Aus dem Zufall wurde erst ein Glücksfall. Und aus dem Geldmacher wird am Freitag die formal wichtigste Figur des FC Bayern München.
Karl Hopfner soll am Freitag exakt 50 Tage nach dem Richterspruch gegen Uli Hoeneß auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung zum neuen Präsidenten des FC Bayern gewählt werden.
Er tritt dann den leichtesten Job an, den man sich nur vorstellen kann - und gleichzeitig auch den schwersten. Weltweit lassen sich nur wenige Klubs finden, die ähnlich gut strukturiert sind wie der FC Bayern, der jedes Jahr neue Rekordzahlen vermelden kann und immer noch weiter, noch schneller und noch nachhaltiger wächst.
Gegenentwurf zu Hoeneß
Es könnte so eine schöne Aufgabe sein, diesen Klub als oberste Instanz zu repräsentieren. Wäre da nicht der Schatten, den Vorgänger Hoeneß immer noch wirft. Auch wenn die gelebte Abteilung Attacke seit Wochen nur noch eine Randerscheinung ist und schon bald für geraume Zeit ganz von der Bildfläche verschwindet.
Sportlich durchlaufen die Bayern nicht erst nach dem Aus in der Champions League ein Tal und es gibt nicht wenige, die jetzt schon das Horrorszenario skizzieren von einem verlorenen Pokalfinale gegen Borussia Dortmund - was zum Abschluss einer famosen Rekord-Saison die größte anzunehmende Enttäuschung wäre. Gerade jetzt, da die Mannschaft auf der Suche nach sich selbst ist, fehlen Hoeneß' Einschätzungen. Sein Rat. Seine Hilfestellung. Vielleicht auch seine schonungslose Kritik.
Von Karl Hopfner werden populäre oder populistische Ansagen nicht erwartet. Der 61-Jährige wird ein gänzlich anderer Präsident werden als Hoeneß. Vor zwei Jahren hat er seinen Job als Finanzvorstand bei den Bayern aufgegeben und sich aus dem operativen Geschäft zurückgezogen. Auch aus gesundheitlichen Gründen, wie er stets betonte. Außerdem musste "nach dreißig Jahren mit höchstens zwei Wochen Urlaub pro Jahr irgendwann auch mal Schluss sein."
Rückkehr aus Liebe zum Klub
Jetzt war bereits am Abend von Hoeneß' Verurteilung klar, dass Hopfner auf sanften Druck des Verwaltungsbeirats zurückkehren wird. "Ich mache das wirklich nur für den FC Bayern, weil ich dem Verein so viel zu verdanken habe, da kann man in dieser nicht leichten Situation nicht Nein sagen", erklärt Hopfner seinen Entschluss.
Seit über 30 Jahren ist er im Klub, er hat dem FC Bayern wie Hoeneß fast sein komplettes Berufsleben über gedient. Auf eine handelsübliche Stellenanzeige in der "Süddeutschen Zeitung" hatte sich der gelernte Industriekaufmann und studierte Betriebswirt 1982 bei den Bayern beworben und gegen rund 400 Kontrahenten durchgesetzt. "Alle Besseren haben wohl von sich aus abgesagt", witzelt Hopfner gern.
"Ludwig Erhard des FC Bayern"
"Einen Glücksfall" nennt Hoeneß den Mann, der sich unter den Granden und vielen Ehemaligen im Klub stets zurückgehalten hat. Hopfners große Momente folgten auf Versammlungen, wenn er stolz jene Zahlen präsentieren durfte, die über Jahrzehnte aus einem mittelständischen Unternehmen mit zwölf Mitarbeitern einen Weltkonzern gemacht haben mit fast 500 Angestellten. Die aus 25 Millionen D-Mark Umsatz im Jahr rund 400 Millionen gemacht haben und einem Eigenkapital von fast 300 Millionen Euro.Das bayerische Wirtschaftswunder ist untrennbar verknüpft mit dem Namen Karl Hopfner. "Er ist der Ludwig Erhard des FC Bayern - nur eben ohne Zigarre", sagt Karl-Heinz Rummenigge. "Niemand hat sich je gewünscht, dass wir einen Nachfolger für Uli Hoeneß finden müssen. Doch wenn - dann können wir uns keinen besseren Kandidaten als Karl wünschen. Er war der am meisten unterschätzte Mann in unserer Geschäftsführung."
Bald auch Aufsichtsratschef
Hopfner war in München schon Geschäftsführer, später Finanzvorstand, stellvertretender Vorstandschef und hatte einen Sitz im Aufsichtsrat. Als Mitglied im Vorstand der Deutschen Fußball Liga, des Deutschen Fußball-Bundes und der Klub-Kommission der Europäischen Fußball-Union ist er hervorragend vernetzt. Zum Job des Präsidenten soll alsbald auch der Aufsichtsratsvorsitz der FC Bayern AG dazu kommen. Derzeit hat Adidas-Chef Herbert Hainer das Mandat inne.
Es wird jede Menge gelobhudelt und auf die Schultern geklopft im Profi-Fußball. Dabei verrichten die Protagonisten auch nur ihren Job.Bei Karl Hopfner ist ein wenig mehr als die übliche Beweihräucherung aber in der Tat angebracht. "Ohne ihn wäre der FC Bayern nicht das, was er heute ist. Trotz Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge", sagt Franz Beckenbauer. Und die Worte des Kaisers scheinen nicht übertrieben.
Bayerns finanzielles Gewissen
Manchmal erinnere sich Hopfner daran, wie er in seinen Lehrjahren bei den Bayern den Spielern das Gehalt noch im Lohntütchen überreicht hat. Hunderte von Verträgen und Refinanzierungsmodelle hat er ausgetüftelt, mit ihm zu verhandeln sei "kein Spaß", wie Bastian Schweinsteiger sagt.
"In unserer knapp 30-jährigen Zusammenarbeit war ich immer mehr der Geschäfteaufreißer und Geschäftemacher", erinnert sich Hoeneß. "Der Karl hat dann aus ein paar losen Zahlen mit seiner detailversessenen Art ganze Verträge entworfen. Dass der FC Bayern der vielleicht bestgeführte und wirtschaftlich gesündeste Vereint der Welt ist, hat auch sehr viel mit seiner Person zu tun."
Als finanzielles Gewissen des Vereins hat sich Hopfner einen akkuraten Ruf erarbeitet. Er steht dabei nicht nur für solides Wirtschaften, sondern hat in der Vergangenheit auch bewiesen, dass er durchaus auch zu kalkuliertem Risiko bereit ist. "Geld schießt Tore, das ist meine feste Überzeugung. Qualität kostet", sagt Hopfner, der schon vor Jahren Transfers in der Größenordnung von 60, 70 oder 80 Millionen Euro bei den Bayern nicht ausschließen mochte.
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Überraschende Attacke gegen Watzke
Wenn er ab Freitagnacht die Geschicke des Vereins in anderer Funktion führen soll, rückt er automatisch mehr in den Fokus als in all den Jahren davor. Dabei wird er nicht oft als der hemdsärmelige Polterer auftauchen, der Hoeneß bisweilen war.
Umso mehr überraschte Hopfner im Streit um das Darlehen der Bayern an Borussia Dortmund, als er neben den gewohnten Inhalten auch scharf austeilte und BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke unter anderem der Lüge bezichtigte. Einige Beobachter vermuten, dass Hopfner durch die Attacke sein Profil schärfen wollte.
Der Zwist schwelt vorerst weiter, weil weder Watzke noch Hopfner von ihrem Standpunkt abweichen wollen. Im Vorfeld des Pokalfinales in Berlin Mitte Mai könnten beide dann erstmals wieder an einem Tisch zusammenkommen und die "Eiszeit" beenden. Oder auch nicht.
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