensituation zwang die Vereinsverantwortlichen dazu. Die Angst vor dem Abstieg und den dramatischen Konsequenzen nötigte Bobic und Co. ein Abrücken von selbst gesteckten Richtlinien ab. Pragmatismus siegt über die eigenen Prinzipien.
Stevens: Bobic' letzter Strohhalm?
Besonders Bobic steht nun im Fokus. Schneiders Vorgänger Labbadia hielt sich immerhin noch zweieinhalb Jahre. Unter ihm erlebte Stuttgart eine bewegte, oftmals bedrohliche Ära, die aber auch Erfolgserlebnisse wie den Achtelfinaleinzug in die Europa League oder das DFB-Pokalfinale 2013 mit sich brachte.
Schneider hingegen konnte nur einen kurzzeitigen Aufwärtstrend bewirken. Nach seinen ersten vier Bundesligaspielen ging es sukzessive bergab. Bis Bobic die Reißleine zog und - um es mit Wahler zu formulieren - alles über den Haufen warf.
Das Pikante daran: Es war nicht Schneiders Kopf, den die Fans nach dem Braunschweig-Spiel forderten. Stattdessen sah sich Sportdirektor Bobic mit "Bobic-raus"-Rufen konfrontiert, als er sich nach Abpfiff dem eigenen Anhang stellte.
Für Bobic kommt mit Stevens also nicht nur ein neuer Trainer, sondern wohl auch sein eigener letzter Strohhalm. Ein Misserfolg von Stevens wäre eng mit Bobic' Namen verbunden - womöglich zu eng.
Fredi Bobic im Steckbrief