Patrick Herrmann ist seit der Saison 2010/2011 unumstrittener Stammspieler bei Borussia Mönchengladbach. Sieht man von seiner kurzzeitigen Liaison mit Mike Hanke im Sturmzentrum Ende 2012 ab, war der 23-Jährige der Mann auf der rechten Offensivseite der Fohlen, an dem kein Weg vorbeiführte.
Mit Beginn der neuen Saison änderte sich dies. Die Verpflichtungen von Andre Hahn, Ibrahima Traore, Thorgan Hazard und Fabian Johnson sorgten für einen Konkurrenzkampf auf den Außenpositionen, den es vorher überhaupt nicht gegeben hatte.
Dieser tobte nicht nur auf der vakanten Position auf dem linken Flügel, die es nach Juan Arangos Abgang neu zu besetzten galt. Erstmals sah sich auch Herrmann einem echten Widersacher entgegen, der als Nationalspieler und mit der Empfehlung von 21 Scorerpunkten aus Augsburg gekommen war.
Hahn sofort Leistungsträger
Das Gladbacher Eigengewächs verlor das Duell mit Hahn und fand sich zu Saisonbeginn im Pokal und in der Liga auf der Bank wieder. Einzig beim Europa-League-Qualifikationsspiel in Sarajevo schenkte Favre Herrmann das Vertrauen. Der gab sich damals selbstbewusst und kämpferisch: "Natürlich bin ich nicht begeistert von der Situation, aber da muss man durch. Ich weiß, wo meine Stärken liegen und werde alles dafür tun, den Trainer von mir zu überzeugen."
Dass Hahn ohne Eingewöhnungszeit in der Europa League, der Bundesliga und im Pokal traf, verringerte Herrmanns Chancen auf ein baldiges Startelf-Comeback zusätzlich. Gleichzeitig bestätigte Hahn damit erneut Max Eberls Transferbemühungen, die sich auch aufgrund der kurzen Anlaufphasen verstärkt auf Spieler aus der Bundesliga konzentrieren.
"Rotation? Nicht meine Philosophie"
Wer Herrmann zu diesem Zeitpunkt eine beschwerliche Saison auf der Bank prognostizierte, wagte sich gerade mit Rückblick auf die vergangenen Jahre nicht weit aus dem Fenster. In diesen zeigte sich Favre als Trainer, der sehr schnell in der Lage ist, seine beste Elf aus dem vorhandenen Spielermaterial herauszufiltern - und diese dann auch beizubehalten. "Es ist wichtig, ein beständiges Gerüst auf dem Platz zu haben. Die Spieler sind aufeinander abgestimmt und wissen, wie Ihr Nebenmann tickt", erklärte Favre das Festhalten an seiner Stammformation.
Davon ist in dieser Saison auf den ersten Blick nicht mehr viel zu sehen. Der Schweizer ändert seine Mannschaft von Spiel zu Spiel meist auf vier oder fünf Positionen. In den ersten 17 Pflichtspielern der Saison schaffte er es sogar, 17 unterschiedliche Teams aufzustellen. "Das ist nicht meine Philosophie, aber wir spielen in so vielen Wettbewerben, da geht es einfach nicht anders", erläutert Gladbachs Trainer.
Favres Pool für die Außen
Dabei tauscht sich der Schweizer keinesfalls bunt durch den Kader - im Gegenteil sogar. Erst 18 Spieler setzten die Fohlen in der laufenden Bundesligasaison ein, weniger als jedes andere Team in Deutschlands höchster Spielklasse. Favre beschränkt sich viel mehr auf besonders lauf- und sprintintensive Positionen, die eine hohe körperliche und geistige Fitness voraussetzen, vornehmlich Außenpositionen.
Angefangen bei den Außenverteidigern, wo sich Alvaro Dominguez und Oscar Wendt die linke Position teilen, über die rechte Seite, auf der Tony Jantschke aushilft, wenn Julian Korb eine Pause benötigt, bis hin zu den offensiven Flügeln, wo Favre fast in jedem Spiel zwei frische Männer bringt. Im Sturm bekommen Max Kruse und Raffael ebenfalls regelmäßig Zeit zur Regeneration, weil Branimir Hrgota und Hazard parat stehen.
Gleichzeitig hält Favre weiterhin konstant an den Eckpfeilern seiner Mannschaft fest, vor allem im Zentrum, wo das Innenverteidiger-Duo Martin Stranzl/Jantschke ebenso gesetzt ist, wie die Doppelsechs mit Granit Xhaka und Christoph Kramer. Von einer Rotation im eigentlichen Sinne kann man folglich nicht sprechen. Favre hat sich vielmehr einen Pool aus Spielern geschaffen, die er für bestimmte Positionen vorsieht und denen er uneingeschränkt das Vertrauen schenkt.
Gladbachs neue Möglichkeiten
Diese Vielzahl unterschiedlicher Spielertypen ermöglicht Favre mannigfaltige Varianten. Abhängig vom Gegner kann er früh entscheiden, ob er auf Traores Geschwindigkeit, Herrmanns Dribbelstärke oder Hahns Durchsetzungsvermögen setzen will. Ein weiterer Vorteil ist, dass der Gegner meist erst kurz vor Anpfiff weiß, mit welchen Gladbacher Außenspielern er es zu tun bekommt und über welche Seite diese kommen.
Der Konkurrenzkampf innerhalb der Mannschaft wird so ständig aufs Neue geschürt. Das fängt im Training an, spiegelt sich aber gleichermaßen in den Spielen wider, in denen Favre wesentlich öfter und früher als noch in der Vorsaison auswechselt. "Klar will man immer von Anfang an spielen, aber wir haben viele gute Spieler im Kader. Deshalb muss man immer Vollgas geben, auch wenn man von der Bank kommt", beschreibt Traore die Situation.
Auch die Konzentration und Stimmung bleiben bei allen Spielern auf einem konstant guten Niveau, wie auch Sportdirektor Max Eberl feststellt: "Wir wollen alle Spieler bei Laune halten, denn wir werden sie alle brauchen." Misstöne aus dem Lager der Borussia blieben so nahezu komplett aus.
Vom Verletzungspech verschont
Abgesehen von kleineren Blessuren einzelner Spieler hat Favre fast die gesamte Saison über die Qual der Wahl. Dem Zufall überlässt man die verhältnismäßig geringen Verletzungssorgen in Gladbach aber nicht: "Natürlich ist auch Glück dabei, wenn eine Mannschaft von schweren Verletzungen verschont bleibt. Gelingt genau das aber über einen längeren Zeitpunkt, würde ich es nicht mehr nur Glück nennen. Da muss dann auch ein System einer funktionierenden Vorbeugung vor Verletzungen vorhanden sein", sagte Mannschaftsarzt Stefan Hertl gegenüber der "Rheinischen Post".
Sollte sich im Trainingslager kein Profi mehr verletzten, wird Favre zu Beginn der Rückrunde die volle Stärke des Kaders zur Verfügung stehen. Dann wird auch Johnson, der nach durchwachsenen Leistungen zu Saisonstart nur noch wenig Berücksichtigung fand, wieder angreifen, um sich als weitere Option für die Außen anzubieten.
Favre wäre es sicherlich recht, schließlich steht die Borussia in der K.o-Runde der Europa League, auf Platz vier der Bundesliga sowie im Achtelfinale des DFB-Pokals und will "alles gewinnen, was möglich ist", wie Eberl sagt.
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