SPOX: Nach überzeugenden Leistungen in der A-Jugend gab Ihr 18-jähriger Sohn Jesper Mitte März sein Debüt bei Werder Bremen II. Erleben wir bald den nächsten Verlaat in der Bundesliga?
Frank Verlaat: Eine schwierige Frage. Jesper war immer mal wieder verletzt und ist erst seit einem Jahr fast durchgängig fit, daher muss er jetzt einiges nachholen. Er muss definitiv noch einige Sprünge nach oben machen, um es zu schaffen. Er ist jetzt in der sehr wichtigen Phase, in der sich herausstellt, ob es in den Profibereich gehen kann oder nicht.
SPOX: Ist er ein Typ wie Sie damals? Ein spielstarker Innenverteidiger mit einem hervorragenden linken Fuß?
Verlaat: Es gibt Ähnlichkeiten - abgesehen davon, dass sein rechter Fuß der bessere ist. Er fing als Sechser an, aber wird mittlerweile vor allem in der Innenverteidigung eingesetzt. Und er spielt viel mit dem Auge und ist von hintenheraus ein Stratege.
SPOX: Jespers erster Jugendtrainer in Bremen war Viktor Skripnik, der mittlerweile das Profi-Team verantwortet und auffällig vielen Talenten eine Chance gibt.
Verlaat: Was man bei allem berechtigtem Lob für Viktor nicht vergessen sollte: Bereits in der Zeit vor ihm hat Bremen relativ viele Nachwuchsspieler eingesetzt, alleine schon, weil die finanziellen Möglichkeiten es so vorgegeben haben. Daher ist das kein neues Phänomen. Das vergessen viele. Allerdings ist es bemerkenswert, wie sehr Viktor der Jugend vertraut und sie konsequent fördert. Natürlich ist in der Bundesliga der Druck sehr groß und wenn es mal nicht so läuft, werden in Bremen genauso schnell erfahrene Spieler gefordert. Doch wenn Werder sich treu bleibt, könnte was Großes entstehen. Das ist vergleichbar mit Feyenoord Rotterdam in den Niederlanden, wo aus der Not heraus so viele Talente entwickelt werden wie bei kaum einem anderen Klub.
SPOX: Sie leben seit Jahren in Portugal. Was machen Sie dort - und wie eng verfolgen Sie noch die Bundesliga?
Verlaat: Ich arbeite im Versicherungsbereich und habe mich auf Arbeitsunfähigkeitsversicherungen und Invalidität im Spitzensport spezialisiert. Ich berate Profis aus dem Fußball, aber auch aus dem Basketball, Handball und Eishockey, und bin ungefähr eine Woche pro Monat in Deutschland und treffe immer wieder alte Bekannte. Daher bin ich zwar nicht mehr mittendrin im Bundesliga-Geschehen und trotzdem in der Nähe. So gefällt es mir am besten.
SPOX: Als Fußballer waren Sie ein Stratege, als Ex-Profi eigneten Sie sich wirtschaftliches Knowhow an. Warum versuchen Sie es nicht als Sportdirektor oder Manager? Es soll Anfragen gegeben haben.
Verlaat: Wenn überhaupt sehe ich mich eher als Trainer statt Manager. Deswegen habe ich nach dem Ende der Laufbahn gleiche meine B- und A-Trainerlizenz gemacht, alleine nur, um mir die Option offenzuhalten. Nur: Ehrlich gesagt hat es mich nicht so gepackt. Auf jeden Fall nicht so gepackt, wie es sein sollte, um voll in das Fußball-Business einzusteigen. Egal ob als Trainer oder Manager, das sind Jobs, die hundertprozentig 24 Stunden am Tag die ganze Woche gelebt werden müssen. Man muss dazu bereit sein - und ich bin es eben nicht. Daher strebte ich nie eine Karriere als Manager oder Trainer an und deswegen bin ich nie die UEFA-Superlizenz angegangen. Aber wer weiß, was die Zukunft noch bringt.
SPOX: Wie seriös waren die Gerüchte in den vergangenen Jahren, dass Sie bei Ihren Ex-Klubs Stuttgart und Graz als Sportdirektor gehandelt wurden?
Verlaat: Bei beiden das gleiche: Es wurde viel geschrieben, doch es war nichts dran.
SPOX: Sie spielten in fünf verschiedenen Ligen und unter anderem für Ajax Amsterdam, Auxerre, Stuttgart und Bremen. Welche Station war die schönste?
Verlaat: Ajax am Anfang zählt nicht, es ist fast 25 Jahre her und damals war ich noch ein Jugendlicher. Ich war zwar 21 Jahre alt, aber das ist mit den Gleichaltrigen in der heutigen Zeit nicht zu vergleichen, weil man mittlerweile in dem Alter viel weiter ist. Erst als ich etwas erfahrener wurde, habe ich viele Dinge viel bewusster und damit viel schöner wahrgenommen. Vor allem in Auxerre und Stuttgart habe ich verstanden, wie schön das Leben als Fußball-Profi sein kann. Zumal diese Periode die erfolgreichste war. Wobei ich danach, in Bremen und Graz, gleichfalls eine tolle Zeit hatte.
SPOX: Allerdings verlief die Trennung in Bremen 2003 unschön. Sie und der damalige Manager Klaus Allofs stritten sich öffentlich. War diese Episode die schmerzhafteste Niederlage Ihrer Karriere?
Verlaat: Nein, es war keine Niederlage, weil ich die Argumente verstand, warum sich Bremen so entschieden hatte. Das Problem war der gegenseitige Umgang: Ich hätte damals im Sommer 2003 gerne früher Klarheit gehabt, um sich zur Not anderweitig zu orientieren. Doch Werder ließ das Thema lange vor sich hin schwelen, obwohl ich um eine Entscheidung bat. Wenn rechtzeitig gesagt worden wäre: "Frank, danke für die Zeit bei uns, aber wir planen mit einem Jüngeren", dann wäre das an sich kein Problem gewesen. Das ist leider komplett schief gelaufen und am Ende haben wir alle den Preis dafür gezahlt.
SPOX: Ist das Verhältnis zu Allofs nachhaltig beschädigt?
Verlaat: Nein, nein. Es war, wie es war, und damit ist die Sache gegessen. Damals handelte er sicherlich so, wie er dachte, dass es das Beste für den Verein wäre. Vielleicht hätte er sich auch ein bisschen anders verhalten können. Gleichzeitig reagierte ich in dem Moment sicher sehr emotional. Ich habe Klaus seitdem mehrmals getroffen uns es gibt kein Problem mehr. Bremen war eine super Zeit mit tollen Leuten und nur weil eine am ende kleine Sache nicht optimal lief, bleibt nichts hängen.
SPOX: Ein Mysterium in Ihrer Karriere: Sie bestritten nur ein Länderspiel für die Niederlande. Warum?
Verlaat: Zum einen war die Konkurrenz in der Innenverteidigung immer groß: Frank de Boer, Jaap Stam, Bart Konterman, Kees van Wonderen, Winston Bogarde. Zum anderen hatten die Trainer offenbar eine Spielidee im Kopf, zu der ich mit meinem Stil nicht so gepasst habe. Dennoch war ich natürlich vor allem zu meiner Zeit in Stuttgart erstaunt, dass ich nie eingeladen wurde.
SPOX: Haben Sie beim niederländischen Verband beschwert?
Verlaat: Man geht nicht zum Verband und fragt nach, so etwas macht man nicht. Wenn man nicht eingeladen wird, dann eben nicht. Betteln habe ich nicht nötig.
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