SPOX: Herr Metzelder, der FC Bayern ist auch in diesem Jahr Titelkandidat Nummer eins. Sehen Sie Borussia Dortmund als ersten Verfolger?
Christoph Metzelder: Ja, Dortmund ist vor allem in der Breite sehr gutaufgestellt. Die Frage ist, wie der Abgang von Robert Lewandowski abgefangen werden kann und wie schnell die Rückkehrer wieder ins Team und zu alter Form finden. Marco Reus hat jetzt im Pokal schon wieder gespielt, Bender steht vor dem Sprung und auch Gündogan macht Fortschritte.
SPOX: Weder Adrian Ramos noch Ciro Immobile werden Lewandowski eins zu eins ersetzen können. Wie kann der BVB diese Lücke trotzdem füllen?
Metzelder: Momentan fällt auf, dass gerade Henrikh Mkhitaryan und Pierre-Emerick Aubameyang im Vergleich zum ersten Jahr deutlich zugelegt haben und eine wichtige Rolle in der Offensive einnehmen werden. Der BVB und Jürgen Klopp schaffen es oft, Spieler in einem Moment zu verpflichten, in dem diese den absoluten Durchbruch noch nicht geschafft haben und in Dortmund dann zu Topstars entwickelt werden. Sicher wird auch Immobile erstmal Zeit brauchen, um sich an die Bundesliga, das neue Umfeld und die neue Mannschaft zu gewöhnen. Wenn alles zusammen passt, kann der BVB die Bayern angreifen.
SPOX: Eine vielversprechende Zukunft wird auch Weltmeister Matthias Ginter zugesagt, der aus Freiburg kam. Kann er sich im Kampf um die Position neben Mats Hummels durchsetzen?
Metzelder: Dortmund hat vier Topspieler auf der Innenverteidiger-Position und es wird schwer für Ginter, sich da durchzusetzen. Ich gehe davon aus, dass es Michael Zorc nur in einem bestimmten Zeitfenster möglich war, Ginter zu holen, und das hat man natürlich auch gemacht. Man darf aber auch nicht vergessen, dass Dortmund in vielen Wettbewerben spielt. Da wird jeder auf seine Einsatzzeiten kommen.
SPOX: Kann Schalke 04 die Lücke zum Top-Duo schließen?
Metzelder: Schalke hat sich sinnvoll verstärkt, gerade auf den offensiven Außenpositionen. Sie haben einen sehr jungen Kader mit hoffnungsvollen Talenten wie Kaan Ayhan, Leon Goretzka und Max Meyer, die auch in diesem Jahr einen Schritt nach vorne machen werden. Schalke ist nah dran an Bayern und Dortmund.
SPOX: Ale ehemaliger Spieler von Real verfügen Sie noch über beste Kontakte nach Madrid. Wie haben Sie den Transfer von Toni Kroos wahrgenommen?
Metzelder: Kroos ist super angekommen und hat kaum Eingewöhnungszeit gebraucht. Seine Spielweise passt sensationell gut zu den ballbesitzverliebten Madrilenen und Spaniern. Auch sein Einstand im Supercup war toll.
SPOX: Das mediale Spektakel hielt sich für die Verpflichtung eines Weltmeisters verhältnismäßig in Grenzen.
Metzelder: Der Transfer ist in der Öffentlichkeit etwas untergegangen, das stimmt. Das liegt zu großen Teilen an der Verpflichtung von James Rodriguez, der als Südamerikaner extrem wichtig für die Expansions-und Marketingpläne des Vereins ist. Da mag Toni vielleicht als Leichtgewicht angekommen sein. Ich weiß aber, dass gerade die Fachkreise und Fans voll des Lobes waren über die ersten Wochen. Kroos kann eine der Überraschungen der kommenden Saison sein.
SPOX: Die Einsatzchancen von Sami Khedira haben sich durch die beiden Transfern hingegen deutlich verschlechtert. Wird er sich vermehrt auf der Bank wiederfinden?
Metzelder: Khediras Vorteil ist, dass Real einen italienischen Trainer hat. Carlo Ancelotti weiß, wie wichtig die Defensive ist und kann sehr gut einschätzen, dass es bei Real immer ein Kampf um die richtige Balance zwischen Verteidigung und Offensive ist. Das Vertrauen ist zweifellos da, das hat das Champions-League-Finale gezeigt. Allerdings ist auch die Konkurrenz in diesem Jahr allerdings noch größer geworden.
SPOX: Im Duell mit Kroos spricht Khediras defensivere Prägung aber doch nicht gegen ihn - im Gegenteil sogar.
Metzelder: Stimmt. Aber Madrid lebt und liebt das Offensivspiel. Das ist einfach der Stil dieser Mannschaft und da hat Kroos mit seiner offensiven Spielweise und seinen Fähigkeiten die bessere Position.
SPOX: Khedira wurde unter anderem auch mit dem FCB in Verbindung gebracht. Gleichzeitig war zu lesen, dass es für das Image der Bayern schädlich wäre, den Backup eines Spielers, den man selber hat ziehen lassen, zu verpflichten.
Metzelder: Das kann ich mir nicht vorstellen. Pep Guardiola hat ganz konkrete Vorstellungen, wie er Spielen lassen will und erstellt anhand dieser Maßstäbe ein Profil. Wie andere Vereine oder Trainer das sehen, ist ihm egal.
SPOX: Ancelotti hat weitere Transfers ausgeschlossen. Demnach würde Khedira auch in der kommenden Saison bei den Königlichen spielen.
Metzelder: Ich bezweifle diese Aussage sehr. Es ist erst Mitte August, da wird sich noch etwas tun. Es gab auch immer wieder Gerüchte, dass Mourinho ihn gerne zu Chelsea holen würde. Auch Arsenal ist im Gespräch.
Christoph Metzelder im Steckbrief