Ende November stand VfB-Präsident Bernd Wahler vor einer Mammutaufgabe. Soeben hatte Armin Veh seinen Rücktritt verkündet, innerhalb von wenigen Tagen musste ein neuer Trainer gefunden werden. Und das ohne Sportdirektor. Für das Tabellenschlusslicht der Bundesliga. Als der VfB-Boss letztlich zum Telefon griff, um den alten Bekannten Huub Stevens zu kontaktieren, wusste er genau, was er bekommen würde, sollte der Knurrer aus Kerkrade tatsächlich grünes Licht geben.
Langfristig wollte man mit Armin Veh, der entgegen seiner Gewohnheit einen Zwei-Jahres-Vertrag unterzeichnete, den Verein nach schwierigen Jahren wieder aufbauen. Statt das Projekt mit Zukunft unter neuer Leitung fortzuführen, stellte man im Schwabenland mit der Verpflichtung von Stevens allerdings auf kurzfristigen Erfolg und Abstiegskampf um - am 13. Spieltag.
Drei Spieltage später ist es zwar noch zu früh für ein Fazit, dennoch lassen sich erste Tendenzen erkennen. Blickt man auf die nackten Zahlen unter Stevens, scheint Wahler seine Mammutaufgabe ordentlich gelöst zu haben. In drei Spielen holte Stevens vier Punkte und schaffte vor allem im Derby gegen Freiburg den so wichtigen Dreier bei der Premiere. Doch die Punktausbeute legt den Tarnmantel über das sportliche Auftreten des Klubs.
Glücklicher Sieg im Derby
In Freiburg beispielsweise profitierte das Team von individuellen Fehlern des Gegners. "Wir hätten in der ersten Halbzeit Glück, da hätte es auch 3:1 für Freiburg stehen können", meinte Stürmer Daniel Ginczek nach dem Spiel. Dass es letztlich den Dreier im Stevens-Auftaktmatch gab, war vielmehr auf das Versagen des Gegners, als auf die neue spielerische Klasse der Schwaben zurückzuführen.
Doch auch den glücklichen Schwung des Derbysieges konnte die Mannschaft nicht konservieren. Von Schalke wurde man im ersten Heimspiel in der Ära nach Veh in die Realität zurückgeholt. Innerhalb von 21 Minuten zerlegten die Knappen den VfB im sämtliche Einzelteile und offenbarten die verheerende Abwehrschwäche der Schwaben beim 0:4 letztlich schonungslos.
VfB mit Mauertaktik
Stevens reagierte und tauschte sein Team am letzten Wochenende gleich auf fünf Positionen. Mit Schwaab und Sakai kamen zusätzlich zu Klein und Hlousek, die beide ins Mittelfeld rutschten, zwei weitere Außenverteidiger in die Startelf. Somit waren gegen Mainz mit Werner und Ginczek lediglich zwei Spieler mit offensiver Ausrichtung auf dem Feld. Hinzu kamen zwei Innenverteidiger, vier gelernte Außenverteidiger und zwei defensive Sechser.
"Wir wollten etwas mehr Stabilität in unser Spiel bringen", rechtfertigte Stevens seine Umstellung nach dem Spiel. Die Veränderungen griffen. Defensiv stand man im Vergleich zum Spiel gegen Schalke deutlich besser, ließ weniger Chancen zu und stellte zudem die Schläfrigkeit bei Standards ab. Dass letztlich erneut ein ruhender Ball den Ball ins Stuttgarter Tor fand, passt zwar ins Bild, hat jedoch wenig mit der Schwäche der Schwaben bei eben diesen Aktionen zu tun - schließlich handelte es sich um einen direkten Freistoß.
Offensive Flaute
Die defensive Stabilität der Schwaben ging jedoch auf Kosten der Gefahr in der Offensive. Kostic und Maxim wurden jeweils auf die Bank verbannt und kamen erst weit in der zweiten Halbzeit in die Partie. Dass der VfB im Spiel nach vorne erst nach der Einwechslung der beiden Offensiv-Kräfte besser wurde und das Tor letztlich eine Co-Produktion der beiden Joker war, überrascht kaum. Denn vor allem Werner und Ginczek hingen im Sturm völlig in der Luft und fanden aufgrund der fehlenden Offensivaktionen fast gar nicht statt.
"Wir sind eine Wundertüte. In Mainz ist es nicht einfach zu bestehen, da haben wir unseren Kampfgeist gezeigt. Schalke war ein riesiger Rückschritt, von dem wir uns erst einmal erholen mussten", so Ginczek. Letztlich fand eine verunglückte Flanke von Kostic den Weg ins Tor und sicherte so den Punkt in Mainz.
Das fehlende Glück, das Veh letztlich offenbar zum Rücktritt bewegte, scheint zumindest vorübergehend zurück und bescherte dem neuen VfB-Coach bereits einige Punkte. Eine Leistung, die die vier Punkte aus den drei Spielen rechtfertigte, zeigten die Schwaben bislang noch nicht. Mit einem glücklich errungenen Punkt in Mainz hat man somit lediglich einen erneuten Rückschlag verhindert. "Der Punkt tut uns sehr gut. Er kann am Ende ein ganz wichtiger sein", zeigte sich Christian Gentner positiv.
Sportdirektor weiter gesucht
Dass der VfB auch ohne sportliche Führung nicht handlungsunfähig ist, zeigte Wahler bei der Berufung von Stevens innerhalb eines Tages. Mit Jochen Schneider hat man zwar eine interne Übergangslösung gefunden, doch zufrieden scheint man im Verein mit der Lösung nicht. So betonte man zuletzt stets, man wolle innerhalb der nächsten Wochen noch einen neuen Sportdirektor finden, um die Vakanz zu füllen. Da jedoch aktuell nicht davon auszugehen ist, dass die Position noch vor der Öffnung des Wintertransferfensters besetzt wird, wird Schneider wohl für die Neuzugänge zuständig sein.
Bis dahin wird Stevens mit dem vorhandenen Personal auskommen müssen. Die Rechnung bis zur Winterpause ist jedoch recht simpel: Mit Hamburg und Paderborn trifft man nach dem Mainz-Spiel auf einen weiteren direkten Konkurrenten im Abstiegskampf. Sollte man mit drei oder mehr Punkten aus den beiden Spielen gehen, wird man über die überschaubare sportliche Leistung im Schwabenland weiter hinwegsehen. Sollten nun jedoch auch die Ergebnisse ausbleiben, wird man sich auf ungemütliche Zeiten in der Winterpause einrichten können.
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