Eigentlich war alles angerichtet. Der Protagonist war anwesend, lächelte schüchtern und blickte staunend in die Runde. Dutzende Fotografen und Journalisten hatten sich versammelt, zahlreiche von ihnen aus Fernost. Klaus Allofs und Dieter Hecking waren bereit, den so wichtigen Deal zu verkünden.
Doch das Elementarste fehlte: Das Signal ins Reich der Mitte. Das chinesische Staatsfernsehen wollte die Pressekonferenz live senden - doch noch stand die Übertragung nicht. Und so mussten die Anwesenden noch rund zehn Minuten länger als geplant warten, bis das Signal funktionierte und das Ereignis beginnen konnte.
Welche Dimension die Verpflichtung von Xizhe Zhang in seinem Heimatland hat, bewies eben diese Live-Übertragung seiner Antritts-PK. Rund 44 Millionen Chinesen verfolgten seine Präsentation. Minute für Minute. Während der Transfer hierzulande eine eher durchschnittliche Beachtung genoss, wurde er in China zu einem sportlichen Großereignis.
"PR-Gag? Pustekuchen!"
Genau das war auch die Intention. Durch einen einzigen Spieler erreicht der VfL Wolfsburg plötzlich einen Markt von Abermillionen von Menschen, zu denen zuvor kein Draht existierte. Der Verdacht liegt nahe, dass Zhang in erster Linie nicht als große sportliche Verstärkung, sondern als Mittel zur Erschließung neuer Märkte dienen soll.
Wolfsburgs Verantwortliche sahen sich schon im Vorfeld mit dem Vorwurf konfrontiert und waren von Beginn an bemüht abzuwiegeln : "Sein Wechsel hat in den Medien zwar für viel Aufsehen gesorgt, dennoch ist das kein PR-Gag", beschwor Allofs: "Er ist einer der besten Spieler in China. Er wird uns weiterhelfen."
Auch Hecking betonte den sportlichen Wert von Zhang: "Ich lese immer, er ist ein Werbe-Gag. Pustekuchen! Er ist kein Werbe-Gag. Sonst hätten wir das doch nicht gemacht." Das Bild einer PR-Marionette Zhang wird von Beginn an bewusst zerstreut.
Keine Verstärkungen benötigt
Geredet wurde stattdessen über den Fußballer Zhang. "Er soll mal reinschnuppern", sagte Hecking, der bewusst die Erwartungen bremste: "Wir wollen ihm den Einstieg erleichtern und keine zu große Erwartungshaltung aufbauen." Auch Allofs schlug in die gleiche Kerbe: Man wolle "Xizhe stufenweise aufbauen und ihm die Zeit geben, die er benötigen wird."
Zhang soll keine kurzfristige sportliche Verstärkung sein. Doch ob er diese Erwartung zumindest auf lange Sicht erfüllen kann, scheint durchaus fraglich. Denn eigentlich gab es für Wolfsburg keinerlei Anlass zum Nachrüsten. Selbst Hecking hatte nach dem Spiel gegen Paderborn gesagt, er "werde jetzt nicht zu Klaus Allofs gehen und sagen, dass wir weitere Verstärkungen brauchen. Die Mannschaft ist homogen genug."
Dennoch wurde die lange im Voraus geplante Verpflichtung von Xhang zum Abschluss gebracht. Ein offensiver Mittelfeldspieler für die ohnehin schon breit besetzte, zweitbeste Offensive der Liga. Zu einem Zeitpunkt, zu dem alles nach Plan läuft. Wolfsburg ist in allen drei Wettbewerben auf Kurs und übertrifft in der Liga derzeit selbst die eigenen Erwartungen.
Partnerschaft "ideal" für VW
Umso stärker wirkt der PR-Aspekt des Zhang-Transfers und dessen Bedeutung für Wolfsburg - und VW. Angeblich hinkte der Konzern auf dem chinesischen Markt zuletzt den eigenen Ansprüchen hinterher, laut "dpa-AFX" sei das Wachstum zu gering gewesen.
VW kann also nur größtes Interesse an der vergleichbar preiswerten Werbefläche eines Fußballers haben, der Millionen Menschen bewegt. "Ideal" nennt Allofs die nun beschlossene Verpflichtung. Sie würde "in die gesamte Philosophie mit VW als unserem großen Partner passen."
Passend dazu hat der VfL eine dreijährige Kooperation mit einem der größten chinesischen Reifenhersteller beschlossen. "Linglong Tires" seinerseits wolle ein Forschungscenter in Deutschland aufbauen, auch ein Produktionsstandort in Europa steht zur Debatte.
Eine Kooperation, die ins Bild der chinesischen Marketing-Offensive von VW und VfL passen. Aus aktuellem Anlass ist nun sogar auch die Homepage der Wölfe auf Chinesisch erreichbar. "Das Interesse am VfL steigt von Monat zu Monat. Wir haben viele Fans in China und wollen mit diesem neuen Angebot dafür sorgen, dass sie stets bestens über den VfL informiert sind", argumentiert Allofs. Für all das dient Zhang als Aufhänger.
Zhang beflügelt Wolfsburgs Popularität
Mit ihm können Wolfsburg und VW plötzlich ein Plus an Menschen beziehungsweise Kunden erreichen, das sogar die deutsche Population übertrifft. Rund 15 Millionen Chinesen sahen die Partie gegen Paderborn, als Zhang erstmals auf der Tribüne zu Gast war und nur noch Details zu klären waren.
Über 40 Millionen verfolgten am Dienstag seine offizielle Präsentation. Es ist keine mutige Prognose, zu behaupten, dass diese Anzahl zum Rückrundenauftakt nochmal exorbitant steigen wird, wenn es gegen die großen Bayern geht.
"Die deutschen Mannschaften sind in China beinahe genauso populär wie die englischen Clubs", bestätigt der 23-Jährige. Dank ihm sind sie nun noch populärer - und neben den Bayern nun vor allem der VfL.
Ein harter Kampf steht bevor
Doch Zhang wird sich erst einmal zurechtfinden müssen. "Er muss zunächst unser System und meinen Stil kennenlernen. Er braucht Geduld. Wichtig ist, dass er zum Trainingsstart am 5. Januar fit ist", sagte Hecking.
Doch er wird auch darüber hinaus noch einige Hürden nehmen müssen. Sein Kampf um Einsatzminuten, einen Platz in der Startelf wird auch immer ein Kampf um Reputation sein. Ein Kampf gegen das Image des PR-Transfers, dessen Marketing-Wert das sportliche Potenzial zu übersteigen scheint.
Denn dafür passt sein Transfer einfach zu gut in die Vermarktungsstrategie von Wolfsburg und VW - und gleichzeitig zu wenig in die sportlichen Gegebenheiten. Stand jetzt ist Zhang mehr Werbeträger als Hoffnungsträger. Noch.
Xizhe Zhang im Steckbrief