Fast alles anders

Pep Guardiola geht in seine zweite Saison als Trainer des FC Bayern
© getty

Vor einem Jahr glänzte der FC Bayern beim Telekom Cup. Bei der neuerlichen Auflage erwarten die Münchner nicht allzu viel von sich selbst (Sa., 20.30 Uhr im LIVE-TICKER). Die Probleme liegen auf der Hand. Pep Guardiola geht gelassen an die neue Herausforderung heran.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Der Andrang war riesig, das Blitzlichtgewitter enorm. Die erste Pressekonferenz von Pep Guardiola war ein großes Ereignis, eine richtige Inszenierung. Der Spanier kam im maßgeschneiderten Dreireiher und überraschte mit seinen guten Deutschkenntnissen.

Als Guardiola ein Jahr später zum ersten Mal in der Saison 2014/15 vor die Presse trat war alles etwas beschaulicher. Der Trainer kam im Sportoutfit mit kurzer Hose und T-Shirt, als Veranstaltungsort musste es nicht das Auditorium der Allianz Arena sein, es reichte der kleine Presseraum an der Säbener Straße. Nur Guardiolas Deutsch war noch immer irgendwie unverändert.

Guardiola hat bei seinen öffentlichen Statements mittlerweile eine Mischung aus Deutsch, Englisch und Spanisch etabliert. Wer ihm zum ersten Mal zuhört, kann nicht immer sofort folgen. Es bedarf schon einer gewissen Pep-Erfahrung, um die Sätze und ihre Bedeutung richtig zu verstehen. Dem 43-Jährigen fehlte schlicht die Zeit, in den vergangenen Monaten in Deutschstunden an der Fremdsprache zu feilen.

Der Makel Madrid

Es gab Wichtigeres zu tun, schließlich hatte er von Jupp Heynckes eine Triple-Sieger-Mannschaft übernommen. Und von Guardiola wurde nicht viel weniger als die Bestätigung dieses Erfolges erwartet. Bis zum Halbfinale gegen Real Madrid spielten die Bayern eine grandiose Saison.

Guardiola überraschte im Laufe der Spielzeit mit taktischen Varianten, neue Positionen für etablierte Spieler und mutigem Coaching während der Partien. Der FC Bayern dominierte die Liga, gewann am Ende sogar das Double, musste aber mit dem Makel der Madrid-Blamage leben.

Festhalten an den Ideen

Das 0:4 war eine Zäsur in der Ära Guardiola. Zum ersten Mal wurden seine Spielidee und seine Entscheidungen infrage gestellt. Dass Spanien mit seinen vielen ehemaligen Barca-Schützlingen und auch von ihm etablierten Ballbesitzfußball bei der WM 2014 in der Vorrunde scheiterte, zog auch am Donnerstag noch Fragen nach sich.

Ob er deshalb seine Spielweise überdenken müsse, wurde er gefragt. Guardiola war schon anzumerken, dass er mit solchen Überlegungen wenig anfangen kann. Er lobte die "intelligente Konsequenz" des spanischen Verbandes, dass Vicente del Bosque Trainer bleibt und erklärte, dass Spanien mit neuen Spielern, aber der gleichen Spielidee wieder erfolgreiche sein werde.

"Du musst darauf vertrauen, an was du glaubst", sagte Guardiola. Diese Sätze durfte man durchaus auch auf den FC Bayern übertragen. Er hatte sie so ähnlich auch im Anschluss an das Aus in der Champions League formuliert.

Nach seiner ersten Saison in Deutschland fühlt er sich besser vorbereitet. Er kennt die Liga, die Spieler und seine Trainerkollegen. Er weiß, was auf ihn zukommt. "Ich bin weniger nervös und gemütlicher."

Lahm und Alaba im Mittelfeld

Guardiola wird auch in der anstehenden Saison Ballbesitz und Spielkontrolle als wichtigste Mittel zum Erfolg definieren. Er lobte aber auch explizit die Fokussierung und den Teamgeist der deutschen Nationalmannschaft, die mitentscheidend waren für den WM-Titel. Diese Komponenten sind für Guardiola ebenfalls grundlegend.

Er plant weiterhin mit Philipp Lahm im Mittelfeld. Auch David Alaba wird dort zukünftig öfter auflaufen, weil nach dem Abgang von Toni Kroos ein Platz freigeworden ist und mit Juan Bernat ein neuer Linksverteidiger verpflichtet wurde.

Außerdem soll Thiago nach seiner von Verletzungen geprägten ersten Saison endlich der Fixpunkt im Bayern-Mittelfeld werden. Mit der Rückkehr des spanischen Nationalspielers ist aber erst im September zu rechnen.

Zerstückelte Vorbereitung

Es ist ohnehin die große Aufgabe dieser Vorbereitung, die Mannschaft zum Start in einen guten Zustand zu bringen und ohne großes Ruckeln in die Saison zu starten.

Aktuell stehen mit Rafinha, Alaba, Bernat, Javi Martinez, Pierre-Emil Hojbjerg und Robert Lewandowski nur sechs Spieler zur Verfügung, die auch im Wettbewerb hochkarätige Kandidaten für die Startelf sind. Am Montag beenden Xherdan Shaqiri und Julian Green ihren Urlaub.

Franck Ribery, Holger Badstuber, Sebastian Rode, Claudio Pizarro und Thiago sind nach ihren zum Teil langwierigen Verletzungen noch im Aufbautraining. Die acht WM-Teilnehmer, die bis zum Schluss im Turnier waren (Lahm, Schweinsteiger, Müller, Neuer, Boateng, Götze, Robben, Dante), stoßen erst am 5. August auf der Audi Summer Tour in Portland zum Team.

Es gibt aus sportlicher Sicht bessere Einstiegsmöglichkeiten als einen Trip an die Westküste der USA und wieder zurück innerhalb von 72 Stunden. Eine geordnete Vorbereitung sieht anders aus.

Kein Platz für Klagen

Sportvorstand Matthias Sammer hat die Situation im "Kicker" als "abenteuerlich" bezeichnet. Guardiola sagte, nach Welt- oder Europameisterschaften sei es einfach "anders". Es gehe vor allem darum, auf die Spieler zu warten und sie dann individuell auf ihr Top-Niveau zu führen.

"Im Moment habe ich Probleme, elf Spieler zu finden", sagte Guardiola, der die offensichtlichen Probleme aber nicht als Ausreden gelten lassen und kein Klagen hören will. "Vielleicht erreichen wir nicht sofort unser Niveau, aber wir müssen uns der Situation anpassen." Hoffnung macht Guardiola ein Blick zurück. Als Spanien 2010 Weltmeister wurde, gewann er in der Saison darauf die Meisterschaft und die Champions League mit Barca.

Immerhin sei die seit 9. Juli laufende Vorbereitung ein guter Moment, um Spieler auch auf anderen Positionen zu testen und mit den Nachwuchsspielern aus der Akademie zu arbeiten. "Wenn wir nicht mit unseren Stammspielern spielen können, spielen wir eben mit anderen wie Gaudino oder Scholl", sagte Guardiola lapidar. Die Söhne der Ex-Profis kamen in den beiden Testspielen bisher zum Einsatz.

Außenseiter beim Telekom Cup

So wird der FC Bayern auch beim Telekom Cup mit einer Mischung aus Spielern des Bundesligateams und der Juniorenmannschaften auflaufen. Gala-Auftritte wie bei der letztjährigen Ausgabe, als der HSV mit 4:0 und Borussia Mönchengladbach mit 5:1 weggefegt wurden, sind nicht zu erwarten.

"Damals hatten wir den ganzen Kader zur Verfügung und haben gewonnen. Ich denke nicht, dass wir in diesem Jahr gewinnen werden", sagt Guardiola. Auch das ist etwas Neues: Der FC Bayern stapelt tief und geht als Außenseiter in ein Turnier.

Bayern München im Überblick