Vorsicht mit Uns Marco

Marco Reus war der letzte BVB-Spieler, der eine Ausstiegsklausel in seinem Vertrag hatte
© getty

Dass sich Marco Reus mitten in der sportlichen Krise zu Borussia Dortmund bekennt, ist für den BVB ein herausragendes Zeichen. Doch die Langfristigkeit der neuen Vertragsvereinbarung sollte mit Vorsicht genossen werden. Ein Kommentar von SPOX-Redakteur Jochen Tittmar.

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Auch wenn Borussia Dortmund am Samstag mal wieder ein Fußballspiel gewann - dem BVB geht es aktuell schlecht. Der Verein erlebte einen in der Bundesliga fast einmaligen Absturz und ist weiterhin akut vom Abstieg bedroht. Das ist Fakt.

Fakt ist seit Dienstagvormittag aber auch, dass die überraschende Vertragsverlängerung von Marco Reus ein herausragendes Zeichen für den Klub bedeutet. Sie belegt, dass Dortmund trotz der desaströsen Saison nichts von seiner in den letzten Jahren aufgebauten Strahlkraft eingebüßt hat.

Die Nachricht sorgt bei der Belegschaft des Vereins für einen in Zeiten des Abstiegskampfs wichtigen Enthusiasmus - dessen Nachhaltigkeit allerdings schnell wieder auf Normalmaß schrumpfen würde, sollte der BVB sein Heimspiel am Freitagabend gegen Mainz nicht gewinnen.

Seeler, Gerrard - und Götze

Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke äußerte in der offiziellen Pressemitteilung nicht zum ersten Male die Hoffnung, dass Reus in Dortmund zu einer epochalen Gestalt aufsteige - wie einst Uwe Seeler beim Hamburger SV oder der im kommenden Sommer vom FC Liverpool scheidende Steven Gerrard. Beide schnürten jeweils 26 Jahre lang die Schuhe für "ihren" Klub.

Doch die Langfristigkeit von Reus' neuer Vertragsvereinbarung sollte im Hinblick auf das heutige Geschehen im Fußballgeschäft mit Vorsicht genossen werden, trotz aller wohltuenden Romantik, die die Entscheidung zugleich umweht. Sie bedeutet ganz nüchtern betrachtet keinesfalls, dass ein Reus-Abgang vor 2019 nun ausgeschlossen wäre.

Siehe das Beispiel Mario Götze, der im März 2012 ebenfalls vorzeitig um zwei weitere Jahre beim BVB verlängerte. Auch damals war das Echo wie jetzt bei Reus enorm. Nur 14 Monate später wurde Götzes Transfer zum FC Bayern publik. Nichts ist im Fußball älter als die Aussagen von gestern.

Reus muss Titel gewinnen

Marco Reus, der in seiner Karriere noch keinen Mannschaftstitel in die Höhe recken konnte, hat sich für seinen Schritt viel Bedenkzeit genommen und spricht nun von einer Entscheidung fürs Leben. Dieser Satz bleibt hängen, klingt er doch so, als habe er sich für immer auf Schwarzgelb festgelegt.

Sowohl Watzke als auch Reus lehnen sich mit ihren Aussagen bei aller berechtigten Freude somit mutig aus dem Fenster. Die zahlungskräftigen Interessenten, die Reus lieber heute als morgen in ihren Farben sehen würden, wird die Vertragsverlängerung ohne Austiegsklausel nicht in Ehrfurcht erstarren lassen. Ein Reus-Transfer mit marktgerechter Ablösesumme ist weiterhin für viele Klubs realisierbar - so denn Reus mitmacht.

Es steht außer Frage, dass ein bärenstarker Spieler wie Marco Reus Titel gewinnen muss. Davon ist sein Arbeitgeber aktuell allerdings meilenweit entfernt. Die Borussia steht darüber hinaus im Sommer vor einer entscheidenden Zäsur, bei der nach Reus' Sprung zum Spitzenverdiener nun auch das Thema Gehaltshygiene auf die Agenda kommen dürfte.

Der BVB wird sich also sportlich um einiges strecken müssen, um Watzkes Hoffnung und Reus' Entscheidung eine dauerhafte Perspektive zu bieten. Auch Marco Reus hat nur eine Karriere - und Pokale sind per se schon immer attraktiver als eine lange Vereinszugehörigkeit gewesen.

Marco Reus im Steckbrief

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