Als Pep Guardiola am Freitagmittag den kleinen Presseraum an der Säbener Straße mit einem Lächeln betrat, war bereits klar, wohin die Reise gehen wird. Zur Pressekonferenz vor dem Spiel beim Hamburger SV hatte der Rekordmeister geladen, so wirklich interessierte das Bundesligaspiel gegen den abstiegsgefährdeten Bundesliga-Dino freilich niemanden.
Zu präsent sind noch die Bilder der Woche, zu "groß" (Guardiola) war die Niederlage in der Champions League gegen die Königlichen aus Madrid.
Die schallende 0:4-Ohrfeige vor heimischen Publikum, es war die höchste Europapokal-Heimniederlage in der Geschichte der Roten, machte für viele aus der vermeintlich besten Mannschaft der Welt einen Krisenklub - und aus einer guten Saison eine verkorkste.
"Umso mehr überzeugt"
"Zwei Tage nach so einer Niederlage sieht es jetzt aus, als wäre alles schlecht ", sagte Guardiola, der zugab, den emotionalen Schalter nicht einfach so umlegen zu können. "Diese Niederlage werde ich nie vergessen. Sie bleibt immer in meinem Herzen und in meinem Kopf."
Immer wieder war die dominante aber ertragslose Spielweise der Münchner nach dem Debakel kritisiert worden. Doch Guardiola machte energisch gestikulierend klar, dass er nicht hier sei, um den deutschen Fußball zu verändern. Aber er wolle sein Spiel spielen. Es gehe um seine Ideen, wie er unzählige Male wiederholte. Und "nach der Niederlage gegen Real bin ich von meiner Idee umso mehr überzeugt."
Guardiola schärft sein Profil
Guardiola hat seine anfängliche Demut abgelegt. Betonte er zu Beginn seiner Amtszeit noch bei jeder Gelegenheit, welche Ehre es sei, diesen Klub und diese Spieler trainieren zu dürfen, so tritt der Spanier mittlerweile anders auf.
Der 43-Jährige schärft sein Profil und wird deutlicher. Sein hohes Standing lebt und kommuniziert er mittlerweile auch nach Außen. Kleinlaut und zurückhaltend war gestern. Die Kritik an seiner Person? "Muss ich akzeptieren." Rückendeckung vom Vorstand? "Nicht wichtig."
Der FC Bayern hat den Spanier schließlich im Sommer geholt, weil man auf Dauer der Eliteklasse des Weltfußballs angehören möchte. Weil man als Spitzenklub Dominanz ausstrahlen will. Der Gewinn des Henkelpotts soll nicht wieder über ein Jahrzehnt auf sich warten lassen, sondern ein jährlich realistisches Ziel sein.
Mit dem Trainer Guardiola hat man den Grundstein für diese Zukunft gelegt. Mit der Verpflichtung des Spaniers war klar, dass er dem Rekordmeister genau dazu verhelfen kann: Dominanz. Guardiola zieht seine Idee vom Fußball durch, er lässt das Spielen, wofür er steht. Das wollten die Münchner - und das haben sie bekommen.
Dafür muss Guardiola jetzt erstmals in der bislang überragenden Saison, in der fast alle Rekorde aus 51 Jahren Bundesliga unter die bayerischen Räder kamen, harte Kritik einstecken. Das Quergeschiebe würde zu nichts führen, Ballbesitz schieße keine Tore, ja er würde sogar auf den Spuren von Louis van Gaal und dessen langweiligem und uninspirierten Fußball wandeln.
Contento innen, Javi auf der Zehn
Dabei hat Guardiola, wie bei seinem Amtsantritt angekündigt, sich und seine Ideen dem Kader der Bayern angepasst. Die Unkenrufe bezüglich fehlender Variabilität und eines fehlenden Plan Bs wirken ob der Experimente, die Guardiola in seiner Debutsaison durchgeführt hat, wie ein schlechter Scherz.
In Stuttgart agierten die Münchner mit einer Doppelspitze, gegen den BVB lief Javi Martinez als Zehner auf, Diego Contento spielte in der Champions League gegen Pilsen Innenverteidiger. Beim Freundschaftsspiel in Salzburg testete er in der Abwehr eine Dreierkette.
"Ich spreche mit den Spielern über meine Ideen. Ich muss mich der Qualität der Spieler anpassen", wehrte sich der Coach dagegen, seine Spielweise aus Barcelona-Tagen stur durchzuziehen. "Ich habe bei Barcelona ohne echten Stürmer gespielt, hier immer mit einem, manchmal mit zwei Stürmern."
Eine dieser Ideen ging am Dienstag nach hinten los, als Bastian Schweinsteiger und Toni Kroos das Mittelfeld gegen die Königlichen nicht unter Kontrolle bekamen. "Eine Halbzeit" von vier - die erste im Rückspiel - malte Guardiola mit Gesten in die Luft, sei für das Aus gegen Real entscheidend gewesen. Warum? "Weil wir den Ball nicht hatten."
"Es gibt im Fußball nur zwei Dinge"
Als Guardiola in München vorgestellt wurde, mahnten alle - Offizielle, Fans und am meistens er selbst -, dass es vor allem eins brauche: Zeit. Zeit, um sich und sein System den Spielern anzupassen. Wie gut es dann ganz ohne Zeit von Anfang an lief, war selbst für den Star-Coach unerwartet. "Ich bin überrascht wie gut sie das diese Saison gemacht haben", so Guardiola, der zu Recht nicht müde wird, auf die Klub-WM, den europäischen Supercup und die früheste Meisterschaft aller Zeiten hinzuweisen.
Doch der Spanier weiß auch: "Es gibt im Fußball nur zwei Dinge. Gewinnen und Verlieren. Wenn ich nicht gewinne, bin ich im Risiko." Bei aktuell drei Titeln mit der Aussicht auf einen vierten und dem Aus im Halbfinale der Königsklasse scheint sich das Risiko für Trainer undVerein aber in Grenzen zu halten.
Am Schluss verlor Pep dann tatsächlich noch ein paar Worte über die Partie gegen den HSV. Eine wichtige "Vorbereitung" vor den Pokal-Clash gegen den BVB sei es. Und die Chance, um wieder "Selbstvertrauen" zu tanken.
Die Elf für das Endspiel in Berlin wird dabei noch nicht auf dem Platz stehen. Gegen Hamburg brauche es schließlich eine andere Mannschaft. Eine eigene Idee. "Wir werden mit meinen Ideen spielen. Sonst kann ich nicht hier trainieren - wenn ich etwas tun müsste, was ich nicht fühle."
Pep Guardiola im Steckbrief