Roberto Firmino ist zwar erst 22 Jahre alt, dennoch könnte man ihn einer schon vergangenen Generation von Spielern der TSG Hoffenheim zuschreiben. Firmino ist so etwas wie die letzte Hinterlassenschaft Ralf Rangnicks im Kraichgau. Im Dezember 2010 brachte der damalige Trainer den Transfer des Brasilianers über die Bühne. Im darauffolgenden Januar war die Ära Rangnick bei der TSG beendet.
Eine Ära, die geprägt war vom Durchmarsch aus der Regionalliga in die Bundesliga bis hin zur Herbstmeisterschaft 2009. Eine Ära, die gesponsert war von Dietmar Hopps Millionen im dreistelligen Bereich. Neues Stadion, neue Verträge und hohe Ablösesummen für ausländische Spieler, die auch zu einem negativ behafteten Image der Hoffenheimer beitragen sollten.
Carlos Eduardo, Luiz Gustavo, Wellington und eben Firmino, der mit einer geschätzten Ablöse von vier Millionen Euro auf den ersten Blick relativ billig erschien. Bedenkt man, dass der Offensivspieler bis dato lediglich in Brasiliens zweiter Liga für den FC Figueirense aufgelaufen war, erscheint dies jedoch in einem anderen Licht.
"Von Clip zu Clip wurde der Appetit größer"
Auf "YouTube" habe er Firmino zum ersten Mal gegen einen Ball treten sehen. "Von Clip zu Clip wurde der Appetit größer", berichtete Rangnick. Firmino war damals einer von vielen bei der TSG. Technisch und offensiv mit enorm viel Potenzial ausgestattet, in der Defensive hingegen undiszipliniert und kaum zu gebrauchen. Ganz nach dem Geschmack von Ralf Rangnick: Der vielzitierte Rohdiamant, der in Hoffenheim den entscheidenden Schliff bekommen sollte.
Spätestens seit dieser Saison scheint dieser Schliff gelungen. Einst glänzte er durch Eigensinn, fiel vor allem durch seine Haarpracht auf, markierte auf dem Platz schnell den Beleidigten wenn es nicht ganz nach seiner Wunschvorstellung lief. Mittlerweile hat Firmino seinen unbestritten herausragenden Attributen weitere hinzugefügt. Er stellt sich in den Dienst der Mannschaft. Er glänzt nicht mehr nur als Vollstrecker, sondern legt auch Tore auf. Seine Aktionen wirken durchdachter und zielstrebiger als früher.
Auch in der Defensive machte er Fortschritte, wie sein Trainer Markus Gisdol im Wintertrainingslager feststellte: "Roberto ist technisch stark und bringt eine hohe Laufbereitschaft mit. Seine offensiven Qualitäten sind bekannt. Er hat zuletzt vor allem sein Spiel gegen den Ball stark verbessert und sich dadurch zu einem guten Pressing-Spieler entwickelt", so Gisdol.
Vertragsverlängerung ein Signal
Stars wie Carlos Eduardo und Luiz Gustavo sind längst weg aus Hoffenheim. Auch bei Firmino war dies abzusehen. Spätestens in der laufenden Saison wurde das Interesse am Offensivspieler lauter und lauter. Atletico Madrid, der FC Liverpool, Inter Mailand und vor allem auch Schalke 04 hatten ihre Fühler ausgestreckt. Die TSG-Verantwortlichen reagierten und verlängerten vorzeitig.
Ein ebenso überraschendes wie auch starkes Signal von beiden Seiten. Denn: Wie jeder andere Brasilianer auch träumt Firmino von einer Nominierung für die Selecao und bleibt nun im Kraichgau - wohlwissend, dass die Chancen, sich auf der internationalen Bühne für Brasiliens Auswahl zu präsentieren bei einem Spitzenklub in Spanien, England oder Italien größer gewesen wären.
Das Signal der TSG: Wie schon bei Eduardo oder Gustavo hätte man auch bei Firmino im Fall eines Wechsels eine Millionensumme im zweistelligen Bereich einfahren können. Darauf wurde verzichtet, um stattdessen zu höheren Bezügen zu verlängern.
"Meilenstein in unseren Planungen"
Ein klares Zeichen der Hoffenheimer Wertschätzung am Offensivkünstler als eine der tragenden Säulen bei der TSG - und das mit 22 Jahren. Dazu passt die Aussage von Gisdol, der sich anlässlich der Vertragsverlängerung über "einen Meilenstein in unseren Planungen" freute. Wohl auch deshalb, weil Firmino mit seinem Bleiben im Kraichgau anderen umworbenen Akteuren wie Kevin Volland oder Anthony Modeste eine Perspektive bei der TSG bietet und deren Verbleib sichern kann.
Auch Firminos Kommentar zur Vertragsverlängerung lässt Rückschlüsse auf die Ambitionen der Hoffenheimer zu: "Ich fühle mich hier sehr wohl. Mir gefällt der vom Verein eingeschlagene Weg. Wir spielen einen aufregenden Fußball, der Teamgeist ist super, und ich werde weiter hart an mir arbeiten, um der Mannschaft auch künftig so gut es geht zu helfen."
Der Traum von der WM
Geholfen hat er der TSG in der laufenden Saison schon oft. Mit 14 Toren und zehn Assists blickt er von ganz oben der Bundesliga-Scorerliste herab auf Namen wie Robert Lewandowski und Mario Mandzukic.
Und auch seinen Traum von der WM im eigenen Land hat er noch längst nicht begraben: "Natürlich würde ich gerne bei der Weltmeisterschaft dabei sein. Es wird schwer, denn das Team steht schon in weiten Teilen fest. Aber vielleicht kann ich mir mit einer tollen Rückrunde den Traum noch erfüllen." Seinen Worten ließ er bislang Taten folgen und führte die TSG in der Rückrundentabelle auf Platz fünf.
Für das internationale Geschäft wird es dennoch nicht reichen im Kraichgau. Dafür war die Hinrunde zu schwach und dafür fehlt vor allem auch die Balance zwischen Offensive und Defensive.
Mit dem FC Bayern erzielte nur ein Team in der laufenden Saison mehr Tore als 1899. Demgegenüber stehen 62 Gegentore und damit die schlechteste Defensive aller Klubs, was zur These führt, dass die TSG mit einer halbwegs geordneten Abwehr im nächsten Jahr in Richtung Europa schielen könnte.
Heldt vermutet Ausstiegsklausel
Firmino kann in jedem Fall dazu beitragen. Sein neuer Vertrag in Hoffenheim läuft bis 2017, das Werben um ihn wird dennoch vorerst nicht aufhören. Schalke-Manager Horst Heldt, der den 22-Jährigen schon in diesem Sommer gerne bei den Königsblauen gesehen hätte, vermutet eine Ausstiegsklausel im neuen Arbeitspapier.
"Er hat ein hochprofessionelles Management, das kennt sich in- und auswendig im Geschäft aus. Er weiß genau, zu welchem Zeitpunkt er einen Vertrag verlängert und auch, was für Möglichkeiten es gibt, während einer Vertragslaufzeit aus einem Vertrag herauszukommen", so Heldt bei "Sky90".
Er könnte Recht behalten. Ein Spieler mit den Qualitäten Firminos sollte international spielen. Gelingt dies der TSG auch im nächsten Jahr nicht und behält Firmino seine derzeitige Form bei, könnte es trotz des neuen Vertrages schwierig werden, ihn zu halten. Auch das wäre ein Zeichen für seine Mitspieler.
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