Eigentlich war alles angerichtet für die triumphale Rückkehr von Peter dem Großen. In seinem Porsche fuhr Peter Neururer vor, traf sich in einem Hotel mit den Verantwortlichen von Hannover 96, um über ein Engagement als Feuerwehrmann zu verhandeln. Wenig später verließ Neururer das Hotel wieder und sprach gegenüber den Journalisten von "guten Gesprächen".
Einigen Stunden später wurde Michael Frontzeck als neuer Trainer von 96 vorgestellt. Nicht wenige zeigten sich überrascht, fiel der Name Frontzeck am Montag im Kreis der Kandidaten nicht. Man ging davon aus, dass Neururer den Job bekommen würde. Oder eben Mirko Slomka, der Hannover vor drei Jahren in die Europa League führte.
Warum also Frontzeck? Der Trainer, der in den letzten Jahren nicht unbedingt große Erfolge vorzuweisen hat. Unter den Bundesliga-Trainer mit mindestens 100 Spielen ist Frotzeck der Coach, der die schlechteste Punkteausbeute hat (0,94). In 137 Spielen als Verantwortlicher eines Bundesliga-Teams fuhr er lediglich 29 Siege ein, insgesamt holte er 129 Punkte.
Ein Feuerwehrmann sieht anders aus. Mit Alemannia Aachen stieg er 2007 aus der Bundesliga ab und wurde entlassen. Vor dem letzten Spieltag der Saison 2008/2009 wurde er bei Arminia Bielefeld beurlaubt und durch Jörg Berger ersetzt - die Ostwestfalen stiegen dennoch ab. 2011 wurde er bei Borussia Mönchengladbach im Frühjahr entlassen, weil der Verein vor dem Abstieg stand.
Finanziell ergibt das Sinn
Beim FC St. Pauli musste Frontzeck 2013 nach einem durchaus erfolgreichen Jahr gehen, weil er sich mit der Vereinsführung nicht mehr einig war. "Wir sahen uns zu diesem drastischen Schritt gezwungen, da Michael Frontzeck mit der Forderung einer sofortigen Vertragsverlängerung uns so unter Druck gesetzt hat, dass wir diesen Weg nicht gehen konnten und wollten", sagte Pauli-Präsident Stefan Orth damals zu dem ungewöhnlichen Schritt.
Die Entscheidung pro Frontzeck überrascht aus rein sportlicher Sicht, aber nicht aus finanzieller. Die Niedersachsen suchten einen Trainer für lediglich fünf Spiele, weil man für die neue Saison wohl andere Pläne hat (Luhukay und Rettig?).
Jetzt geht es lediglich darum, die Klasse zu halten. Anders als die anderen Kandidaten wie Neururer und Slomka, die noch bei ihren alten Verein unter Vertrag stehen, war Frontzeck frei und war an keinen Verein mehr gebunden. Das könnte ein mit ausschlaggebendes Kriterium gewesen sein.
Präsident Martin Kind forcierte die Fünf-Spiele-Lösung, um letztlich das Ärgste zu verhindern und sprach nach den Verhandlungen mit den Kandidaten Neururer und Frontzeck am Montag von einer "Entscheidung der Vernunft". Wirklich vernünftig ist die Wahl auf Fronzteck also wohl nur von finanzieller Natur.
Dufner steht ebenfalls in der Kritik
Hannover geht ein sehr großes Risiko ein. Der Verein wollte mit der Korkut-Entlassung noch mal ein letztes Zeichen setzen, einen neuen Impuls geben und gibt nun die sportlichen Geschicke in die Hände eines Trainers, der eigentlich drei Mal aus der Bundesliga abgestiegen ist. Die Entscheidung scheint auf den ersten Blick fragwürdig.
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Auch Sportdirektor Dirk Dufner ist nach den Entwicklungen in den letzten Monaten angezählt und wird im Sommer zur Disposition stehen. Mit solchen Themen will man sich in Hannover aktuell aber nicht beschäftigen.
Jetzt zählen im Jahr des Umbruchs einzig und alleine die nächsten fünf Spiele. Einzelschicksale spielen dabei keine Rolle, wie Dufner und Frontzeck unisono auf der Pressekonferenz am Dienstag verlauten ließen.
"Alles sollte dem Klassenerhalt untergeordnet sein. Michael Frontzeck macht einen sehr zuversichtlichen Eindruck und er kennt den Verein. Wir glauben, dass er sehr gut zu Hannover 96 passt", sagte Dufner bei der Vorstellung des neuen Trainers. Eine Option, dass sich der Vertrag des Trainers bei geglücktem Klassenerhalt automatisch verlängern werde, gibt es nicht. Dies machte Kind gegenüber dpa am Dienstag deutlich.
Frontzeck back in business?
Die Lage ist zwar arg bedenklich, aber nicht aussichtslos. Noch hat Hannover alles selbst in der Hand. Zwei Punkte beträgt der Vorsprung auf den Relegationsplatz, den der SC Paderborn derzeit belegt.
Für Frontzeck ist das Engagement in Hannover Chance und Risiko zugleich. Am Dienstag forderte er, "dass die Spieler ihr Ego hinten anstellen müssen, die letzten fünf Spiele geht es nur um den Verein Hannover 96." Er ist sich bewusst, dass er an der Leine wohl lediglich fünf Spiele tätig sein wird.
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Aber: Sollte Frontzeck der Klassenerhalt gelingen, könnte er zumindest wieder auf das Trainer-Karussell der 1. Liga aufspringen. Auf der anderen Seite könnte ein Abstieg seiner Trainerkarriere womöglich den endgültigen Todesstoß geben.
"Das A und O in dieser Situation ist, die Nerven zu behalten. Wir müssen kontrolliert spielen, die richtige Mischung finden", sagte Frontzeck in Hinblick auf die nächsten Wochen: "Im Training habe ich den Eindruck gewonnen, dass das Team topfit ist." Generell herrschte in Hannover nach der ordentlichen Hinrunde das Gefühl, dass das Team genug Klasse hat, um nicht in den Abstiegskampf zu geraten.
Erfahrung ja, Erfolge nein
In der jüngsten Vergangenheit hat sich die Denke geändert. Spätestens nach dem unglücklichen Auftritt in Leverkusen, dem 13. sieglosen Spiel in Folge und dem anschließenden Scharmützel zwischen Manuel Schmiedebach und Leon Andreasen wurde deutlich, dass die Stimmung im Team mehr als angespannt ist.
In der Kabine soll es anschließend auch laut geworden sein. Korkut war aufgrund der Entwicklungen seit dem Winter offensichtlich nicht mehr der richtige Mann bei 96.
Vorstellbar ist, dass Frontzeck für diese Situation mit seiner unaufgeregten und distanzierten Art im Vergleich zu Korkut geeigneter ist. Er legt innerhalb eines Teams größten Wert auf Respekt. "Nicht alle müssen einander grün sein und jeden Abend zusammen weggehen. Aber ich erwarte Respekt. Respekt klingt wie ‚der kleinste gemeinsame Nenner'. Wie soll eine Gruppe mit all ihren Charakteren denn sonst funktionieren?", sagte er in einem Interview 2010.
Bisher hat Frontzeck zwar Erfahrungen im Abstiegskampf gesammelt, konnte diesen bisher allerdings noch nie erfolgreich gestalten. Hannover 96 ist mit der Frontzeck-Verpflichtung ein großes Risiko gegangen. ‚All in', wie man beim Poker sagen würde. Ob man am Ende den Pot gewinnt, werden die nächsten fünf Runden zeigen.
Hannover 96 im Überblick